Tag 89, Montag, 15.08.2011

 

Ab 03.30 Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Irgendwie scheine ich bei adliger Anwesenheit besser zu nächtigen. Mich an ein SWR1-Leute-Interview mit einem Schlafforscher erinnert und beschlossen nicht wach liegend zu grübeln, sondern die Energie produktiv zu nutzen. Ich habe Ablage gemacht. Klingt schräg, muss aber auch mal sein. Und wenn nicht jetzt, wann dann. Nahm bestimmt eine Stunde in Anspruch. Später einen Brief an die Krankenkasse verfasst und im Internet bezüglich Rehakliniken recherchiert. Pünktlich um 08.00 Uhr an der Praxistür geklopft und um 08. 45 Uhr den Arm zur Blutentnahme ausgestreckt. Den linken, der rechte geht ja nicht. Die Azubine war um einiges kompetenter als die Vampir-Omi. Perfekte Entnahme! Respekt! Keine Rumstecherei, kein blauer Fleck. Miss Blutennahme des Jahres 2011 hatte einen unanständigen tiefen Ausschnitt. Fiel mir schwer, da von meinem Hocker aus nicht reinzuschauen. Als Chef würde ich sowas verbieten. Oder vielleicht ist das bei männlichen Neukunden eine Praxis-Strategie? Olga Natratilowa mit den flinken Pieksehänden und dem blau-geblümelten BH war von meinen Werten so schockiert, dass sie sofort zu Olivia Popeye rannte. Sie ließ sich von mir nicht beruhigen. Dabei hatte ich schon bedeutend schlechtere Werte. Hb 8,4 is doch supi. Der Dax fällt, mein Dax steigt wenigstens um 3 Punkte. Leukos bei 3000 – das ist auch noch kein Crash bzw. Schwarzer Montag. Also Mädel, jetzt hab dich mal nicht so. Ich stöhnte schon vor mich hin, weil ich dachte, ich müsste jetzt Frau Dr. „Bitte unterbrechen Sie mich nicht!“ am frühen Morgen ertragen. Kein Schoßgebet, sondern Stoßgebet Richtung Universum losgeschickt. Wunderbar, wurde wieder erhört, die unmögliche Olivia blieb mir also erspart. Danke, und weg!

 

Vollgepumpt mit freudiger Energie verlangte mein Körper nach einem dicken fetten Kräuer-Omelette. Da das „Riva“ gerade auf meinem Weg lag, entschied ich mich diesmal gegen das von mir so geschätzte „Cafe am Markt“. Als einziger Kunde lauschte ich der Queich, frohlockte über die Menschenleere im Frühstücksrestaurant, las einen unglaublichen Artikel im Spiegel über einen Lehrer, der 5 Jahre wegen Vergewaltigung unschuldig im Gefängnis saß und biss in das beste Omelette, in das ich jemals beißen durfte.

Freudige Energie, gepaart mit freien Eiweißmolekülen verursachten dann einen Shopping-Wahn in meiner Großhirnrinde. Braune Schuhe und einen ultra-eleganten Tintenroller geshoppt. Zu viel Zeit und das Krankenhaustagegeld sind natürlich auch dafür verantwortlich, warum ich gerade so gern Dinge kaufe. Muss mich bremsen, sonst erklärt man mich demnächst zwar für geheilt, aber auch für unzurechnungsfähig. Der ultra-elegante Tintenroller ist für mein ultra-elegantes Leder-Notizbüchlein. Dort trage ich meine geheimsten Gedanken ein. Die aller aller aller aller geheimsten. Sowas wie: Ich finde, mein Nachbar ist der hässlichste Typ, den ich je gesehen habe oder Uschi stinkt (unsere Katze).

Ein Telefonat geführt, dass mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Eine Freundin, wenn nicht sogar die Freundin, hat mir wieder mal die Augen geöffnet und gezeigt, dass ich noch lange nicht am Ende meines Entwicklungsprozesses angelangt bin. Dass ich die Ansprüche, die ich gegenüber andere äußere meist selbst nicht erfülle. Dass ich immer noch gefangen bin in meiner idealtypischen Fantasiewelt und der defizitären Realwelt. Ich muss mich ganz selbstkritisch fragen, erfülle ich selbst immer die Kriterien meiner Freundschaftsdefinition? Was heißt das nun? Die Ansprüche herunterschrauben? Keine große Lippe mehr riskieren? Ich weiß es noch nicht.

 

Gähnende Menschenleere.

Eine Wohltat!

Hier habe ich heute das beste Omelette meines Lebens verspeist.

Das Rauschen der Queich entspannte, aber ihre Farbe nicht.

Das war vielleicht eine braune Brühe.

Wahrscheinlich hat mich das auf den Gedanken gebracht, braune Schuhe zu kaufen.

 

 

Seit heute "Die Unzertrennlichen". Ich glaube, sie haben sich gern. Ich hoffe es zumindest, sie müssen es auf jeden Fall noch eine ganze Weile miteinander aushalten.

In dieses Buch schreibe ich meine geheimsten Gedanken hinein. Praktisch solche Sachen, mit denen Charlotte Roche gerade pervers viel Kohle verdient.

Montagsfilm im ZDF: "Hand in Hand". Kitschig? Ja. Vorhersehbar? Ja. Bekannte Storry? Oh..ja. Und trotzdem...Tipp...diesen Film nicht alleine schauen...schrecklich...traurig....

 

Hmmm...bin ich jetzt müde oder bin ich es nicht, kann mich noch nicht richtig entscheiden. Eigentlich müsste ich müde sein. Außerdem nehme ich ja fast keine (gravierenden) Pillen mehr. Irgendwie komme ich aber auch nicht zu Ruhe. So eine Art Zwischenstadium, in dem ich mich da befinde.

 

Heute habe ich mich richtig gut gefühlt. Die Füße kribbeln zwar permanent, und in meinem rechten großen Zeh könnte ich einen Pressluftbohrer reinrammen und ich würde nix merken, aber ansonsten keine besonderen Auffälligkeiten. Keine Krämpfe. So ein Krampf, der nicht weggeht, das ist richtig übel und macht mich auch regelrecht panisch. Da fällt mir ein, muss mich noch mit Magnesium eindecken (Tipp von Frau M(üssen Sie durch, Herr Schnur). Ob das was bringt. Magnesiumwert war eigentlich im Normbereich. Wenn Ärzte solche Allerwelt-Tipps geben, die jeder Medizin-Trottel schon mal an sich ausprobiert hat, dann wird's wirklich ernst.

Linke Seite im Mund ist ein bisschen wund, aber auch das ist erträglich.

Morgen habe ich wahrscheinlich meinen besten Tag und dann geht's am Mittwoch wieder los. Das ist doch Bullshit. Welcher Sadist hat sich diese Folter bloß ausgedacht.

Und dann noch dieser Spiegeltitel, der gibt mir den absoluten Rest (Vielleicht sollte ich doch nochmal Depri-CT-Heiner fragen, ob er mit mir ins Wasser geht):

Überdosis Medizin - Nutzlose Pillen, unnötige Operationen, riskante Therapien. Na, danke für das Gespräch! Ich nehm die Zeitschrift am Mittwoch mit und reib der Tagesklinik-Doktorin das Heft unter ihre Stubsnase. Der Spiegel begleitet ungwollt mein Leben. Wie war das, am Tag vor der Hoden-OP stand auf dem Cover: Verpfuschte Operationen - wie Ärzte das Leben von Patienten ruinieren oder so ähnlich. Ich glaube, ich sollte mir das böse Blättchen echt schenken, zieht mich sowieso nur runter!

 

Na das passt auch:

3sat - 2012 - Der Mayakalender und das Ende der Welt.

 

"Mit 2012 ist eine Heilserwartung verbunden. Die Menscheit gereinigt, die Welt eine bessere unde gerechtere. Warten wir was 2012 passiert."

 

Ach was...?