Tag 84, Mittwoch, 10.08.2011 (Tag 14 - Aplasie - Zyklus 4)
CT-Tag, Termin 13.45 Uhr
Passend und sehr weise:
Solange sich ein Mensch einbildet, etwas nicht zu können, solange ist es ihm unmöglich, es zu tun.
Baruch de Spinoza (niederländischer Philosoph)
Der gute alte Spinoza hatte schon 1650 gewusst, wie man die Dinge angehen muss. Also: Ich kann CT! Und kann Toilette!
Lady I. war wieder pünktlich wie eine Sprengmeisterin. Nach einer gemütlichen Fahrt ohne Flucherei und Stau kamen wir auch punktgenau in Heidelberg an. Schnuribold machte sich dann sogleich auf zu den berühmten Badern und Lady I. tankte UV-Strahlen auf diversen Sonnenbänken. Der botanische Garten wurde gemieden, weil dort zu viel Botanik herrschte.
Das CT war unangenehm wie erwartet, aber kürzer wie gefühlt. Die Kontrastbrühe erhitzte den stählernen Körper des Ritters erheblich. Als ob ein Kessel voll Pech in die Gebeine des Ritters gekippt worden wäre. Er fühlte sein Blut verdampfen. Ein Ritter, innerlich verdampfend, die Ritterrüstung bis zu den Knien herunter gelassen, die Kampfeshand eingeschnürt – welch ein klägliches Bild. Was ist aus diesem stattlichen Mannsbild bloß geworden. Selbst ein glattrasierter Pudel erweckt da mehr Furcht.
Ein Gesundmacher kümmerte sich um den Ritter mit den herunter gelassenen Hosen. Ein Gesundmacher, der ebenfalls einen Spezialisten benötigen würde. Schnuribold hat noch nie in seinem Leben einen Menschen mit einer depressiveren Aura erlebt. (Hier wäre vielleicht sein Ex-Kater Oscar, Gott hab ihn selig, zu erwähnen, aber Oscar ist ja ein Tier. Oscar Kater war so depressiv, dass er sich zu Tode fraß. Zum Schluss war der Kater kein Kater mehr, sondern ein Mops.) Ich schweife ab; dieser Mensch, der dem Ritter an die Wäsche ging, blickte so depressiv drein, als hätte er erst vor wenigen Minuten die Nachricht erhalten, dass seine ganze Familie (vier Frauen und 12 Kinder) dahin gemetzelt wurden. Obwohl – ein niederer Gedanke beschleicht kurz Schnuribolds Hirn: Müsste da der Gesundmacher dann nicht eher von fröhlichem Gemüt sein? Des Ritters Mitleid mit dem schlecht gelaunten Manne wurde so stark, dass er plötzlich ein schlechtes Gewissen empfand, ihm durch seine Erkrankung Umstände zu bereiten. Aber nur aus Solidarität den Knecht zu fragen, ob er Lust hätte mit seinem Patienten einen gemeinsamen Suizid zu begehen, wäre jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen. Mit Witz und Charme versuchte der ritterliche Bäckersohn den Gemütszustand beider Protagonisten in diesem Trauerspiel aufzuhellen. Und es gelang. Der baldige Selbstmörder lächelte. Heissa, welch ein gelungener Tag!
Ein Ergebnis von der Röhrenschieberei gab es nicht. Dies wird dem Rittersmann erst am Freitag Kund getan. Schnuribod verabschiedete sich von den Badern und suchte Lady I. zwischen den Sonnenbänken. Er freute sich, sie hatte sich noch nicht in Staub aufgelöst. Die Stimmung war gut, so wurde ausgemacht, einen kleinen Mittgagsimbiss in der schönen Stadt Land von der Au einzunehmen. Leider hielt die Lieblingspizzeria des Ritters Siesta. Aber ein chinesischer Fressnapf lag kaum unweit entfernt. Lady Bird, auch Miss Einstein genannt, wurde bei Omi Eri abgeholt und eingepackt. Auch sie freute sich auf die chinesischen Lebensmittelzubereiter, aber nicht wegen den leckeren Lebensmitteln, sondern wegen den Glückskeksen. Lady Birdist zwar schlau wie ein Fuchs, aber auch schnekig wie eine Fliege und esoterisch wie Bibi Blocksberg. Doch der Glückskeks sei Dank konnte Lady Bird zufrieden gestellt werden, Lady I. und Ritter Schnuribold übrigens auch.