Tag 78, Donnerstag, 04.08.2011 (Tag 9 - Chemo-Zyklus 4)

 

Lies nicht mein Tagebuch, wenn ich weg bin.

 

OK,  ich geh jetzt zur Arbeit. Wenn Du heute morgen aufwachst, lies bitte mein Tagebuch. Durchwühl meine Sachen und mach Dir ein Bild von mir.

 

aus: Kurt Kobain, Tagebücher

 

 

 

 

Blutabnahme in der Praxis - ??? -  Ich kann mir diesen Namen nicht merken: Hugendubel? Hintenburg? Hubelpubel? Sie gewöhnen sich an mich und werden schneller. Wartezeit verkürzt sich immer mehr. Oder liegt es an meinem Mitleid erregendem Aussehen?

 

Nach der Blutabnahme gesellt sich Frau Dr. Hugenpubs zu mir. Sieht aus wie Olivia, die Ehefrau von Popeye. Ich habe schon lange keine so unangenehme, unsympathische Person erlebt. Eigentlich hatte ich vor meiner Therapie damit gerechnet nur solchen Ärzten zu begegnen. Heidelberg hat mich in der Hinsicht eines Besseren belehrt. Nun habe ich das erste Mal diese Spezies „arrogante, hochnäsige, von sich überzeugte Ärztin“ vor mir sitzen. Schwer zu ertragen. Ganz schwer. Was war das Problem? Wenn man umzieht, möchte man natürlich in einer vorteilhafteren Umgebung wohnen. Meine Motivation in die Praxis Hubengurgel zu gehen, war es nun, viel schneller an meine Blutwerte zu kommen. Was natürlich durch die Aldi-Blut-Analyse-Maschine absolut erfüllt wird. So weiß ich sofort: Leukozyten-Alarm! Nur die anderen Werte, wie GRP und Harnsäure, hatte ich die letzten Male noch später als bei Doc Sneider, der sich ja gerade auf einer Tandem-Tour über die Alpen befindet, erhalten. Außerdem musste ich zweimal anrufen und die Arzthelferinnen daran erinnern, dass sie die Blutwerte nach Heidelberg faxen. Bat in der Mail, dass man vielleicht darauf ein Auge werfen sollte. Bestimmend, aber nicht mosernd. Nun hatte ich in dem Gespräch mit Olivia das Gefühl, dass sie denkt, ich hätte vor, ihre Praxis umzustrukturieren. Dass es ja sehr umständlich wäre, die Blutwerte immer an Heidelberg zu faxen. Dass Heidelberg schließlich sich selbst um die Werte kümmern sollte und sie gefälligst in der Praxis anrufen sollen, wenn sie Infos brauchen. Dass da bestimmt irgendeine hundertprozentige junge Assistenzärztin säße, die alles richtig machen wolle. Dass der Harnsäure nicht so wichtig wäre, ich wäre ja schließlich schon im 4 Zyklus und da sei die Gefahr eines Nierenversagen nicht mehr gegeben. Dies sprach sie alles ohne Komma und Punkt und ließ mir nicht einen Hauch von einer Chance zu Wort zu kommen. Und das MIR! Ich durfte mich keine Sekunde erklären und auch nur ansatzweise meine Überlegungen an die Trulla bringen. Und der absolute Höhepunkt war: Als ich dazwischen haute und sie endlich in ihrem Wortschwall unterbrach, prusteste sie, dass ich sie nicht unterbrechen solle. Als ich etwas eingeschüchtert, wie ein kleiner Schulbub jammerte, dass SIE mich ja die ganze Zeit unterbräche und ich mir wünschte, die Email nicht verfasst zu haben, meinte sie nur: Machen Sie hier mal nicht einen auf beleidigt, Sie sind jetzt ein wenig sensibel, so krank wie sie sind. Das versteh ich schon. Kurz dachte ich daran, nicht mein Blut mehr in der Praxis herzugeben, sondern ein Blutbad anzurichten. Und es wäre NICHT MEIN Blut gewesen, das die KTU aufzuwischen hätte. Die hat sie doch nicht mehr alle, Frau Dr. Holadihopsasa. Ich atmete so gut es ging durch. Schnappte mein Blut-Kassenzettel, der leider auch noch zu allem Verdruss nur schlechte Werte beinhaltete und machte, dass ich schleunigst weg kam. Im Auto analysierte ich diese unglaubliche Begegnung der besonderen Art. Lehrer sind manchmal auch kommunikativ etwas unterbelichtet, aber die...die textet ihren Dr. Hugendubelhuppensuppel beim Sex bestimmt sowas von zu, da könnte ich drauf wetten. Tut mir leid, liebe Freunde und Freundinnen, liebe Taxifahrer und Taxifahrerinnen, ihr werdet leider doch nicht arbeitslos. Ich zieh die zwei Zyklen in HD durch. Ich komme sonst garantiert lebenslänglich in den Knast und ihr müsst dann noch mehr durch die Weltgeschichte fahren.

 

Daheim habe ich immer noch über diese unglaubliche Frau nachgedacht. Wir wurde zum ersten Mal in der Therapie kotz übel.

 

Ausgeruht, geschlafen, gelesen, Blog geschrieben.

 

Grillfest bei Uschi abgesagt. Das nimmt mich wirklich mit. Wäre gern hingegangen.

 

Ausgeruht, gelesen, geschlafen, Blog geschrieben.

 

Mir über das kommende Wochenende Gedanken gemacht.

 

Blog geschrieben.

 

Mit Roy Traeger und Master Schlemensch über die irre Welt und über unser eigenes Irrsein philosophiert.

 

Um 2 Uhr morgens eine Riesen Reispfanne gekocht.

 

Mit Hausmeister Krause, MacGyver, Roy und Schlemensch über irre Freunde philosophiert.

 

Ein Bio-Joghurt-Kirscheis nachgeschoben.

 

Blog geschrieben.

 

Vögel zwitschern gehört und mit Laptop auf dem Bauch eingeschlafen.

 

Von einer Expedition im Himalaya-Gebirge geträumt.