Tag 75, Montag, 01.08.2011 (Tag 6 - Chemo-Zyklus 4)

Gut geschlafen, das ist ja schon mal was. Fast durch. Ohne viel Pipi jnd Pupu. 

Bevor ich zur großen Blutabnahme in die Praxis Huntenburg fuhr, machte ich meinen Ruf als der tollpatschigste Tollpatsch der ganzen Südpfalz wieder alle Ehre. Ihr kennt doch bestimmt dieses Duftfläschen von Frosch, mit diesen Bambusstäbchen drin. Muss eigentlich nix weiterschreiben, oder?

So ein Fläschchen steht neben meinen Hüten auf der Ablage. Beim Greifen nach Jimmi Jeanshalle kippte ich mir das komplette Fläschchen vor die Füße. 

So im Flakon und mit EINEM Stäbchen, riecht das ja ganz gut, relativ unaufdringlich. Aber so pur und lachenmäßig, da denkt man an einen schlimmen Chemie-Unfall von BASF. In fünf Minuten musste ich eine Sperrszone ziehen, meine Wäsche wechseln und die Gift-Pfütze aufwischen. Später kippte ich einen halben Liter Essigreiniger drüber zur Neutralisation von diesem ungalublichen betörenden Lavendelduft. Stellt euch vor ihr liegt im Zentrum einer Lavendelplantage so groß wie ein Fußballfeld. Ich kann euch  sagen, dass ist nicht romantisch. Der Essig neutralisierte nix, sondern sorgte für einen heftigen Hustenanfall und tränenden Augen meinerseits.

Und was mich so richtig deprimiert bzw. total auf den Pfahl der Selbstzerfleischung hämmert: Ich hatte bis dato noch überhaupt keine einzige Pille geschluckt. Das ist mir nüchtern passiert! Wie soll ich bloß mit diesem Handicap weiterleben. Manche brauchen einen Invalidenausweis, weil deren Anzahl der Zehen nicht vorgeschriebene Menge aufweist, ich brauche einen Behindiausweis, weil ich am Tag mehr umkippe als in mich reinkippe. Wenn ich für den roten Knopf im Pentagon zuständig wäre, dann hätten die Amis keinerlei Schuldenprobleme mehr. Zuck, zuck - Wummmm!!!

Ich weiß nicht, ob mir so die Praxis Huntenburg gefällt. Dieses Aldi-Blutwerte-Mess-Gerät ist ja ganz niedlich, aber wenn ich immer so lange im Wartezimmer warten muss, mit all den hustenden, keuchenden, spuckenden, rotzenden, inkontinenten Patienten, dann verlier ich doch noch meine Sonnyboy-Aura. Ganz in der Nähe von mir saß ein Mann, der machte Geräusche, die klangen jetzt wirklich nicht gesund und erinnerten mich an das Blubbern von Schottischem Moorsumpf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass  der das nächste Wochenende überlebt. Um 09.15. Uhr war mein Termin. Um 10.30 Uhr saß ich dann im Labor. Und das erst, nachdem ich bisschen moserte. Ganz nett. Bin ja schließlich noch ein Sonnyboy und außerdem auf dem Weg der Besserung. Die Wartezeit im Wartezimmer war jetzt nicht langweilig, hatte noch die Rheinpfalz vom Sonntag dabei, die wahrlich viel interessanten Stoff für meinen Blog hier lieferte. Aber die Rheinpfalz ist jetzt auch kein ADAC-Campingführer und dementsprechend recht zügig ausgelesen.

Bisschen mit den Theken-Damen gescheckert und ruckzuck hatte ich die Nadel im Arm. Blut lief nicht gleich. Gut, Ritzi steht auf Arzthelfer mit Nietengürtel, ist für manche ein bisschen zu lommelig, für einige ein Pseudo-Homöopathiker, aber der ist sowas von ein Blutabnahmeprofi, der braucht nur die Ader anblinzeln, schon lässt sie. Zweimal Huntenburg, zweimal floss das Blut nicht. Böser, böser Herr Schnur, wollen Sie mir nicht ihr Blut geben, hihihihi... Ich hätte der Trulla am liebsten das Röhrchen ins Ohr gerammt. Bin ich hier zum Spaß, oder was?

Blut kam nach einer wilden Klopferei dann doch noch und die Aldi-Blut-Analyse-Maschine funktionierte auch. Ratter, rattter, ratter...fehlt noch, dass das Ding mit einem spricht, wie der Parkticketschalter aus dem Heidelberger Klinik-Parkhaus. "Guten Tag, ihr Blut ist gut! Auf Wiedersehen! Schöne Heimreise!

Die Billig-Spritze von Samstag hat mega reingehauen. Rekord. 14 000 Leukos. Der Typ mit dem Sumpfhusten kann mir also gar nix. Bätsch! HB auf 8,8 gestiegen, krieg also auch kein Atemstillstand, wenn ich Stufen zu meiner Krankenstation "Schwammdrüber" nehme. Alles bestens! Na ja, nicht ganz. Für die nächsten 10 000 Jahre, werde ich keinen Besuch mehr erhalten können, nach meinem Vopat mit dem Frosch-Fläschchen und wenn doch, dann nur in einem Fukushima-Anzug.