Tag 51, 52, 53, 08.07. - 10.07., Tag 2 - 4, Chemo-Zyklus 3

 

 

Tag 2, 08.07., Chemo-Zyklus 3

 

Ratz-fatz fertig, war ja heute nur wieder der amerikanische Maibaum, keine besonderen Vorkommnisse, schon der absolute Chemo-Profi. Kann mittlerweile mich multitaskingfähig in verschiedenen Rollen bewegen: Der Visualist, der Chronist, der Christ und Kommunist. Für jeden was dabei. Der Visualist gefällt mir dabei am besten – hmmm...schöner Buch- oder Filmtitel...

Daheim: Nichts als Entspannung. Zu mehr war ich nicht fähig.

 

Tag 3, 09.07., Chemo-Zyklus 3


Wieder der amerikanische Maibaum. Aber diesmal irgendwie ganz schräg. War früh da. Madame Uteb am Steuer, die rasende Prinzessin. Heute war viel Rote-Beete-Saft im Tank, somit schossen wir über die Autobahn wie Apollo 13. War der einzige Patient an diesem Samstag. Marschierte an der leeren Rezeption vorbei – schade, kein lockeres „Servus, Herr Schnur!“ -, direkt in die Docking-Station. Schwester Drachenzahn hatte Dienst. Au Backe! Ich allein mit der Alten in einem Raum. Das kann ja heiter werden. Die verspeist Felsbrocken zum Frühstück. Garantiert! Frau Drachenzahn, war aber verblüffender Weise so zahm wie eine Miss Milchzahn. Lag das an meinen Schweißperlen auf der Stirn und meiner angsterfüllten Stimme. Muss wohl Mitleid erregt haben. Oder hatte sie tatsächlich gestern Sex? Wie ich mal in einem schlauen Buch gelesen habe, werden nach einer rauschhaften Nacht Drachenzähne ganz mal schnell zu Milchzähnen. Visualisierungsspiele machte ich auch schon vor meiner Erkrankung. Z.B. das: sich vorstellen, wie der Gegenüber wohl beim Sex aussieht, agiert, grunzt und ob überhaupt. Wenn man mir dann über den Weg läuft und man und sich wundert, warum ich grundlos einfach so drauflos lache, dann liegt das eben manchmal daran, dass...hihihi...meine Visualisierungsrübe gerade am Laufen ist. Zurück zu Fachkrankenschwester Drachen-/ Milchzahn. Dass ich einmal mit der ein Smal-Talk-Gespräch über Wetter, Wein und Hämoriden führe, hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Jetzt bitte nicht auf den Gedanken kommen, ich hätte Hämoriden. Sie fragte mich nur aus, wie es so um meinen Gedärmen steht, weil der Maibaum wohl bekannt dafür sei, in diesem Gebiet gewaltig kompromisslos zuzuschlagen. Alles geschmeidig, sagte ich. Frau Milchzahn lachte. Unglaublich, sie lachte tatsächlich. Und das war jetzt weiß Gott nicht ein Brüller-Gag.

Nach der entspanntesten Chemogabe seit es Chemo gibt, fiel mir ein, dass ja morgen noch der Tag 4 ansteht, somit die Lamborghini-Spritze mal wieder fällig ist. Samstag – also muss ich ja die Pickserei selber regeln. Somit fragte ich nach einer Unterrichtsstunde für angehende Lamborghini-Spritzer. Frau Milchzahn grinste über beide Ohrläppchen und machte den Anschein als hätte sie ihr ganzes Fachkrankenschwestersein nur darauf abgestimmt, zwei medizinische Volltrottel wie Prinzessin Uteb und Rtitter Schnuribold in Sachen Spritztechniken einzuweisen. Das war ein Spaß, wie sie so die leere Probe-Spritze in den Händen von meiner Hobby-Pflegekraft führte und mir die Probe-Spritzen-Spitze in meine Speckschwarte donnerte. Weich wie Landliebe-Butter und nicht hart wie Wasa-Knäckebrot, Ei der Daus! Prinzessin Uteb, kann eigentlich keine Pflaster sehen, da kippt sie automatisch aus ihren Flipp-Flops, und jetzt stand sie da wie der Koloss von Rhodos von Vor-vor-vor-gestern. Was für eine Frau. Zivildienst kann man da getrost abschaffen, wenn man einen solchen mutigen und lernfähigen Lebenspartner an seiner Seite weiß. Trotzdem, so ganz koscher war mir trotzdem nicht bei der Sache, ob das morgen auch so klappen würde. Das war ja schließlich hier nur die Generalprobe.

Auf jeden Fall fanden alle Beteiligten den Spritzen-Unterricht sehr unterhaltsam. Wir waren richtig traurig uns nun von unserer Lehrerin verabschieden zu müssen.

Nun konnten wir voller Tatendrang nach Landsberg am Lech bzw. nach Geltendorf zu den Kaltenberger Ritterspielen aufbrechen. Im Nebenberuf ist Regentin Uteb nämlich noch Etat-Direktorin bei einer Werbeagentur und bekommt mit dem Postreiter namens Emailius Internetus immer nette Einladungen von Kunden übermittelt. Ritterturnier – klar, dass wir das nicht ablehnen konnten.Versteht ihr, oder?

Zuerst schauten wir aber uns das schöne Städtchen Landsberg an. Wir hatten keine Vorstellung, welches Kaff uns da erwartet. Wir waren buchungstechnisch so kurzfristig dran, dass wir einfach den am nächst gelegenen Gasthof nehmen mussten. Und das war eben direkt in Landsberg. Welch ein Glück, welch ein zuckersüßes Städtchen! Hab mich nicht nur wieder einmal in die Prinzessin verliebt, sondern auch in eine bayerische Stadt. Kumpels und Kupelinnen fahrt mal hin, ist echt ne Reise wert. Und wie es der Zufall wollte, war auch noch ein nettes Event gleich in der Stadt. Eine Oldtimer-Rallye hatte ihr Start und Zielpunkt in der Stadt. Ein Schmaus für die Augen. Wenn ich mal Schulleiter oder frühverrentet bin, dann kauf ich mir auch so ein geiles Rentner-Gefährt.

 

Beste Adressen:

 

Das Wohlfühlhäusl, dort gibt es einen leckeren Rote-Beete-Cocktail und ganz viele tolle Gesundheitsangebote, wie das Fahrradfahrer-Wohlfühl-Set.

 

Hotel Goggl, dort sind schon Steve McQueen, Franz-Josef Strauß und Roy Black abgestiegen. Ruth Leuwerik und Lilo Pulver haben auch Autogramm-Karten hinterlassen. Kann man voll Stars-und Sternchen-Raten machen. Hängen alle in der Ahnen-Galerie. Ab diesem Wochenende könnt ihr eben noch Prinzessin Uteb und Ritter Schnuribold bewundern. ;-)

 

 

 

Tag 4, Chemo-Zyklus 3, überall Helden und Heldinnen

 

Gleich nach dem Frühstück machten wir uns daran, die gelernte Spritzenlektion von Traute Milchzahn in die Tat umzusetzen.

Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie die Krankenpflegeschülerin des Jahres schon über mir schwebte und mir die Nadel mit einem gekonnten "Schlaweng" verpasste. Raus aus der Schachtel, rinn in die Wampe. Fertig! Kniefall! Orden! Heiratsantrag! Imaginär!

 

So eine Geschichte schweißt für die Ewigkeit zusammen.

 

Auf auf...zu den Ritterspielen, holdes Publikum! Lasset uns die Sage von Ritter Schnuribold im Kampf gegen den Schwazren Ritter nachspielen.

Tja, ich hoffe der Ausgang des Rittertuniers ist kein schlechtes Omen für mich, denn die Ausrichter wollen, dass das Publikum nächstes Jahr wieder kommt. Rafiniert sind die vielleicht!

 

 

Im Vorfeld hatten wir Bammel, dass die ganze Veranstaltung fett tourimäßig wird, mit durch die Gassen schieben und so... Aber nix von dem ist eingetroffen. Das Gelände ist riesig, man hat immer Platz, überall ist was geboten. Keine Schlangen, kein Stress, alles sehr gemütlich. Selbst der Regen konnte uns nichts anhaben und hat noch für eine extra mittelalterliche und sehr romantische Schlammstimmung gesorgt. 

Hab mir ein Leder-Notizbuch gekauft, mit Pergamentpapier - für Zaubersprüche, Weltformeln und die geheimsten Gedanken.
Ein wunderbares Büchlein. Ein Schatz! Trau mich gar nicht rein zu schreiben.

 

Der Tag, das das Fest, das Leben, ein voller Erfolg. Ich bin ein Glückspilz!