Tag 124 - Tag 130, 19.09. - 25.09.
Da bin ich wieder. Schon vermisst? ;-) Hatte die letzten Tage keine Muse mich hier auszulassen. Musste gegen Apathie und Anämie ankämpfen. Hab mich eher abgeschottet, als das ich Lust verspürte, mich in die große weite Internet-Welt zu begeben. Jetzt liegt mein Kalender vor mir und ich versuche die Tage Revue passieren zu lassen. Nicht so einfach...mal sehen...
Werte, Pillen und Befindlichkeiten
Meine Werte nach dem 6. Zyklus bleiben kontinuierlich schlecht. Leukozyten sind mit 4000 im Rahmen, Thrombozyten e wenig zu niedrig, der Hämoglobin-Wert die reinste Katastrophe.
Aus „Blut- und andere Laborwerte – Der Patientenratgeber“:
„...Ist die Erythrozytenzahl vermindert, liegt eine Blutarmut (Anämie) vor, d.h. die Transportfähigkeit des Blutes von Sauerstoff ist eingeschränkt, sodass der Ablauf sauerstoffabhängiger Stoffwechsel- und Organfunktionen beeinträchtigt ist. Von einer Anämie spricht man auch bei verminderter Konzentration des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) und/oder des Hämatorkirtwerts, also des prozentualen Anteils der Blutzellen, die in erster Linie aus roten Blutkörperchen bestehen. Der Sauerstoffmangel verursacht die typischen Begleiterscheinungen einer Anämie, wie z.B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen und Schwindel.“
Refernzwert bei Männer: 13,5 – 17 g/dl
Mein Wert: 7,6
Nun wisst ihr, warum ich den Blog ein bisschen schleifen gelassen habe.
Am Mittwoch war ein großer Tag. Nicht die letzte Pille, die ich schlucke, aber die letzte, die unangenehme und unheimliche Dinge mit mir und meinem Körper anstellt. Die letzten zwei Cortison verspeiste ich auf einer Bank bei Sonnenschein im Garten vor unserer Protestantischen Kirche. Dankte der Kraft der Liebe und würgte, aber diesmal mit Freude. Heiligsblächle was für ein Gefühl.
Nun hau ich mir nur noch biologisches Zeug hinter die Kiemen.
ES LEBE DIE PHARMAZIE!
So grob überschlagen liegen da ca. 15 000 Euro auf meinem Schreibtisch. Wäre schon blöd, wenn ich keine 45 mehr werden würde. Die ganze Kohle umsonst raus geblasen.
Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich mal eine laufende Apotheke sein werde.
Wahrscheinlich – wohl eher ziemlich sicher – hätte ich gleich einpacken können, gebe es nicht all diese silbrig glänzenden Alu-Verpackungen.
Vor allem danke ich allen Mäusen und Ratten (Hunde? Katzen? Meerschweinchen?), die für mich einen qualvollen Tod erleiden
mussten. Ich werde versuchen, meine gewonnen Lebensjahre nicht als Arschloch zu fristen und zukünftig euch Tierversuch-Tierchen mit anderen Augen zu sehen.
Schlafen
Geht viel besser. Noch nicht optimal. Optimal wären 7 Stunden durchgehend, ohne Unterbrechungen, ohne die obligatorischen Klo-Gänge, ohne Grübelei, mit lustigen spannenden Träumen. Morgens aufwachen, erholt und frisch. Noch ein langer Weg bis dahin. Doch ich bin zuversichtlich. 4 bis 5 Stunden sind es schon.
Blut in Heidelberg
Bis Donnerstag schleppte mich dahin. Als ich aber unter der Dusche einen Schwindelanfall hatte und kaum mehr aus der Kabine kam, wusste ich jetzt wird es Zeit. Ich brauche Blut. Am nächsten Morgen setzte ich mich dann ins Auto und fuhr nach Heidelberg. Alleine. Premiere. Ich weiß, ich weiß...unverantwortlich...Unfallgefahr...das hätte ich nicht machen dürfen...aber alles ging gut. Bin langsam gefahren. Die ganze Zeit auf der rechten Fahrspur. Ich habe es diesmal nicht geregelt bekommen, was zu organisieren. Nicht nur Blogschreiben fiel mir schwer, alles andere (Griff zum Telefonhörer, Email schreiben) auch. Und Mr. Migräne wollte ich auch nicht wieder belästigen. Als ich so ins Parkhaus einfuhr, war ich richtig stolz auf mich, dass ich das alleine, so ganz ohne Hilfe diesmal hinbekommen habe. Langsam aber sicher erkämpfe ich mir wieder die Kontrolle über mein Leben zurück. Keine Kontrolle zu haben, nicht machen zu können, was einen in den Sinn kommt, physisch und psychisch eingeschränkt zu sein, ist eine absolute Grenzerfahrung für mich. Jeden Tag vergrößere ich nun meinen Radius. Jeden Tag kommt wieder mehr dazu. Jeder Tag ist ein Glückstag. Auch wenn nichts Besonderes passiert, so ist er doch er doch ganz besonders für mich.
Die Mädels in der Tagesklinik freuten sich, mich nach längerer Zeit mal wiederzusehen. Haben ja meistens nichts zu lachen, die Armen. Auch heute nicht. Es war ein chaotischer Tag. Lange Wartezeiten, durchgeknallte Patienten. Eine totkranke Russin. Wenn ihr dachtet, ich sehe krank aus, dann habt ihr diese Frau noch nicht gesehen. Die könnte in jedem Tatort als Leiche gebucht werden, ohne Schminke. Leider gab die tote Russin nicht Ruhe wie ein Tatort-Opfer, sondern war agil wie Jan Ulrich nach EPO. Sie wackelte mit ihren Infusionsständer durch den Behandlungsraum, bediente sich an dem Verbandswagen der Krankenschwester und wickelte sich selbst eine Mullbinde um das Handgelenk. Großes Geschimpfe, größeres Kopfschütteln, sowohl auf der Seite der Pflegekräfte als auch auf der Seite der russischen Mumie. Sagen wir mal die Kommunikation war ein wenig gestört. Frau Zombilowa schlurfte wieder zurück zu ihrer Liege, täuschte Einsicht vor, wartete bis die Luft rein war und wiederholte ihre Mullbinden-Klau-Aktion. Alle Mitpatienten und Mitpatientinnen im Chor: Das darf die doch nicht, spinnt die, Schweeeester....!!!! Dieses Procedere durfte man ca. 3 Stunden lang mit verfolgen, bis eine äußerst angenervte Ärztin mit einem großen Beutel kam, ihn Zombilowa anhing und grinsend verschwand. Ca 2 Minuten später war die russische Elster ausgeknockt.
Ein weiterer Patient tat mir noch mehr Leid als die tote Mamutschka: Babuschka Hannes. War schon um 8 in die Tagesklinik angereist und bekam erst um 14.30 Uhr seine Thrombozyten. Es gab Komplikationen mit der Lieferung. Mussten das Zeug aus Baden Baden ankarren. Opi Babuschka Hannes schimpfte nun seit 10. 00 Uhr wie ein unehrenhaft entlassener Bundeswehr-General oder wie Felix Magath beim Training. An seinem Elend waren der Staat, Philipp Rösler, der Papst, alle Frauen, besonders seine eigene und Osama bin Laden schuld. Ich glaube sogar in dieser Reihenfolge.
Hannes tat mir ja wirklich leid, aber hin und wieder hätte ich dann doch seinen Mund mit einer meiner Blutkonserven stopfen wollen. Unerträglich, was der alles gesabbelt hat. Immer Verständnis aufzubringen...nie wieder Arschloch...puuuh...gar nicht so leicht.
Um 14. 33 Uhr konnte ich endlich den Wahnsinn hinter mich lassen.
Die Dampfnudel-Königin und ihr tauber Sohnemann
Hmmm...lecker..zum zweiten Mal die Dampfnudeln von Oma D. aus H. kosten dürfen. Ein Jahrhundertereignis. Die Kochkünste der Omis werden aussterben. Schrecklich. Ungesund, aber köstlich.
Krumbeersupp und Weißweinsoße. Soooooo lecker.... Nur ein Mini-Kleckschen Weißweinsoße hat schon gereicht, errotische Verzückungen bei mir auszulösen.
Sohnemann der Dampfnudel-Königin und Chefe Traute Wein ließen es ich auch hörbar schmecken. Drei schmatzende glückliche Männer am Mittagstisch, das macht jede Omi froh.
Roland Dampfnudel, der Arme, darf nicht mehr unterrichten. Was für ein Schicksal. Nie wieder Halbstarkenlärm, Korrekturnächte, verzweifelte Mütter und Väter, kulinarische Geburtstagsfeierlichkeiten im Lehrerzimmer, hoffnungslose Bildungsdiskussionen mit Genosse Pension-Paule. Nun darf er anstatt mit der Kreide Löcher in Schülerhirnen zu stopfen, mit der Hilti Löcher in alte Steinwände bohren. Dabei is nix hören können, jetzt nicht wirklich so schlecht.
Die Schule, das muss man jetzt mal an dieser Stelle sagen, ohne den Kollegen und die Kolleginnen und Kollegen beschämen zu wollen, verliert eine herausragende Lehrerpersönlichkeit, sowohl fachlich als auch pädagogisch. Ein Lehrer-Haudegen vom alten Schlag. Und nicht alle vom alten Schlag sind übel. Ganz im Gegenteil. Die Jungen sind modern, hipp und innovativ, rennen mit Klippert-Koffer durch das Schulhaus, basteln, was das Zeug hält, veranlassen Sitzkreise bis den Schülern schwindelig wird, pfunden mit den Methoden anstatt mit Inhalten, sind des Schülers Freundin und Kumpel, grinsen nett und besonnen alles und jeden an, doch aber was braucht’s in der Schule: Charakter, Erfahrung, Autorität, Fingerspitzengefühl, Esprit, Geschichten. Und die taube Dampfnudel ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Wer Deutsch, Geschichte und Mathe in der 10. unterrichten kann, der hat schon per se meine Hochachtung, auch wenn es bei uns an der Realschule Plus ist. Halt! Vielleicht sollten wir gerade deswegen ihm unseren Respekt zollen. Schade, liebe Dampfnudel, dass du nicht mehr da bist, wenn ich wieder die Kreide schwinge. Aber jedem Schicksalsschlag sollte man etwas Positives abringen – ich kann die Süddeutsche nun ganz alleine und gemütlich in der Schule lesen. Und wenn ich einen humorvollen, eloquenten und gebildeten Gesprächspartner vermisse und im Schach verlieren möchte, dann ruf ich dich einfach an. Außerdem kann ich ja auch mal in deinem Bus übernachten, ohne eine Vorexkursion ins Allgäu machen zu müssen.
Krebsfortbildung
Samstag ein paar Fortbildungspunkte gesammelt. Interessante Vorträge. Ob ich etwas für mich in die Praxis umsetze, kann ich noch nicht sagen. Muss ich mir vielleicht noch mehr Informationen einholen. Z.B. zur Misteltherapie. Es ist mir noch nicht ganz klar, ob jetzt mein Immunsystem angeregt werden darf oder nicht.
Die Cellsymbiosistherapie nach Dr. Heinrich Kremer hat mich auch schwer beeindruckt. Das Konzept beinhaltet eine Darmsanierung, Schwermetall-Entgiftung und ein Ausgleich von Vitamin-und Spurenelemente-Mangel. Eine Laborwerte-Analyse ist elementar für eine anzustrebende Therapie.
Der 82-jährige Dr. Gebhardt, der seinen Vortrag über die Geschichte der komplementären Tumortherapie so wach und mitreißend gestaltete wie ein 40-Jähriger war schon allein das Eintrittsgeld wert. Manche Menschen scheinen unverwüstlich. Credo seines Vortrages: das psychische Gleichgewicht eines Menschen ist sowohl für seine gesundheitliche Stabilität als auch seinem evtl. Heilungsprozess wichtig. Seine Berichte aus langjähriger Praxis machte nachdenklich. Ein Patient z.B. wurde soweit psychisch stabilisiert und durch komplementäre Maßnahmen unterstützt, dass sein Tumor sich zurückbildete und er sich an eine erhöhte Lebensqualität erfreuen konnte. Als der Sohn des Patienten starb, starb auch der Vater in wenigen Wochen. Das bereits instabile, aber wieder in Gleichgewicht gebrachte System, wurde durch äußere Einflüsse am Ende wieder instabil.
Bloß, wie schafft man es, diese äußeren Einflüsse ohne einen nennenswerten Schaden zu überstehen, sich gegen sie abzuschirmen?
Noch viele Fragen sind da offen.
Chi Gong und eine Achtsamkeitsmedikation haben die viele Theorie etwas aufgelockert. Das Mittagessen im Culinarium entschädigte für manche langatmige Ausführung am Vormittag.
Nach Mittagessen und der Achtsamkeitsmedikation war für mich der Käs gegessen. Akku war alle. Eigentlich hatte ich noch geplant gehabt, die Südpfalz-Therme aufzusuchen, aber dafür reichte meine Kraft noch nicht aus.
Konspirative Sitzung mit Ritter ManneK und Ritter Reinheimerich beim irischen König Palmers
Der irische König Palmers hat uns pfälzische Ritter zu sich einbestellt. Mild war die Nacht, kühl das Met, drall die bajuwarischen Tänzerinnen. König Palmers versuchte uns die Sinne zu rauben, um uns für seine Zwecke auszunutzen. Doch wir blieben standhaft und priesen den heiligen Schwur: Nieder mit den Feinden von Rote Beete! Die drei Musketiere sind Würste gegen die drei dreisten Ritter.
Schulfest versus Leinsweiler
Unter der Woche habe ich mich über eine Einladung zum Schulfest sehr gefreut. Viele Bilder gingen mir da durch den Kopf. Positive Bilder. Schulfeste an meiner Schule wurden immer sehr unterhaltsam und kreativ gestaltet. Da zeigt sich, dass die Schule funktioniert. Hab ich da gerade „meine Schule“ geschrieben? Ja, sie ist wohl immer noch „meine Schule“, obwohl die mit ihr verbundenen Erinnerungen von Tag zu Tag mehr verblassen. Ich hatte mir fest vorgenommen, „meiner Schule“ einen Besuch abzustatten und mir die Pfalz von Türken, Kurden, Russen, Vietnamesen und Badenern näher bringen zu lassen. Schönes Motto: Mein Herz schlägt Pfalz. Aber für mich kam das Schulfest noch zu früh. Vor allem emotional. Da brauch ich noch Zeit.
Prinzessin Uteb stattete ihrem Ritter ein Besüchle ab. Ein ruhiger besinnlicher Spaziergang in den Weinbergen von Leinsweiler, bei wunderschönem Wetter war für uns beide da wohl erholsamer als ein von Eindrücken überladenes Schulfest. Der Nachmittag: Balsam für die Seele.
Passender kulinarischer Abschluss für so einen herrlichen Tag: zwei Zwetschgenkuchen (pro Prinzessin und Ritter) im Biergarten auf der Wollmersheimer Höhe.
Reha vor der Reha in Cardona
Spanien ich komme. Flug ist gebucht. 09. 10. – 15. 10. Finca Fernandez. Schaukelstuhl im Garten, umrahmt von Orangen, Zitronen, Oliven und zwei süßen Pflegekräften, Wildschweinjagd aus dem Schlafzimmerfenster, Spezial-Likörprobe und eine Menge Schwestern. Semen Cardona!
Die Kohlrabi-Plantage muss ich natürlich auch in Augenschein nehmen. Was alles so aus einer Tüte pfläzischer Samen werden kann. Erstaunlich!
Das Zimmer will ich haben!!!! Preis egal. Leiter darf auch drin stehen bleiben. Für die Malermeisterin findest sich bestimmt auch noch ein hübsches Plätzchen.