Tag 120, Donnerstag, 15.09.2011 (Tag 9 - letzer Zyklus)

 


Um 07.55 Augen auf. Oh je! Blutabnahme vergessen. Wie ich es bis um 08.02 in die Praxis geschafft habe, zeugt eigentlich von einem sportlichen Wunder. Als würde Grashüpfer Flip gegen Usain Bolt gewinnen.

Die Labor-Braut Nr. ? wurde von mir mit Labor-Braut Nr. ? verwechselt, weil sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Heißen ja auch Olga und Polga. Ich glaube, Olga hatte noch nie so einen verwirrten Patienten auf dem Stuhl sitzen gehabt.

Blut war heute zählflüssig, lief nicht so gut. Hab dann aber die Röhrchen doch noch voll bekommen. Werte im Keller. Hb 7,9 und 300 Leukos. Der Knecht der Frau Dr. fragte mich, wie es mir denn gehen würde. Ich plapperte Super und verschwand schnell. Man weiß ja nie, was denen womöglich noch so einfällt.

 

Zuhause gleich hingehauen. Todsterbensmüde. Ein Wort, das mittlerweile ganz neue Bedeutung für mich hat. Ich schätze, müsste so laut geschnarcht haben, dass die Kaffeetasse in der Hand von Prinzessin Uteb, die in Esslingen um die Uhrzeit schon Geld in rauen Mengen scheffelte, vibrierte.

 

Während des Frühstücks einen interessanten Beitrag in SWR1 über die Heilkraft der Pflanzen bei Krebs gehört. Das erste Mal, das eine Langzeit-Studie zu diesem Thema erhoben wurde. Leinsamen ist ein wahres Wundermittel gegen Brustkrebs. Und das nicht nur prophylaktisch, sondern auch in der Nachsorge. Und wo ist die Studie gemacht worden? Im Heidelberger Krebsforschungszentrum. :-)

 

Also, der Löffel Leinsamen, den ich übers Müsli kippe, sorgt wenigstens dafür, dass ich kein Brustkrebs bekomme.

 

Eine beeindruckende Zahl: 60 % aller Anti-Krebs-Medikamente stammen aus Pflanzen!

 

Wieder 02.55 Uhr. Jetzt muss ich aber ins Bett. Morgen gehts weiter...

Gäääähn....

 

 

 

 

Na dann, vervollständige ich mal den Tag.

 

Der Tag. Hab gefaxt wie blöd. Witzig, dass ausgerechnet jetzt mein Drucker aus der Reparatur kam. Es fügt sich eben alles in das große Ganze.

 

Mann...Mann...Mann...was wäre eigentlich, wenn ich totsterbenskrank wäre? Wer macht dann diesen Papiergram. Kontrolle der Zahlungen, Überweisungen der Rechnungen, da gehen Stunden drauf und vor allem ganz viele Nervenzellen. Wenn ich nicht das wunderbare Excel-Programm hätte, dann würde ich aber sau doof aus der Röhre gucken.

998,74 kostet so ein ambulanter Kliniktag. Egal, ob ich 8 Stunden am Infusionsständer verbringe oder 45 Minuten. Zahlungsziel der Rechnung ist dann 14 Tage. Beihilfe zahlt schnell, schickt aber die Abrechnungen nicht. Krankenkasse lässt sich mit der Zahlung und mit den Abrechnungen Zeit. Überweisen kann ich erst, wenn ich mir sicher bin, dass die Kosten zu 100 % übernommen werden. Sonst hau ich die Kohle raus und im Nachhinein treten Ungereimtheiten auf. Dann heißt es in der Abrechnung: Rechnung liegt in der Spezialabteilung. Ihr seht, das haut im Leben nie hin. Die Abrechnungen von der Beihilfe sind nach der Systemumstellung sowas von konfus. Könnt ihr mir mal sagen, warum beim Staat immer die Hohlbohrer arbeiten. Keine chronologische Auflistung vorhanden, sondern die nehmen irgendwie die Arztrechnungen einfach so wie sie kommen und hackern die in den PC. Was mich wundert, weil meine Aufstellung immer nach Rechnungsdatum schon vorsortiert ist. Muss ich also alles noch zusammensuchen. Ist wie verhext. Aus viel Arbeit wird dadurch noch mehr Arbeit. Seit April bekomme ich Chemo und habe richtig fette Kosten. Erst eine Abrechnung hab ich von der Beihilfe erhalten. Eine. Dabei gingen schon mindestens 6 Anträge raus. Mach ich was falsch? Mir ist das alles ein Rätsel.

Auch interessant: Auf ein paar Rechnungen taucht immer mein Lieblingschinese auf – Prof. Ho. Und wie viele Male habe ich ihn gesehen? Zweimal! Also das hätte ich auch gern: einfach Chinese sein, den Patienten übers Bäuchlein streicheln und ne Nadel ins Ohr rammen und Yen scheffeln wie Dagobert.

Die Reha. Auch so eine komplizierte Sache. Obwohl ich ja jetzt weiß, dass da der Soziale Dienst der Klinik den Patienten ganz viel unter die Arme greift. Bis man das alles checkt. Aber leider nehmen sie einem nicht alles ab, vor allem, wenn man noch so seine Wünsche hat, wo es denn hingehen soll.

5 stehen zur Auswahl. Entweder Ostsee oder Nordsee.

Schloss Schönhagen, Strandklinik Bolgenhagen, Nordsee-Fachklinik Sonneneck/ Insel Föhr, Klinik Graal-Müritz, Klinik Nordfriesland Peter Ording.

Ich will ans Wasser. Das Meer gesundet mich. Allein, wenn ich auf einen Felsen sitze und nur drauf glotze, fühle ich mich frei und glücklich. Wenn ich weiß, dass ich sterbe und noch Zeit habe und körperlich kann, möchte ich in der Nähe vom Meer das Zeitliche segnen. Wie heißt die Formulierung noch: Göttliche Funke? Ja diesen weltberühmten Funken werde ich dann hoffentlich spüren. Aber noch geht’s um meine Heilung. Und da sind lange Strandspaziergänge bei rauer See auch sehr förderlich, was gibt es Schöneres. Gut, die Berge haben auch natürlich was. Aber zu anstrengend in meinem Zustand. Nein, das Meer ist genau das Richtige.

Wenn ihr, lieben Leser, eine der Kliniken kennt und eine Empfehlung aussprechen könnt, dann bitte zumailen! Wenn es geht noch vor dem November.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nordsee?

Ostsee?