Tag 118, Dienstag, 13.09.2011 (Tag 7 - letzter Zyklus)

 

Jetzt werde die Tage eingeläutet, in den es nur zwei Formulierungen gibt: DAS LETZTE MAL oder ERSTE MAL WIEDER.

Das letze Mal – Natulan – Chemopillen. 4 Stück. Gelb. Ultraecklig. Auch mit aller meiner Visualisierungsgabe. Man denkt, man schluckt Plastik. Was ist da drin? Glaube, es ist gut, dass ich meine Neugier auch Grenzen hat.

Achtung, jetzt wird’s trocken!

Das erste Mal. Briefkastengänge sind als verbeamtetet Privatversicherter mit einem nodulär lymphozyten-prädominantes Hodgkin-Lymphom mit Übergang in ein diffus-großzelliges T-Zell-und histozytenreiches B-Zell-Lymphom hin und wieder sehr spektakulär und oft sehr Nerven aufreibend. In den letzten 118 Tagen habe ich zweimal keine Post bekommen. Fast jeden Tag flatterte eine Rechnung ins Haus. Doch heute, ja heute kam die Rechnung aller Rechnungen: ein Mahnbescheid vom Amtsgericht Stuttgart über 12 000 Euro und ein paar Zerquetschte zuzügl. Nebenforderungen wie Verzugszinsen. Auftraggeber Uniklinik Heidelberg. Mein prädominantes Lymphom lebte bestimmt auf bei dem Anblick dieses Schreibens. Mit Mahnungen kann ich umgehen, da bin ich Profi. aber Mahnbescheide? Musste mich erst mal setzen und meine extrem aggressiven Gedankengänge in Schach halten. Konzentrierte mich. Wollte frühstücken. Lies es aber sein, weil es etwas Wichtigeres gab: Buchhaltung. Ich habe in den letzten 118 Tagen schätzungsweise an die 100 Arztrechnungen erhalten. Auf dem Mahnbescheid war nun nur die Forderungssumme vermerkt, aber keine detaillierte Auflistung der einzelnen offenen Posten. Der einzige Anhaltspunkt, war der angegebene Zeitraum, wann die Kosten entstanden sind. Hätte ich jetzt also im Vorfeld keine ausführliche Buchführung betrieben, wäre ich mit der Sucherei hoffnungslos überfordert gewesen. Excel sei Dank, hatte ich aber in etwa 5 Minuten alle in Frage kommenden Rechnungen zusammen. Von diesen 12000 Eus, hatte ich bereits am 10. etwa 7000 überwiesen, weil mir da erst die schriftliche Abrechnung der Krankenkasse vorlag. Datiert war der Mahnbescheid auf den 09. Zwei der offenen Rechnungen 4200 Eus liegt seit Mai / Juni bis heute noch bei einer Spezialabteilung der Krankenkasse. Sowohl ich als auch die Klinik hat bis dato keine Information darüber enthalten, ob die Kosten übernommen werden. Natürlich ist so ein Mahnbescheid ein automatisch generiertes Schreiben. Das System kann nicht aufgehalten werden. Aber das Ganze ist eine Farce und macht mich trotzdem sau wütend. Hab ich Lust, mich mit sowas noch rumzuschlagen. Jeder Klinik-Tag wird mit 998,74 pauschal abgerechnet, ob ich jetzt 8 Stunden da bin oder nur eine dreiviertel. Zahlungsziel 14 Tage. Tag 1, 2, 3, 8, Chemozyklus 6 z.B. = 4000 Euro. Die Kohle wird ruckzuck angemahnt. Beihilfe zahlt gleich, sind aber mit der schriftlichen Abrechnung überfordert. Krankenkasse ist lahm bei Zahlung und Schriftverkehr. Ich bin weiß Gott kein Zechpreller. Manche Kostenerhebung kommt mir zwar sehr unlogisch und überzogen vor, aber ich will hier jetzt mal nicht kleinlich sein, wenn's meiner Heilung dient. Doch sowas. Ich fass es nicht.

Hab einen bösen Brief geschrieben und gefaxt. Telefonisch war niemand zu erreichen. Nicht auf dem Amtsgericht, nicht bei der Krankenkasse und auch nicht in der Klinik. Morgen werde ich das Vorort klären. Nach der Chemo. Falls ihr nix mehr von mir hört, bin ich im Rechnungswesen der Uniklinik Amok gelaufen. Fortsetzung der Mahnbescheid-Soap folgt!

Meine Laune wurde etwas besser, als ich endlich herausfand, wie ich zu meiner Reha komme. Sagt einem ja von diesen Nasen keiner was. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Ich bin quasi aus dem Schneider. Der Soziale Dienst der Uniklinik kümmert sich drum. Nette Frau am Telefon, mit einer derart beruhigenden Stimme, dass ich gerne von ihr eine gesprochene Meditations-CD hätte. Die von mir recherchierten Wunsch-Kliniken hatte sie alle auch auf ihrer Liste. Sie wird sich der Sache annehmen. Auch hier wurde ein Termin für Morgen vereinbart. Wird richtig stressig DAS LETZTE MAL.

 

Noch was Lustiges!

 

Morningshow von SWR 3 geört. Thema: Ewige Liebe, gibt es sowas überhaupt?

 

Ruft eine Zuhörerin an. Ewige Liebe? Ich bin seit 25 Jahren verheiratet. Jeden Morgen wache ich neben dem schnarchenden Typ, der da an meiner Seite liegt auf und denke: Hildegard, wieder ein Tag geschafft!