Hallo, ihr lieben Blogleser, um euch das Finden der einzelnen Einträge zu erleichtern, habe ich links in der Navigationsleiste die Rubrik "Lymphom und so..." in Tage unterteilt.
Ab Tag 16 geht’s los.
Manchmal bekomme ich es nicht gebacken, diese Tage hier auf der Seite fortlaufend zu führen. Das ist dann eine Menge Arbeit alles nochmal hochzuladen.
Aber wenn ihr auf die separaten Tage links am Rand klickt, verpasst ihr keine einzige Notiz.
Die Glatzenparty - Vorbereitung ist alles!
Montag, 16.05.2011
Ich will dir einen Engel schicken:
einen Engel der Freude,
um die Traurigkeit zu vertreiben,
einen Engel der Hoffnung,
um die Verzweiflung fortzujagen,
einen Engel der Tapferkeit,
um die Angst zu mildern,
einen Engel des Friedens,
um den Zorn zu besänftigen,
einen Engel der Liebe,
um für das Leben zu begeistern, -
einen Engel, der dich dein gnazes Leben
begleiten soll.
Agnes Raphaeli
Dienstag, 17.05.2011, Tag 0
Antikörper-Therapie mit Rituximab - Tagesklinik Heidelberg
Kommt nicht schlecht das Zeug. Merkt man sofort, dass da was im Körper an die Arbeit geht. Viele kleine Bauarbeiter, die dafür sorgen, dass die Tumorzellen wegbröckeln. Bekommt man durch Halsschmerzen und Kribbeln in Armen und Beinen mit. Es folgen Sanitäter (Cortison), die den verletzten Bauarbeitern auf die Beine helfen und alles wieder in Lot bringen. Der Steinbruch wird rasant abgetragen, so dass er sich ziemlich leer und ausgelaugt fühlt.
Während mein Steinbruch abgebaut wurde, war Frau B. aus W. auf Bio-Shopping-Tour. Needful Things, um die Therapie erträglicher zu machen.
- Dinkelkekse (etwas Luxus braucht der Krebskranke dann doch)
- Tee (Kamille und Salbei)
- Diverse Mundspülungen
- Lavendel-Duftöl (gegen das Kotzgefühl)
- Obstbrei (damit überhaupt etwas runterflutscht)
- Gemüsebrühe (die hoffentlich drin bleibt)
Nach der Therapie ins Konfetti mit meinem Schatz. Belohnung für die Nerven aufreibende Shopping-Tour. Lecker Bio-Futter gegessen. Der Grüne Tee war grauenhaft. Zuhause dann nur ausgeruht, ausgeruht und nochmal ausgeruht. Ein Hammer-Kater! Für so eine Birne bräuchte ich mindestens eine Flasche Scotch, ehrlich.
Mittwoch, 18.05.2011
Stationäre Aufnahme - Uni-Klinik Heidelberg - Station Ackermann
Chemoplan
Tag | Medikament | Menge |
Tag 1 | Cyclophosphamid | 1250 mg/m2 |
Tag 1 | Adriamycin | 35 mg/m2 |
Tag 1 | Etoposid | 200 mg/m2 |
Tag 2 | Etoposid | 200 mg/m2 |
Tag 3 | Etoposid | 200 mg/m2 |
Tag 8 | Vincristin | 1,4 mg/m2 |
Tag 8 | Bleomycin | 10 mg/m2 |
Tag 1- 7 |
Natulan 50 | 100 mg/m2 |
Tag 1-14 |
Decortin | 40 mg/m2 |
Weitere Medikamente Uni-Klinik
Weitere Medikamente Komplementär
Was für eine Klinik / Station: Patientenküche, Balkon am Gangende mit Blick ins Grüne und auf einen Bach, Fernsehen am Bett, Patienteninternet, viel Platz zum Verstauen für alle mitgeschleppten Heilbücher und Heilutensilien.
Cafete ist 100 Meter Luftlinie entfernt. Was will man eigentlich mehr, das Meer vielleicht. :-)
Mein Bettnachbar ist 19, gerade Abitur gemacht und ist an ALL (Leukämie) erkrankt, der arme Kerl. Kennt seine Diagnose erst seit 2 Wochen und besitzt noch Haare, die auch ziemlich viel sind. Hatte wohl keinen Bock auf eine Glatzenparty.
Was habe ich heute gemacht? Gefühlte 100 SMS verschickt. Alles nochmal raus geschrieben, was ich während und nach der Chemo alles beachten muss. Viele viele viele Bilder hochgeladen. Und natürlich das, was ihr hier schon auf der Seite sieht.
Werde jetzt eine schöpferische Pause einlegen und verschiedene Visualisierungen und Meditationen ausprobieren: Die "Rote" Visualisierung von Engel 07 und die Meditation Antem von Doc Schlemensch. Mal sehen, ob ich sie für meine Heilung nutzen kann.
Noch ein kleiner Abschnitt zu dem Thema: Gibt es Zufälle?
Welche ist meine Lieblings-Heilfarbe? Rot. Wie manche von euch wissen trinke ich ja seit den letzten Wochen literweise Rote-Beete-Saft. Eigentlich könnte ich zur Chemo auch eine Eigenurin-Therapie ansetzen.
Nun also ist rot meine absolute ultimative Gesundmacher-Farbe. Da kommt heute Frau Dr. Horstmann zu mir ins Zimmer und überreicht mir meinen Plan für die nächsten Tage mit dem Zusatz: Herr Schnur, sie bekommen eine Extra-Dosis von Adraimycin. Ich: Welche Farbe, Frau Dr?. Sie: Rot. Ich: Hurrraaa!!! Sie: Hääää????
Weitere Zufälle.
Ich bin bei Lyrikmail angemeldet. Da bekommt man jeden Tag ein Gedicht.
Gedicht 1 am 17.05.2011:
Leben und Tod
Sucht das Leben wohl den Tod?
Oder sucht der Tod das Leben?
Können Morgenröte und das Abendrot
Sich auf halbem Weg die Hände geben?
Die stille Nacht tritt mitten ein,
Die sich der Liebenden erbarme!
Sie winkt: es flüstert: "Amen! - Mein und dein!
Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
Eduard Mörike (1804 - 1875)
Gedicht 2 von heute, am Tag meiner Fahrt zum Uni-Klinikum:
Wer machte dich so krank?
Daß du so krank geworden,
Wer hat es denn gemacht? -
Kein kühler Hauch aus Norden
Und keine Sternennacht.
Kein Schatten unter Bäume,
Nicht Glut des Sonnenstrahls,
Kein Schlummer und kein Träumen
Im Blütenbett des Tals.
Kein Trunk vom Felsensteine,
Kein Wein aus vollem Glas,
Der Baumesfrüchte keine,
Nicht Blume und nicht Gras.
Daß ich trag' Todeswunden,
Das ist der Menschen Tun;
Natur ließ mcih gesunden,
Sie lassen mich nicht ruhn.
Justus Kerner (1786 . 1862)
Meine Lieben, es gibt definitiv keine Zufälle!
Donnerstag, 19.05.2011
Tag 1
Leichtes Ziehen und Brennen am Port. Unangenehm, aber erträglich. Denke normal. Kurzer Anflug von Unsicherheit, da mir zwei Studenten gestern den Port angestochen haben. Waren furchtbar nett. Und doch vielleicht eher inkompetent?
Heute ist der Mammut-Chemotag. 3 Medikamente per Infusion, 2 per Tablette.
Eine Infusion ist "Etoposid". Wird aus dem immergrünen amerikanischen Maiapfel gewonnen. Au ja, das hört sich doch gut an.
Bin ich gespannt, ob ich die Konzentration besitze zu visualisieren.
Frühlingsgezwitscher auf Balkonien. Soooo schööööön. Warum hört man solche Dinge vorher nicht? Das Brett vor dem Kopf ist endlich weg, so scheint mir.
Visite mit Prof. Ho.
Ich bin enttäuscht. Jetzt, hab ich gedacht, da kommt ein charismatisches chinesisches Superhirn an mein Bett und dann dies: Hat mich dieser Zwerg von Mann doch glatt zweimal gefragt, wo ich wohne. Oh je,...
Aber wahnsinnig empathisch ist er. Nachdem er mir wohl mein Unbehagen angesehen hat, was da so auf mich zukommt, strichelte (eigentlich passt das Wort viel besser, aber ich wollte dann doch streichelte schreiben) er mir ganz sanft mein Bäuchlein. Jetzt geht es mir schon viel besser...zumindest psychisch. :-)
Ich glaube, das medizinische Rest-Personal hat nicht so wohlwollend drein geblickt, als ich meinen Zettel mit Fragen gezückt habe.
Viele Fragen tun da sich nämlich auf - quasi stündlich -, aber das wird hier zu medizinisch. Nur so viel: Sie müssen mal schauen, was es mit den Wechselwirkungen bezüglich meinen komplementärmedizinischen Präparaten auf sich hat. Das kann ja heiter werden...Aber oooooohmmmm...heil ich mich eben selber...brauch keinen Chinsesen...Ätsch!
Achso, noch etwas Interessantes. Kam einer von euch mal in den Genuss, sich morgens 7 Tabeletten reinzupfeifen. Also, ich kann mir etwas Besseres vorstellen. Und manche davon schmecken richtig grauenvoll, fast wie Medizin. ;-) Bääääh... Was machen eigentlich Leute in meiner Situation, die eine Medikamentenphobie haben?
Ich rieche gut, Mund äußerst akribisch gepflegt (ganz nach der Vorschrift meines Gesundheitscoaches), meine Frisur sitzt auch, also kanns los gehen. Her mit dem Zeug...
Raumschiff Schnurion ist angedockt. Wasser fließt durch die Fluren.
Die Besatzung ist in höchster Alarmbereitschaft!
So, meine Lieben, zwei Beutel sind schon durch. Es fehlt nur noch Adriamycin. Ich fühl mich richtgig gut. Bisschen matt, bisschen Kopfweh. Alles harmlos. Ob das an meinen Visualisierungskräften liegt? Jetzt kommt gleich der beste Stoff. Der ist rot, so rot wie der leckere Rote-Beete-Saft, den ich jeden Morgen trinke. Da werde ich eine ganz spezielle Visualisierung versuchen. ;-)
Einen Termin mit einer Psycho-Onkologin hatte ich auch schon. Leider hat die von Visualisierung keinen blassen Schimmer. Aber für Teufelszeug hält sie es auch nicht. Frau Dr. werde ich einfach zum Quatschen konsultieren.
Sie meinte, ich solle sie als "Infoboard" verwenden. Hmmmm...was das zu bedeuten hat, werde ich demnächst rausfinden. Alles sehr spannend hier.
Das Adriamycin ist da....ich muss wieder meditieren...
So, jetzt sind wieder ein paar Stunden ins Land gegangen.
Nach dem Meiditieren noch viel geschlafen, na ja eher gedöst.
In meinem Kopf hämmert es ganz schön.
Aber irgendwie will ich mich nicht betäuben.
Möchte mir einbilden, dass das zur meiner Heilung dazu gehört.
Nach dem Abendmahl ist es auch besser geworden.
Um 18.54 Uhr wurde ich vom Tropf befreit. Alles leer gemacht! Braver Schnuri!
Essen war dürftig, aber ich denke das ist okay. Man weiß ja nie...Hab ja noch einige Gläschen Obstbrei im Schrank und andere prima Leckerein.
Also diese Obstbrei-Sorten in Verbindung mit Quark oder Joghurt kann ich nur empfehlen. War quasi mein kulinarisches Highlight heute!
Nun muss ich nur noch ein Chemo-Medikament zu mir nehmen: Natulan 50.
Es gibt noch Unstimmigkeiten, wegen der Dosis. Auf meinem Chemoplan steht 100 mg und die wollen, dass ich 200 mg schlucke. Da muss man verdammt höllisch aufpassen, sag ich euch. Bin gespannt, was die Krankenschwester nachher sagt.
Vorhin war ich mit meinem Ständer auf dem Balkon. Einfach wunderschön.
Morgen versuch ich vielleicht dort auch das Chemo-Präparat, mir verabreichen zu lassen. Der amerikanische Maiapfel kommt draußen bestimmt noch viel besser.
Die ständigen Besuche meines Nachbarn gehen mir langsam auf den Zeiger. So richtig abschalten is hier nicht. Eltern, Freundin, Feunde, Bruder, alle tanzen hier in regelmäßigen Abständen an. Aber der ist ja noch jung, der braucht das. ;-)
Oh...ich krieg auch Besuch...jetzt ist die Hütte voll.
Bruder Clemensius bringt mir Badelatschen und Brottrunk.
Beides äußerst wichtig für meine Heilung...
Richtig schöne Abwechslung mal mit jemandem auf dem Balkon zu hocken und zu quatschen.
Hab mir gerade noch meine letzte Chemo reingeknallt. 4 Pillen, weil meine Körperoberfläche das hergibt. Wenig Körperoberfläche = weniger Chemo. Na klasse, hätte ich das schon früher gewusst...
Außerdem hab ich nochmal was für's Pinkeln gespritzt bekommen. Ihr habt richtig gelesen. Für's Pinkeln. Weil ich innerhalb eines Tages 4 Kilo zugenommen habe und sie die Befürchtung haben, dass sich Wasser in meinen Gefäßen einlagert. Schwester Anna (schöner Name! :-)) spritzt mir den Saft des Gottes Urinus und was passiert? Upps, tatsächlich muss ich in 2 Minuten und 37 Sekunden sowas von auf's Klo. Die Pharmaindustrie beeindruckt mich von Tag zu Tag mehr. Ich werd noch zum Lobbyisten hier!
Noch ein krasses Visualisierungserlebnis zum Schluss. Adriamycin war rot.
Wie bereits schon mehrmals erwähnt meine Lieblings-Heil-Farbe. Somit wollte ich an diese Stelle ganz besonders gut visualisieren. Und ich muss schon sagen. Ich glaub, dass ist mir gelungen. Ich ließ meine Arme links und rechts aus dem Bett hängen. Es wurde plötzlich alles warm. Fast heiß. Ich habe wirklich gefühlt, wie das Medikament durch meine Adern fließt. Und dann der Hammer: Plötzlich war ich Jesus. Echt. Und hab gesehen, wie eine rote Soße (Blut oder Medikament?) aus meinen Armen tropft. Mich überkam ein unglaublich befreiendes Gefühl. Einfach irre!
Jetzt mach ich noch ein bisschen Qigong. Ich werde zu einer Tasse und schüttel das Zeug in die Erde bzw. über den Balkon. Ich hoffe, der ist gut gebaut. ;-)
Na ja, hab alles gegeben. Frische Luft hat auf jeden Fall sehr sehr gut getan. Mein Kopfweh ist fast weg. Gewicht wieder um 2 Kg reduziert.
Da könnte man doch glatt meinen, dass tatsächlich was übers Geländer ging. ;-)
Gute Nacht, ihr fleißigen Leser! Ich hoffe, ihr überfordere euch nicht mit dem ganzen Medizinkram.
Schreibt mir doch ein paar Zeilen in mein Gästebuch. Darüber würde ich mich sehr freuen. Wenn nicht - auch nicht schlimm! Ich spüre, dass ihr bei mir in Gedanken seid. Ihr glaubt gar nicht, wie gut das tut.
Tag 2, Freitag, 20.05.2011
Die Nacht war bescheiden. Mehr gedöst als geschlafen. Klassikradio hat mich beruhigt. Wenn ich das so richtig rausgehört habe, hatten die eine Mozartnacht in ihrem Programm. Mozart heilt bestimmt auch. Man muss schon sagen, die Technik hier in der Klinik ist vorzüglich. Jeder Patient hat ein kleines Gerät mit integriertem Fernseher und Radio am Bett. Ich nutze es aber kaum, weil ich lese, schreibe oder visualisiere. Keine Zeitung, kein Nachrichten, auch mal gut.
Frühstück: 2 Volkornbrote mit Margarine und Griesbrei. Mehr nicht. Man weiß ja nie...
Medikamente: 12 Stück. Jesus und was für Brummer sind da dabei. Wenn man nicht am Krebs eingeht, erstickt man an einer Tablette.
Mein Nachbar hatte nur 10. Gewonnen!
Ich sammle die Verpackungen und mach zum Schluss ein Foto zur Erinnerung. Ihr findet das schräg? Wahrscheinlich ist es das auch. Aber irgendwie ist das mein Weg diesen Kack zu verarbeiten.
Visite: Heute sehr klein. Nur zu dritt und kein Prof. Ho. Vielleicht ist das auch ganz gut so.
Irgendwie kann ich mir gar nix mehr merken. Hab Frau Dr. fünfmal das Gleiche gefragt. Die glaubt ich bin total bescheuert. Darf ihr auf keinen Fall sagen, dass ich Lehrer bin, dann ist es ganz aus.
Schlechte Nachricht, ich darf erst am Montag raus. Sonntag werde ich noch mit Wasser durchgespült. Manchmal könnte man glauben, das NaCl kitzelt mich. Aber das ist bestimmt quatsch.
Chemo: Nur eine heute, der amerikanische Maibaum, sie läuft gerade. Hab die Einnahme auf Balkonien abgeblasen. Ist zu stressig mit meinem Ständer durch die Gegend zu rollen. Außerdem soll ich mich nicht in die Sonne setzen. Hier ist es ja auch ganz gemütlich. Großes helles Fenster.
So, der Beutel sprudelt noch ein halbe Stunde. Dann geh ich mal noch ein wenig in mich. Wie wärs mit kleinen grünen Fröschen, die meine Tumorzellen wegfluntschen. Apropo Frösche. Ich kann euch sagen, unten am Teich pimpern die ganze Nacht Frösche so laut, dass man kein Auge zu bekommt. Naturgeräusche hin oder her, aber irgendwann ist auch mal gut.
Bis später...
12:22 Uhr Chemo durch. Läuft nur noch NaCl. Literweise Flüssigkeit durch den Port und lieterweise Flüssigkeit oral. Dementsprechend muss ich gefühlte alle viertel Stunde auf's WC. Scheiß Desinfiziererei nervt auch ganz schön. Ich will nach Hause! Ruhig Schnur ruhig...alles hat seinen Sinn! Kleiner Anflug von Hüttenkoller. Hmmm...passt das Wort überhaupt?
Is doch eher Krankenhauskoller!
Nach dem 10. Frosch (siehe oben) bin ich weggepennt. Hoffe, die waren gefräßig genug.
Hab vergessen mein "Hector-Kalender" umzudrehen.
Uiiii...das passt ja auch mal wieder:
"Wenn Sie Doktor sind, ist es ärgerlich den Patienten zeigen zu müssen, dass Sie etwas nicht wissen. Die Patienten glauben nämlich gern, ihr Arzt wisse einfach alles; das beruhigt sie."
aus: Hektor und die Geheimnisse der Liebe
Ich glaube zu gern, muss aber auch mir vertrauen: das beruhigt mich (nicht wirklich). :-)
Muss schon wieder...herrgott...das waren jetzt aber gerade mal 8 Minuten.
Mittagstisch: Der Hunger kam mit dem Essen. Beste Verpflegung! Lachs, Kartoffeln und Erbsen. Nachtisch aus eigenem Einkaufskorb. Joghurt mit Joahnnisbeer-Apfelmark. Werde der erste Patient sein, der während der Chemo zunimmt. :-)
Nachher geh ich ein wenig an die frische Luft. Diese Budenhockerei macht mich ganz kirre.
Zu müde und zu heiß, um raus zu gehen. Hab vom Meer geträumt. Liegt wohl daran, dass mir Schwester Anna mein NaCl angestöpselt hat. Wird so ca. 2 h in mich hineingluckern. Aber dann gehts endlich an die frische Balkonluft.
Der Arme. Heute morgen war Rob, mein Nachbar, schon ganz geschockt, dass er seinen ersten Büschel Haare rausziehen hat können. Tja, der Wunsch alleine reicht dann doch nicht. Seine Mama kam heute Mittag und hat ihm die Haare abrasiert. Mutter ständig geflucht, Sohnemann ständig geschimpft. Meine Variante hat mir besser gefallen. Wir haben viel Spaß gehabt. Und vor allem hab ich keine solche Sauerei im Bad hinterlassen. :-(. Freu mich schon auf die nächste Rasur von Manfred, dem Figaro mit dem Zauberhänden. :-)
Schon wieder Hunger. Sagt mal, kann es sein, dass hier irgendwas nicht so richtig funktioniert. Die haben mir doch das Zeug für die Magersüchtigen angehängt.
Ich sterbe nicht an Krebs, sondern an Trottellitis. Habe gerade meine komplette Anti-Krebs-Leckerli-Schale (Cranberrys, Rosinen, Haselnüsse, Sojakerne) auf den Boden geleert. Auf Grund einer hektischen Unkoordiniertheit meiner Arme knallte fast noch die Mineralwasserflasche von meinem Nachttisch. Szene wie aus Dick und Doof. Jetzt bin ich nicht nur dick, sondern auch noch doof. Wo ist bloß die Kehrschaufel? Will nicht klingeln. Zu peinlich. Einzeln aufheben? Vom Boden mampfen? Dann reiß ich mir wahrscheinlich noch die Nadel aus dem Port und geh an eine Sepsis ein. Ich warte, und lass das Schicksal entscheiden...
Tröpfel...Tröpfel...Tröpfel...ich warte...auf das Schicksal...au ja eine Idee...
Das Schicksal war dann doch die Kehrschaufel! :-( Na ja, ein wenig Bewegung schadet nie. Die Selbstzerstörung wurde auch nicht eingeläutet. Nochmal Schwein gehabt!
Besuch von Larry: Ein wirklich guter Freund. Beim Spickzettelschreiben in der Uni-Bibo haben wir uns kennen gelernt. Und was sind wir geworden: Lehrer. Für mich eine bezeichnende Szene, um das Leben nicht wirklich in seiner Gänze verstehen zu müssen.
Larry, mein bester Freund, hechtet nach einem langen harten Schulltag mit durchgeknallten Kollegen noch zu seinem krebskranken Spezi nach Heidelberg, der völlig "stoned" von der Chemokeule nur irgendwelchen Mist daherbabelt und ihn nach einer Stunde rausschmeißt.
Zur Feier des Tages eine Bionade mit meinem Kumpel geschlürft. Konnte nicht widerstehen. Irgendwie rumort die jetzt in meinen Eingeweiden. Glaub, das war doch zu viel Säure für meine Schleimhäute. Aber, ich hoffe, das richtige Signal zur rechten Zeit; muss aufpassen wie ein Lux (Wie komme ich bloß auf Lux = Licht, Luchs natürlich :-)). Bleibe lieber bei Wasser, Kamillen- und Salbeitee. Das bringt's.
Ein wenig erschöpft. Versuche ein paar Minuten wieder vom Meer zu träumen, diesmal mit Hund und Garten. Und einer Hollywoodschaukel. Und einer Jamie-Oliver-Küche. Und einem Massagezimmer. Und...Und...Und... Nachbar Robin hat sich Sprudel eingeschenkt, vielleicht kann ich das als Visualisierungsanker verwenden. ;-)
Vom Fachkrankenpfleger Horst aus meinem herrlichen Schlaf gerissen worden.
Mann, der wirkte fast kompetenter als Prof. Ho. Hat mich geradezu mit Infos zugeschüttet. Klar, seine Frau ist Lehrerin. ;-)
Tja, meine Illusion, dass ich allein durch Kraft der Psyche Übelkeit und Appetittlosigkeit bekämpfen kann - Pustekuchen! Das hochdosierte Cortison ist der Grund. Au Backe! Wie sagte Horst so schön: Das ist wohl ein Luxusproblem.
Mampf...
Achtung Melancholie!
Alte Freunde können auch manchmal zu neuen Freunden werden.
Wenn man in der Lage ist, einen Perspektivwechsel vorzunehmen.
Danke, lieber Karsten! Dein Anruf hat mir gut getan! So viele besondere Dinge haben wir zusammen erlebt. Die kann uns keiner nehmen.
Freundschaft ist, wenn man den anderen einmal mehr verstehen möchte als sich selbst. Manchmal waren wir keine Freunde mehr. So lange hatten wir uns aus den Augen verloren. Warum nur? Warum waren wir uns nicht wichtig genug?
Lasst euch nicht alleine! Alleine sein macht traurig und seltsam.
Denkt an alte Freunde, ruft sie an oder unternimmt am besten gleich etwas Schönes mit ihnen. Schiebt nichts hinaus!
"Das, was vor uns liegt und das, was hinter uns liegt, ist nichts, verglichen mit dem, was in uns liegt."
Ralph W. Emerson
Ich habe immer viel zu viel hinausgeschoben. Jeden Tag, immer ein bisschen mehr.
Werde mich jetzt auf die Nacht vorbereiten und werde anschließend meine Melancholie wegmeditieren.
Krankenhaus macht melancholisch. Und alte Freunde auch. ;-)
Tag 3, Samstag, 21.05.2011
08:35 Uhr. Die lassen einen hier ganz gemütlich in den Tag starten. Sehr angenehm. Richtig gut geschlafen, bis auf ca. 8 WC-Gänge. Ein gutes Zeichen, das giftige Zeug verlässt meinen Körper. Ob auch die Tumorzellen mit raus geschwemmt werden?
Blutdruck ein wenig zu hoch. Aber das liegt bestimmt an den Nachwehen meines Traumes. ;-)
Ich freu mich auf den Tag: Die Frösche quaken, die Sonne scheint, ich darf wieder meinen amerikanischen Maiapfel-Cocktail aus dem Strohhalm schlürfen und eine süße schwäbische Thüringerin (oder
andersherum?) wird mich besuchen kommen. Wunderbare Aussichten!
Hab ich gerade was von wunderbare Aussichten gesagt? Muss ja noch die 12 Tabletten einnehmen. Ganz vergessen! Puuuh...will zur meiner Maaaammmiiii...Okay...Captain Schnur...vom Raumschiff Schnurion...bitte Gummibärchen visualisieren...rot...gelb...grün...orange...
...Oh, das ganz fette Gummibärchen ist heute gar nicht dabei...*schwitz*...so ein Tag, so wunderschön wie heute...tralalala...
Frühstück auf Balkonien - neidisch, was?
So, der Maiapfel schlägt wurzeln in mir und vertreibt alle bösen Geister.
NaCl läuft noch. 500 ml/h für alle Pflegekräfte unter den Lesern. Power-Schnur hat nämlich ein Power-Port. Praktisch das Formel-1-Gerät unter den Port-Dingern.
Mittagessen war köstlich: Gemüsesuppe. So ganz nach dem Geschmack von "Krebszellen mögen keine Himbeeren". Aber leider hätte mein Gesundheitscoach wieder extrem geschimpft mit mir, weil ich viel zu schnell gegegessen habe. Gemüsesuppe 20 mal kauen, is schon e weng übertrieben.
Ich hoffe, das NaCl ist so schnell durch, wie ich das Süppchen runter geschlürft habe, dann kann ich nämlich duschen gehen. Fang schon an zu meucheln. Das ist vielleicht immer ein Prozedere. Dauert den halben Tag bis ich geduscht bin. Abstöpseln, abkleben, abbrausen, abrubbeln...wat für nen Stess!
Liebe heilt - und die Natur auch ein bisschen
Ausflug in den Botanischen Garten - einfach schön.
Frösche, Frösche, Frösche...flirtende, poppende, streitende, nervende, Hummeln futternde, versteckende, verwirrt kuckende, liebende...
Sind Frösche etwa auch Menschen?
Stellt euch vor, Gott hat es so eingerichtet, dass wir alle als Frösche und Gröten (warum verbessert mich denn hier niemand - Kröten schreib t man natürlich mit K) wiedergeboren werden. Hmmm...seit heute Mittag finde ich diesen Gedanken gar nicht so schlecht. :-)
"Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite (als Frosch! - Anm. des Bloggers), als du sie bisher sahst; denn das heißt ein neues Leben beginnen"
Marc Aurel
Mein Kalenderspruch heute! Wie wahr, Herr Aurel!
Nach meiner Heilung werde ich einmal im Jahr diesen Botanischen Garten in Heidelberg aufsuchen und schauen, wie es meinen Freunden, den Fröschen und Gröten so geht. Hey, Kollegen, ich glaube, Achim wird bestimmt eine K R Ö T E. Was meint ihr? ;-)
Gleich kommt mein NaCl. Ein kleiner Trunk zum Abschluss des Tages.
Tatort-Time - passt!
Tatort? Heute ist Samstag. Ich Doofi. Liebe heilt - und macht durcheinander! :-)
Tag 4, Sonntag, 22.05.2011
05:54 Uhr. Leichte Übelkeit und Sehstörungen. Dr. Schnur verschreibt konzentriertes Zähneputzen sowie Mundspülen, ein bis zwei leckere Salbei-Bon-Bons, noch leckeren Salbei-Tee und viel frische Luft auf dem Balkon mit dem Heidelberger Philamonischen Orchester der Frösche, Konzert für Klubschaugen und Blasbacken, Fröschelverzeichnis 514.
Übelkeit im Griff. Sehstörungen leider immer noch vorhanden. Sehstörungen ohne Alkohol hatte ich noch nie. Mist verdammter, wer liest mir die Beschriftungen meiner Tablettenverpackungen nachher vor?
Robin kann ich nicht fragen, der schnörchelt hier einen weg. Die Pflegekräfte halten mich wahrscheinlich für total meschugge und verlegen mich auf die Station, wo man noch viel mehr Sehstörungen bekommt.
Heute ist Besuchstag. Hihihi...Rob wird Augen machen. Dann hab ich ihn nicht nur tablettenmäßig abgezockt, sondern auch besucherandrangmäßig. :-)
Lese noch ein bisschen "Wieder gesund werden" von Simonton und lass mir erläutern, was ich gegen meinen Krebs noch so alles anstellen kann.
Nach 6 Seiten wieder mal weggepennt. So kann das ja nix werden mit der Selbstheilung. :-( Doch die zwei Stunden "Zusatzschlaf" haben mir sehr gut getan. Putzmunter!
Juheefallera! Ich bekomm heute keine Infusion mehr, weil ich ausreichend trinke. Ich kipp ja auch Wasser weg wie nix. Die Weißkittel hier sind voll des Lobes. Das tut gut! Das machen die bestimmt absichtlich. Ob die auch Simonton gelesen haben? Vermutlich nicht. (Selen? Sie wolle Selen nehme?...is nich lichtig...Selen? Fehle Beweis das hilft? Selen? Mache vielleicht Plobleme mit Intelaktion - O-Ton Prof. Ho)
10:05 Uhr. Das Zimmer ist in Hochstimmung. Mein Kumpel hier hat endlich nach 5 Tagen im "Nebenzimmer" vollen Erfolg gelandet. Give me five, Alter! War die Pizza gestern doch für was gut. Sollte vielleicht auch mal das Bananenfuttern sein lassen, der Gute!
War heute Morgen ein wenig enttäuscht. Nur noch 9 Pillen in meiner Schachtel. Manno...auf nix kann man sich verlassen!
Auf "meinem Balkon" gefrühstückt und meine 4 gelben Chemo-Pillen meditativ runtergewürgt. Pro Pille habe ich mir 30 Sekunden Zeit gelassen und mir vorgestellt, es wären Anti-Tumor-Engel, die alle meine entarteten Zellen huckepack nehmen und aus den entspechend vorhandenen Körperöffnungen den ganzen Sondermüll hinauskippen. Also Leute, für die Visualisierungsmethode muss man ein schon ziemlich kreativer Mensch sein. :-)
Jetzt kann ich den Tag ultra-locker angehen lassen, so ohne Tropf. Darf nur die Weißschuhträger nicht enttäuschen, muss saufen...saufen...saufen...*rülps*. 1 Liter hab ich schon.
Hatte ich gestern erwähnt, dass die Frösche unterm Zimmer morgens Ruhe geben? Ruhe? Die quaken quasi durchgehend, praktisch permanente Quakgeräusche im Hintergrund, egal was man macht. Aufwachen..quak...frühstücken...quak...lesen...quak...scheiben...quak...trinken...quak...Stellt euch vor, das wird zum Tinitus. Was ist wohl schlimmer: Krebs oder Frosch-Tinitus?
Alles kann zur Heilung beitragen,
selbst Tempo-Taschentücher.
;-)
Hab noch:
Ich drück dich!
oder
Denk an dich!
Mittagstisch: zum vierten Mal Kartoffeln. Kohlrabi und ein Gemüseschnitzel waren noch im Programm. Das Leckerste zum Schluss: Schoko-Sahnepudding.
Nur, sau-blöd, ich vertrag keinen Zucker mehr. Die Gedärme machen das nicht mehr mit. Hmm...ist das jetzt gut? Nie wieder Zucker? Oh je!
Die zweite Flasche Wasser ist gleich leer. *rülps*. Muss gar nicht so oft aufs Klo. Das NaCl wirkt irgendwie schneller.
Gleich krieg ich ich Besuch...trallitralla...hoppsaaasaa...
Das war soooo ein schöner Besuchstag. So schön, dass ich um 19.44 Uhr fast vorm Notebook eingeschlafen bin. Konnte gerade noch mein Hut ausziehen. ;-)
Nicht Polizeiruf (über Kopfhörer) und die Party, die von ausgelassenen Teenagern in meinem Krankenzimmer veranstaltet wurde, konnte mich aus meinem komatösen Schlaf reißen.
Das ziemlich leise völlig unerotische *Piepelepiep*, das mein Telefon von sich gibt, hab ich dann doch wahrgenommen. Tja, das Unterbewusstsein, weiß halt ganz genau, was es will. ;-)
Familientag im Heidelberger Zoo mit Anna, Ute und Clemens
Eigentlich dürfte man so einen Zoo gar nicht unterstützen. Vor allem nicht, wenn Tiger, Löwen, Elefanten und Seeadler präsentiert werden. Mann...Mann...Mann...solche Geschöpfe auf ein paar Quadratmeter einsperren, da könnte man echt zum Freiheitskämpfer für Zootiere werden.
Trotzdem...die kleinen niedlichen Tierchen haben uns sehr gefallen: Ziegenbabys, Otter, Wüstenhunde, Ameisen, Kakerlaken...
Meine letzte Nacht im Heidelberger Lymphom-Club. Bin froh, morgen wieder Zuhause zu sein. Robin, der nicht mehr unter Verstopfung leidende Bananenfreak und Prof. Ho, die chinesische Zwergnase, werden mir trotzdem irgendwie fehlen. Schwester Anna auch, die hat immer so schön mitfühlend geguckt. Schwester Hiltrud (Name vom Verf. geändert) nicht. Die hat mir meine Erdbeeren weggeschmissen, die Kuh.
Meine Werte waren heute Abend phänomenal:
Blutzucker: 149
Fieber: 36,5
Blutdruck: 130 / 70
kaum Kopfweh
keinerlei Übelkeit
extreme Gelassenheit (obwohl ich mal wieder mein Telefon vom Nachttisch gefegt habe)
Liebe
Morgen Früh gibt's noch einen Arztbrief, wo anscheinend alles drin stehen soll, was ich die nächsten Wochen beachten muss.
The last vistit from Mr. Ho natürlich nicht zu vergessen. Da freu ich mich drauf. Hmm..überlege gerade, ob ich ihm auf Chinesisch etwas vorjammern soll..Huaaaschiiiuuuaiiiihuuuuhaaaaharakiri...
Okay, lass ich das lieber, vielleicht brauch ich ihn ja noch.;-)
Manne K. aus Z. kommt um 11.00 Uhr. Hoffentlich. Bekomm bestimmt einen Anruf aus der Gynäkologie: "Hier sitzt ein völlig aufgelöster Kerl, der will zu einem Lymphom!" Wenn Manne in der Gynäkologie dann doch noch irgendwas entbindet, habe ich ein ernstes Transportproblem. Weiß nicht, ob die es so gern sehen hier, wenn sich einer Tage lang mit zig Koffern unabgeholt auf dem Flur rum treibt. Prof. Ho wird dann bestimmt seine Kumpels von der Chinesischen Mafia kontaktieren.
12.00 Uhr bin ich wieder Dahoim. Scheiße, dann muss ich ja wieder alles selbst machen. :-(
Wer sich heilen will, muss fleißig sein. (A. Schnur)
Das war das Wort zu Nacht.
Löse jetzt Banani beim Mundspülen ab.
Gut's Nächtle.
Was mir doch noch ganz arg wichtig ist: Ich möchte einfach danke sagen. Danke, dass ihr hier mit mir mitfiebert, mitlacht und mitweint. Ich weiß, ich sprüre, ich bin nicht alleine.
Es ist mein Weg, dieses Schicksal zu verarbeiten. Öffentlich, ja. Man kann sich streiten darüber, ob man das so machen muss. Schlingensief wurde auch heftig kritisiert. Trotzdem ist sein Tagebuch einer Krebserkrankung ein wichtiges Buch. Nicht nur für Todkranke, sondern für die Lebenden. Krankheit darf nicht weggesperrt und versteckt werden. So viele Menschen vegitieren in Altersheimen und Krankenhäusern vor sich hin. Sterben alleine. Niemand wünscht sich das für sich und doch praktizieren wir es tagtäglich. Freude und Freunde motivieren, wecken Lebensgeister, fegen die allgegenwärtige Traurigkeit und Lethargie hinweg, Freunde sind auch Medizin. Wahrscheinlich bewirken sie weitaus mehr als die 50 leeren Tablettenverpackungen, die meine Schublade zumüllen.
Außerdem ist dieser Blog verdammt praktisch, ich muss nicht 1000 Emails schreiben, in denen immer die ewig gleichen Formulierungen stehen. Und ich lenke mich mit diesem kreativien Tun einfach ab. Auch das Schreiben heilt mich.
Wenn ich jemandem zu arg mit meinen Worten auf den Schlips getreten bin, dann tut mir das wahnsinnig leid. Im nächsten Leben - als Frosch - mache ich alles wieder gut, versprochen! Quak!
Dürrenmatt sagte einmal: Ohne Humor ist die Welt nicht zu ertragen. Ich bin sauer, richtig sauer, sauer, dass dieser so grandiose Satz nicht von mir stammt. :-)
Tag 5, Montag, 23.05.2011 - Ade Station Ackermann
So, nun Zuhause. Niemand da, der für einen einkauft, kocht, putzt, wascht, hmmm...Ach, wie schön war's in der Klinik!
Manne hat in der Gynäkologie nix entbunden, ist aber dann doch in der Kopfklinik hängen geblieben. Gott sei Dank sind meine Leukozyten noch in topform, sonst hätte ich unsere Tour de Uniklinik nicht überlebt.
Dr. Ho kurz angebunden wie immer, hat mich noch ein wenig abgeklopft, in den Mund geläuchtet und ein "Aufwiedelsehen" gemurmelt.
Nein, mehrere äußerst lebenswichtige Aussagen hat er mir noch auf den Heilungsweg mitgegeben.
"Sie sind einzigaltige Patient, Sie auch einigartige Klankheit haben. Sie aber stalk und kläftig. Sie müssen nicht klank werden mit schlimme Nebenwilkungen."
Okay, das gibt doch nochmal einen extra Heilungsschub.
Frau Dr. Horstmann meinte: "So sehe ich das auch, kein Patient vor ihnen war so gut vorbereitet wie sie. Sie kriegen das hin."
Und ich komme mir ja sowas von unbereitet vor...
90 % Heilungschance. Die 10 % gleiche ich locker aus! Mit Frosch-Visualisierungen.
Nach einer halbstündigen Durchsprache des Artzbriefes mit Frau Dr. Horstmann, die unglaublich geduldig (könnte sofort bei uns an der IGS anfangen) meine wahrscheinlich sehr niveauarmen Fragen beantwortet hat ( na ja, dann doch eher an der Realschule +), konnte ich dann sehr gelassen auf das Eintrudeln von Manne warten.
Hab mich noch ausgiebig von Bananen-Rob verabschiedet. Der Arme, hat heute seine zweite Knochenmarkpunktion erhalten. hab ein bisschen zugeschaut, echt übel. Das haben dir mit mir auch gemacht? Und ich hab gar nicht gejammert? Tzzzzz....
Mein schlechtes Gewissen wuchs ins Unermäßliche, als ich zum Abschied in seine traurigen Augen geblickt habe. Der Junge hat echt kein Bock mehr auf Krankenhaus. 3 Wochen liegt er schon in Quarantäne. Hoffentlich blüht mir das nicht. Horrorvorstellung!
Ich glaube, alle haben tief durchgeschnauft, als der best gelaunteste Patient seit Bestehen der Station endlich die Klinikpforten verlassen hat.
Am Donnerstag geht's nun weiter. Chemo in der Tagesklinik. Dann habe ich zwei Wochen Tropfruhe. Muss aber ein Arsenal von Tabletten weiterhin schlucken und mir ständig das Blut abnehmen lassen. Hoffentlich kriegt mein Hausarzt das alles gebacken, was ich ihm morgen verklickern muss. Der ist nämlich so zerstreut wie mein Chauffeur heute Morgen.
Was ich so schlucken muss, werde ich vielleicht heute Abend bei Gelegenheit abbilden, somit kann Dr. Superman aus Bad Bergzabern auch mitverfolgen, was ich mir hier so den ganzen Tag reinpfefe und vielleicht seinen Senf dazu geben.
Zu diesem Thema noch das versprochene Bild.
4 Tage Klinik...und ich werde alle Verpackungen sammeln bis zum Ende meiner Therapie. Das gibt echt ein Lagerproblem.
17: 35 Uhr. Gehe nun meine Rezepte einlösen und hau mich dann aufs Ohr. Bin platt.
Die Versendung meiner Emails klappt irgendwie gerade nicht. Da kümmer ich mich später drum. Also Heike, nicht in Panik verfallen, ja? ;-)
Ääääh...Ööööh...Uuuuuh...Hääää...völlig konsterniert von der Apotheke zurück. Ich bin eigentlich im Schätzen recht gut. Hab schon mit einem stolzen Betrag gerechnet. Aber sowas...Heiliges Kanonenrohr!
2238 Euro
Meine Leukozyten sind nach der Nennung dieses Betrages ganz schön in den Keller gerauscht. Die Pharmaindustrie heilt mich, aber sie ist auch verantwortlich dafür, dass mein Immunsystem wegen Stress noch anfälliger wird. Pffff....
Mit Kreditkarte konnte man auch nicht zahlen...na super!!! Danke für das Gespräch! EC bis 2000 Euro, also morgen die fehlenden Medikamente bezahlen. Davon belief sich 1 Chomo-Präparat schon auf 350 Euro.
Ihr könnt davon ausgehen, dass ich der erste morgen früh bin, der bei der Post zwei Briefchen abgibt. Und wehe die Drecksäcke von der Beihilfe oder von der Krankenkasse zahlen mir nicht jeden Cent zurück. Dann bombadier ich die mit Rote-Beete-Saft und föhn die mit Froschgequake zu!
Unglaublich, ich bin schweißnass!
Ob ich jetzt noch schlafen kann? Mir schießt das Adrenalin gerade voll durch Ohren. Wie geht das eigentlich, wenn man alleinstehend ist und halbtot irgendwo vor sich hin siecht? Wer kümmert sich dann um den ganzen Scheiß? Oder doof und verpeilt. Dann ist Patient Volltrottel auf jeden Fall gleich mausetot, ohne überhaupt je ein Medikament gezahlt zu haben. Sozusagen habe ich keine 90%ige Heilungschance, sondern bei mir steht's eigentlich fifty fifty. Weil so ganz doof bin ich ja jetzt nicht..., oder etwa doch? Dann gute Nacht, meine lieber Schnuri!
Um 20.00 Uhr hingelegt und um 24.00 Uhr aufgewacht. Das war alles zu viel für mich heute. Komisch, immer nur nach dem Aufwachen verspüre ich die Übelkeit. Dann geht sie mit diversen Hilfsmitteln (Ingwer und Salbei-Bon-Bon) wieder weg. Der Geschmack im Mund möchte ich auch keinem zum Tausch anbieten. Na ja, vielleicht ein paar auserkorenen Ministerinnen für Bildung. Das war jetzt gemein! Sorry, Frau Ahnen! Is die überhaupt noch meine Chefin? Keinen Plan mehr nachrichtentechnisch. Und ich war mal so ein Nachrichtenfreak. Es gibt jetzt wohl immer ein "davor" und "danach". Mein Wunsch: Alle schlechten Eigenschaften in Sätze unterbringen, die mit "davor" beginnen und alle positiven Erneuerungen mit "danach". Au ja, das wär's.
Nun gut, muss mir noch meine Kohle zurückholen. (Kurzer Anflug von krimineller Energie: vielleicht bei der Oberfinanzdirektion einbrechen? Um die Uhrzeit ist von den Schnarchnasen bestimmt keiner mehr im Gebäude. Aber wahrscheinlich schlafen die mit dem Kopf auf dem Tisch über Nacht einfach weiter. Ne, is mir doch zu gefährlich, erwischt zu werden.)
Schreib ich halt was zusammen. Mach ja sonst den ganzen Tag nix Anderes mehr. ;-)
Falls mir die Auflistung der Medikamentenbeträge nicht den Garaus gemacht hat, hören und lesen wir uns morgen in alter Frische. Auf eurem Lymphomsender - der Sender für nervenstarke Kranke und nervenschwache Gesunde. Oder andersherum? Ach egal! Passt irgendwie immer. ;-)
Bis denne...
Doch noch was zum Abschluss, bevor ich von irgendwelchen goldbehangenen Pharmabonzen in Lamborghinis träume. Bin plötzlich fit wie ein Terminator. Liest mal weiter, morgen komm ich mir genauso vor. Aber Hallo!
Von diesen 2238 Euro, die ich heute so mal lässig a la Paris Hilton über den Tresen geschoben habe, hat eine Spritze allein 1600 Kröten gekostet. Ich werde mir morgen Früh also Weiße Blutkörperchen im Wert von 1600 Eus selbst in den Bauch rammen. Meine Fresse...wenn mir das nicht hilft, weiß ich auch nicht. Einzigaltig, wilklich einzigaltig, Hell Schnul!
Und...äh...falls irgendwelche Mediziner hier meinen Blog lesen und denken, ich hab da irgendwas falsch verstanden mit dieser Spritzennummer, bitte vor 09.00 Uhr MEZ bei mir melden. Vielleicht ist das Wunderzeug ja nur für meine Stinkefüße gedacht, die ich die nächsten 40 Jahre damit einrcemen soll.
Tag 6, Dienstag, 24.05.2011
Hab gehört, es langweilen sich schon einige hier. Dann muss ich mir natürlich für heute was ganz Besonderes einfallen lassen. Ich glaube auch, da müsste das eine oder andere Schmankerl dabei sein.
Gut, wähle ich mal eine ganz neue Darstellungsvariante. Knackig und strucktiuriert. Bin ziemlich im Eimer und komme hoffentlich schnell zum Ziel: mein wunderbares Bett.
Aber Blogschreiben muss sein. Gehört unbedingt zur Heilung dazu. Ohne Blog geht mein Tag ins Leere...und wie gesagt, ich müsste taussende Emails beantworten. Krebskranke haben keine Zeit zu verschwenden. ;-)
Also los geht's...versuch mich zu beeilen, liebes Bettchen.
01.30 - 05.00 Uhr
Keinen Schlaf gefunden. Die komplette Leerung meines Kontos hat mir wohl doch mehr zu schaffen gemacht als gedacht.
Da ich vor Kurzem auf Empfehlung von Engel 07 eine CD geordert habe (Chanten - Eintauchen in die Welt des heilsamen Singens), wollte ich die gleich mal als Tranquilizer nutzen. Ist mir teilweise auch gelungen. War total entspannt. Hatte auch ein einschlägiges Visualisierungserlebnis bei Titel Nr. 11 (Shalom Lai Lai). Hat mich ein wenig an das musikalische Thema von Schindlers Liste erinnert. Ich liebe dieses melancholisches Geigenspiel. Habe mir vorgestellt, wie die ganzen Menschen, die mich lieb haben um mein Grab versammelt sind und dieses Lied singen. Was soll ich sagen? Musste das Kissen tauschen. Aber das Lied und diese Vorstellung haben mich ganz leicht und stark gemacht. Plötzlich meldeten sich meine Lymphknoten zu Wort. Sie haben gezwickt wie Lucie. Das war noch nie. Natürlich habe ich dieses Hallosagen als Anker genommen, um mir einzubilden (?!), dass sich meine angeschwollene Knoten zurückbilden. Na ja, mal sehen, was das CT in ca. vier Wochen zeigt.
08.00 Uhr
Puuhh...3 Stunden Schlaf mit der vollen Medikamentendröhnung vom Vortag, ey, das ballert. So bin ich glaub das letzte Mal nach meinem 40 Geburtstag aufgewacht.
08.30 Uhr
Wollte duschen. Ausgiebig. Mit allen Wellnes-Variationen, die so eine gewöhnliche Heimdusche bietet. Und was is? Kalt, eisigkalt. Heizung ausgefallen. Na, Prima! Voll der gute Start in ein Heilungstag.
09.00 Uhr
Restliche Medikamente abgeholt. Hat euch mal eine Apothekerin freudestrahlend mit Namen begrüßt? Mich schon. Kein Wunder, bei der Kohle, was die an mir verdient haben.
09.30 Uhr
Alles eingeworfen, was so im Programm steht. Panikattake. Mein frisch bestelltes Cortison nicht gefunden. Bude auf dem Kopf gestellt. War noch in der Dreckstüte. Nicht gesehen. Mein schlimmster Feind, meine Verpeiltheit. Werde nicht an Krebs sterben, sondern weil ich nen Spülmaschinen-Tabs mit nem Antibiotikum verwechsle.
10.00 Uhr
Termin bei meinem süßen kleinen Hausarzt. Blutabnahme und Spritzenterror. Gerstern noch vollmundig getönt, ich werde mir das teure Ding eigenhändig in meine Wampe hauen, und beim Aufwachen schon gewusst, dass ich das wohl doch nicht selbst machen werde. Ritzi hat das alles medizinisch einwandfrei gelöst. Okay, musste auch erst mal im Internet recherieren, was Neulasta, so heißt dieser Rennwagen in Spritzenform, überhaupt ist. Leider waren meine Medizinkenntnisse ein wenig im Nebel. In der Spritze sind keine Weißen Blutkörperchen, sondern die Injektionslösung regt die Prodution der Weißen Blutkörperchen an. Sie sind verantwortlich, dass man alltägliche Infekte, die man sich auf z.B. auf dem Landauer Bahnhofsklo holen kann, in Schach hält.
10.30 Uhr
Schlägerei auf der Hauptpost in Landau. Um diese Zeit kann man dort einiges erleben, sag ich euch: Warteschlangen wie in der ehemaligen Ostzone, frustrierte Hausfrauen und FDP-Wähler, redselige Schalterbeamte und osteuropäische Big Mamas, die einen Tumult unter den Briefmarkenkäuferinnen auslösen, weil sie keinen Respekt vor Warteschlangen zeigen. Die stark alkoholisierte Omi Ottilie und die stark geschminkte Olga machten so einen auf „Fightclub“, dass ich mich gezwungen gesehen habe, mich todesmutig dazwischen zu werfen (hab ja nix zu verlieren). Um mich für meine heldenhafte Tat zu belohnen, stand ich ohne mit der Wimper zu zucken (die habe ich ja noch) vor meinem Lieblings-Postbeamten (der streichelt die Formulare immer so sexy) und ließ die am Boden ringenden Furien und Föhnfrisuren ein „Ich habe Krebs; ich darf das; guten Tag, die Damen“ vernehmen.
11.00 – 12.00 Uhr
Das postale Anti-Gewalt-Training und das Ausräumen meiner Spülmaschine haben mich so erschöpft, dass ich ganz flott ein Nickerchen machen musste.
12.00 – 13.00 Uhr
Gekocht, gegessen, gebläht. Alles ganz frisch und sehr lecker.
13.00 – 15.00 Uhr
Anruf von meiner Schwester im Geiste aus BC.
Themen:
- mein Gesundheitszustand (völlig überraschend!)
- Oma Fernandez Oberschenkelhalsbruch
- die Dekadenz der westlichen Welt
- die spanische Revolution von 2011
- Nostredamus und 2012
- die psychischen Probleme von Freunden und Verwandten
15.00 – 16.00 Uhr
Telefonat mit Larry, der alten Schnupfbacke.
Themen:
- mein Gesundheitszustand (Gääähn...)
- Sport kann einen auch umbringen, wenn man nicht aufpasst
- Chauffeurtermine
- Kinderkriegen macht gute Laune
- Fragestellung: Jagt mir Prof. Ho die Triaden oder seine Anwälte auf den
Hals?
- Sonstiges.
16.00 – 18.00 Uhr
Aufräumen, wegräumen, einräumen. Nämlich meine Koffer vom Klinik-Urlaub.
Dreckswäsche sortieren und dabei „Beckmann „ und „Anne Will“ gucken.
Finde Blacky Fuchsberger cool (stammt aus Zuffenhausen, so wie ich) und Alice Schwarzer sexy.
18.00 – 18.30 Uhr
Abendbrot mit Pfälzer Pesto und viel frisches Salatiges.
18.30 – 20.30 Uhr
Gesprächstermin mit meinem Gesundheitscoach.
Themen: überteuerte Medikamente und Spritzen, Eiweiße, Fette, Leinsamenöl, Leukozyten, Trombozyten, Selen und Vitamin D., Prof. H. versus Dr. M., Spiritualität und Simontons Heilversprechen, Wochenend und Sonnenschein. Und die wichtigste Fragestellung überhaupt: Hat Anna die Kartons für ihren Umzug schon gepackt?
21.00 – 22.30 Uhr
Die netteste schwäbische Thüringerin, die ich kenne, ruft mich an.
Themen:
- Na was wohl...
- ein Fuß
- Glück liegt im Einfachen verborgen
- ein Lied und seine Wirkung
- Meditationen und Visualisierungen: Fluch oder Segen?
- Der Super-Gau: Brechreflex nach der Chemo beim Anblick vom super-
leckeren Pfälzer Pesto.
- die Demenz eines labilen infantilen Lypmphompatienten.
22.30 – 24.00 Uhr
Bewältigung des Wahnsinns durch kreatives Schreiben.
Dabei fast tatsächlich wahnsinnig geworden, weil ich zweimal den heutigen Blogeintrag gelöscht habe. Wenn ich das hier überlebe, mach ich eine Psychotherapie, ich schwör!
Ach so, ihr wolltet etwas über meinen Gesundheitszustand wissen.
Versuchs kurz und knapp zu machen:
Wenn ich in den heutigen Gesprächen irgendwas missverstanden oder daraus etwas verfälscht dargestellt habe, dann schreibt es mir; ich werde dann umgehend meine Redakteure zusammenscheißen und für eine Berichtigung sorgen. :-)
Bis morgen...äh...nachher...
Tag 7, Mittwoch, 25.05.2011
Kreatives Krebsfrühstück
Zutaten Bild links:
Haferflocken
Naturmüsli
Rosinen
Cranberrys
Apfel-Brinen-Mark
Brottrunk
Holundersirup
Schmeckt besser als es aussieht! :-)
Zutaten Bild rechts:
Dinkelbrot
fettarmer Goudakäse
Bio-Gurke
Bio-Cerry-Tomaten
Pfälzer Pesto Rosso
Auch für Gesunde geeignet! :-)
Dazu ein Shoppen Rieslingschorle...nein quatsch...Grüner Tee mit Ingwer natürlich und ein großes Glas Wasser.
Pillenarlarm!
Hab das fette Ding in der Mitte schon ganz verdrängt gehabt. Alter Schlappen, das ist jedesmal eine neue Herausforderung für die Schluckmuskulatur...*würg*!
Hey, Gesundheitscoach, da staunste, was?
Wieder zur Post. Oh, Mann, hab jetzt gar keinen Bock auf Krawall!
Vielleicht sollte ich echt mal bei der Beihilfe versuchen, eine kleine niedliche zuckersüße hoch intelligente Sekretärin mit dem Namen Rosa Rote-Beete zu beantragen.
Blutbild vom 24.05.2011, 20:38 Uhr
Untersuchung | Messwert | Referenz |
Kalium | 4.30 | 3.60-5.50 |
Harnstoff | 41 | 10-45 |
Harnsäure | 5.3 | 2.6-6.8 |
Kreatinin | 0.92 | 07-1.30 |
Leukozyten | 3.34 | 4.30-10.80 |
Erythrozyten | 4.3 | 4.4-5.9 |
Hämoglobin | 12.6 | 13.0-18.0 |
Hämatokrit | 35 | 40-52 |
MCV | 81 | 83-97 |
HBE(MCH) | 29 | 27-32 |
MCHC | 36 | 32-36 |
Thrombozyten | 202 | 140-440 |
Segmentkernige | 69.2 | 45.0-70.0 |
Eosinophile | 2.7 | <4.0 |
Basophile | 0.3 | <1.0 |
Menozyten | 0.6 | <12.0 |
Lymphozyten | 27.2 | 20.0-45.0 |
Juhaaaa...Blutbild ist da. Befund-Zeit: 24.05.2011, 20:38 Uhr
Was so für komische Dinger in einem rum schwimmen? Segmentkernige. ???
Die sind bestimmt für die Morgenlatte verantwortlich. Da hab ich brutal viel von. ;-)
Also, ich denke mal, so als kompletter Medizin-Idiot, die Chemo haut rein.
Bin gespannt, was die mir morgen in der Tagesklinik zusammenmixen.
Brauch noch nen Fahrer für morgen Früh um 08.00 Uhr.
Irgendjemand Interesse?
Lass auch ne Bio-Möhre springen.
Kreatives Krebskochen mit Schnuri Teil I
Zutaten:
Volkornnudeln
Brokkolli
Mohrrüben
Aubergine
Glücklicher Rotbarsch aus der Biozucht!!!
Sojawurst
Gemüsebrühe
Suppengrün
Salz und Pfeffer
Was für ein Wetter, und ich darf nicht in die Sonne. :-(
Muss ich halt putzen, waschen und Müll raus tragen.
Falls ihr unnötige Zeit zu verplempern habt:
Pelzig hält sich. Müsst ihr sehen. (ZDF-Mediathek) Vor allem Juli Zeh! Phänomenal! Z.B. was sie auch über Krankheit und Schuld sagt.
Morgen bekomme ich Bleomycin (Bild 1) und Vincristin (Bild 2)
Kreatives Krebskochen mit Schnuri Teil II
Zutaten:
Mais
Cherry-Tomaten
Getrocknete Basilikum-Tomaten
Kräuter-Oliven
Mozarella
Paprika
Grüne Gurke
Saure Gurke
Basalmico-Essig
Nuss-Öl
Dazu ein Dinkelbrot mit Gemüseaufstrich
Bude einigermaßen keimfrei. Mein Gott, war das heute zäh...Pflanzen sind draußen, so können die mir auch nicht mehr gefährlich werden. Stehen alle bei Mr. Schlemensch unten. Wer Pflanzenliebhaber ist, sollte mal vielleicht ab und zu vorbeischauen und gießen. ;-)
Keine nennenswerte Ereignisse. Außer - mein Paps (*Willi*)hat mir in mein Gästebuch geschrieben. Mannomann. Als ich gerade ein paar Keime getötet habe, bekam ich einen "Familien-Flash". Einfach so. Out of Control. Befreites Flennen war wieder angesagt. 2 Minuten. Dann alles wieder gut! Und mich weiter auf die kleinen Killer-Monster gestürzt.
Vielleicht sollte ich doch bei Gelegenheit mal eine Familienaufstellung angehen. Irgendwas zwickt da doch noch ganz schön.
Morgen ist die Fahrrerei geritzt. Wird geteilt. Gesundheitscoach hin, Larry zurück. Bin mal gespannt wie schnell ich fertig bin, und ob es mich beutelt.
Ich leg mich dann einfach in das Schwesternzimmer und mach einen auf Sterbender Schwan.
Nun noch Keimlinge abduschen, Visualisierungen im Bettchen üben und hoffentlich gut schlafen.
Tag 8, Donnerstag, 26.05.2011, Chemo-Tag
01.30 Uhr. Fuck! Kann nicht schlafen. Schon drei Meditationen durch. Schade, dass das Hirn keinen Ausknopf hat. Ich brauch einen Menschen. Aber ich muss doch alleine klar kommen. So ist meine Aufgabe. Oder etwa nicht? Alleine mit sich im Reinen. Alleine glücklich. Alleine ohne Altlasten. Nur, wie kriegt man das hin? Ich kenne niemanden, der wirklich in sich ruht. Und die nicht in sich ruhen, sind doch auch nicht alle körperlich krank. Wer steckt bloß hinter diesem ganzen Scheiß? Gott? Das Universum? Man denkt, jetzt ist man auf dem Weg, jetzt wird alles anders, jetzt hast du endlich kapiert, wo der Hase langläuft. Erkenntnis. Katharsis. Und dann...Bomm...Rückschlag. Was gestern gegolten hat, gilt auf einmal überhaupt nicht mehr. Sicherheit, Liebe, Zufriedenheit, Seelenheil, alles hängt am seidenen Faden. Ganz dünn ist der Faden. Man zwirbelt und zwirbelt und irgendwie wird dieser verdammte Faden einfach nicht dicker. Was bleibt ist Ignoranz, Verdrängung, Verleugnung, Stagnation, Abhängigkeit. Ist man selbst frei, so wird ein anderer dich schon wieder abhängig machen. So kommt es einem vor. So ist das Spiel. Und das, obwohl man nicht zu Depressionen neigt. Wie sehen erst diejenigen die Welt, deren Wegbegleiter ständig das Dunkle und der Zweifel ist? Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Authenzität. Unerreichbare Ziele? Ich will es einfach, ruhig, gemütlich, harmonisch. Ich will mir nicht mehr die Fragen stellen: richtig oder falsch? Wer oder was sind meine Aufgaben, um glücklich und gesund zu werden? Ich will mir nicht mehr, diese völlig hirnrissigen Meditations-CDs anhören müssen. Ich will, dass sich alle umarmen, dass alle mich umarmen und dabei einfach mal die Fresse halten. Ich will Vernunft. Ich will Liebe. Bei allen Menschen. Jeden Tag!
Ja, jetzt seid ihr sprachlos. Ich kann auch anders.
Gleich muss ich an den Tropf. Noch sieben Stunden. Ich habe Angst vor dem Wochenende. Wie fühlt es sich an, wenn die Leukozyten in den Keller rauschen? Es ist so schön draußen zur Zeit. Kann ich das überhaupt genießen? Ja, ja, ich weiß, was ich jetzt wieder sagen muss: Ich werde es auf jeden Fall genießen! Fällt aber gerade verdammt schwer. Verdammt schwer.
Ich versuchs jetzt mal mit Lied Nr. 11.
Fangt aber bitte am Bildschirm nicht zu weinen an. Das kann ich in meinem Zustand eben gar nicht gebrauchen. ;-)
20:16 Uhr. Wach. Meine Herren, ich hab ja in meinen wilden Zeiten schon das eine oder andere Mittelchen geschluckt (Keine Panik Chefe, war alles vor meiner Beamtung), aber das Zeug was ich da bekomme, sprengt alle Hirnareale. Ich bin druff. Fing schon in der Klinik an (Könnt ihr gleich lesen).
Nach Speiß und Trank im Kloster Konfetti zu Neustadt, musste ich erst mal schlafen, schlafen, schlafen.
Nun geht es mir gut und ich bin für alle Schandtaten dieser Welt und neuen Herausforderungen bereit. ;-)
Um 09.00 Uhr war ich heute Morgen in der Klinik - Chemotermin. Um 11.00 Uhr kam ich dann endlich dran. Die Infusion lief ca. eine dreiviertel Stunde. Kein großes Ding. Danach wartete ich auf meinen Ritter-Kumpel Larry von Reinheimernich. In der ganzen Wartezeit musst ich also was tun. Und das, liebe Freunde, könnt ihr nun hier lesen. Viel Spaß! ;-)
Ritter Schnuribolds Schlacht oder wie eine Methode ihren Weltruhm erlangte
Der unerschrockene, aber immer zweifelnde Ritter Schnuribold zog Anno 2011 nach dem Herrn in die große Schlacht um das Reich der Leukozyten und Hämöglobine. Das mörderische Krebsvolk hat im Land der Roten-Beete die Macht durch zahlreiche Kleinkriege an sich gerissen und das Blut eines Jeden vergiftet. Prinzessin Uteb, die das Serum für die Befreiung aller Traurigen und Gebeuteten in ihrem Herzen trug, wurde von den Häschern des Grafen Tumor gefangen genommen. Der von täglichen Visualisierungskämpfen ganz aufgeblähte Ritter soll nun die Prinzessin befreien und das heilbringende Serum unter das mittlerweile schon ganz trübsinnig gewordene Volke verteilen. Der ehrenwerte Rittersmann ritt nun auf seinem Gaul Meriva und all seinen eigenartigen Mitstreitern Richtung St. Heidelberge. (Zu seinen Spießgesellen zählte z.B. das Kampfschwein Ulla, die durch permanente Verwirrungstaktik ihre Gegner stets in den Selbstmord trieb oder ein Ordner, der das gesamte Weltwissen immer dann preisgab, wenn man das Codewort „Simonton“ nannte.) Dort, nun, in der Region des leckeren Rote-Beete-Saftes, vermutete man Prinzessin Uteb in dem „Weißen Turm“. Sie sandte hin und wieder Mut bringende Signale per selbstentwickelter neuartiger Funkmechanik an ihre zukünftigen Retter. Die Prinzessin war allseits gefürchtet für ihre Schlauheit und ihren Erfindungsreichtum. Der Ritter stand an den Pforten des Reiches und sah den Tropf, an dem das Krebsvolk hing. Ihm wurde schwer um die Herzkammer und er begann wieder mal zu zweifeln, ob er die schwerste Herausforderung seines noch so jungen Rittersleben überhaupt gerecht werden können würde. Der musste den Tropf des Todes zerstören und in energetische Heilungsimpulse umwandeln. Was für ein Auftrag hatte man ihm da angedeihen lassen. Es floss eine rosa-violette Substanz in diesem irrational riesigen Infusionsständer. Sie ernährte das am Boden krabbelnde Krebsgetier, damit diese ihre mörderischen Taten reichhaltig vollbringen konnten. Nach Desinfektionsmittel riechende Kreaturen, mit seltsamen Geräten im Ohr und um den Hals, verabreichten in stündlicher Abfolge den Tod bringenden Stoff. Wie konnte der Ritter diese furchterregenden Geschöpfe nur überlisten? Welche Strategie war hier am besten zu verfolgen? Lange Jahre wurde er an renommierten Germanischen Akademien ausgebildet. Die Steuerzahler hatten eine Menge Thaler in ihn investiert. Als Versicherungskaufmann, Heizungsmonteur und Hauslehrer hatte er unter anderem seinen Sold verdient. Aber reichte dies alles auch, um die größte Aufgabe der Geschichte des Roten-Beete-Staates zu bewältigen? Da fiel ihm plötzlich, wie einem eine Sternschnuppe vor die Füße fällt, die Gute Fee, mit dem wohlklingenden Namen Engel 07, ein. Sie hatte ihm zuletzt eine interessante Variante der Visualisierung zugesandt, eine große Kunst im Kampf gegen Grafen Tumor und seine fiesen Krabbelviecher. Er grinste. Er war sich plötzlich so verdammt sicher. Sicher endlich eine Lösung für das Ungemach gefunden zu haben. Er klappte das Visier runter, dachte an Sonne, Strand, Mond, Sterne und Caipirinha. Dachte an das Schöne in der Welt. Das Schöne, so hatte er es damals in der Christenschule gelernt, wird das Böse besiegen und überdauern, auf alle Zeit und Ewigkeit. Er dachte nach. Was war für ihn schön? Die Prinzessin. Seine Kampfgefährten. Er multiplizierte sie, multiplizierte, multipliziere, und nochmal, und nochmal und nochmal...Er stattete sie mit violettfarbenen Plastikschläuchen aus. Darin schwammen winzig kleine Nadeln, die miilliardenfach ausgeworfen wurden, um den Tropf des Todes zu verseuchen. Er blickte auf. Er erschrak. Es war kein angstvolles Erschrecken, kein Erschrecken, das man kennt, wenn man aus einem Albtraum erwacht, sondern ein Erschrecken, das mehr Überraschung über den eigenen grandiosen Erfolg beinhaltete. Ritter Schnuribold hatte es tatsächlich geschafft. Er war zu einem Meister der Visualisierung aufgestiegen. Das Krebsvolk zog sich zurück. Mit Ohren betäubenden Geschrei krochen die sterbenden Krebse in Richtung ausländische Grenze. Der „Weiße Turm“ konnte nun in aller Gemütsruhe, so wie es dem eigentlichen Charakter des Schlachtenführers entsprach, eingenommen werden. Keinen einzigen Kampfesgefährten hatte er verloren. Er erklomm die Stufen des Weißen Turmes in sagenhafter Eile. Er wollte sein in 1000 Arbeitsstunden geschmiedetes Schwert ziehen und das rostige Schloss zur Kammer der Prinzessin durchschneiden. Leider benahm sich unser Held des Öfteren überhaupt nicht als Held, da er ständig Dinge verwechselte: rechts, links, Kaffeetasse, Teetasse, Toilette, Spülmaschine. Und auch hier leistete er sich wieder mal erst ein Missgeschick. Er drosch mit einer Handtasche, die sich in seiner linken Hand befand, auf das Schloss ein, um gleich zu merken, dass da auf keinen Fall hier irgendetwas zu holen war. Nach Aktivierung der korrekten Synapsenstränge hieb er mit einem Hau das elende Stück in zwei.
Da stand sie. Schön. Wie immer. Erhaben. Traurig-glücklich. Zerbrechlich-zart. Zufrieden, dass sich ihre Prophezeiung nun endlich erfüllte. Erschöpft durch den ganzen Visualisierungsgram sank er ihr in die Arme. Kein Held mehr, kein vor Kräfte strotzender Ritter. Eine Kakerlake hatte in diesem Moment mehr Energie als dieser große stolze Mann. Wie sollte er, fix und fertig wie er war, ein Ritter von eher trauriger Gestalt, nach Hause gebracht werden? Seine Kollegen aus dem fernen Wörthe am Rheine hatten andere Schlachten zu schlagen. Sein Anwesen lag mindestens ein Tagesritt entfernt. Man nannte es Land von der Au. Mit letzter Kraft nahm er der Prinzessin Uteb das kleine schwarze weltbekannte elektronische Gerät aus ihren zierlichen Händen und schickte seinem Ritter-Kumpel Larry von Reinheimernich ein Signal. Der Lump ließ sich nicht lumpen und antwortete geschwind: „Kein Thema! Die Schlacht ist gewonnen, nun muss der Retter errettet werden.“ So kannte er seinen Freund: furchtlos und aufopferungsvoll. Brüder im Geiste und im Herzen waren sie. Die nicht vorhandenen Wunden konnte ihm ja in der Zeit des Wartens die holde Uteb lecken. Sie legte Meditations-CDs ein, machte das Licht ganz schummrig und tanzte ihren Namen. Selig schlief er ein. Im Gesicht der Ausdruck eines verhetschelten Säuglilngs. Sein letzter Gedanke, bevor er in das Reich der Wehrlosen endgültig abtrifftete, war: Morgen muss ich das Heil-Serum unter das gemarterte Rote-Beete-Volk verteilen und Prinzessin Uteb in die Kunst der Visualisierung einführen.“
Schräg, oder? Ich sags euch, am liebsten würde ich den Chemo-Stoff und die Pillen, die ich mir in regelmäßiger Abfolge so reinföhne, nach meiner Heilung weiternehmen. Das nimmt echt Formen an...habe das Gefühl, mein ganzes Wesen mutiert.
Das Bild ist im Botanischen Garten in Heidelberg aufgenommen. Dort habe ich heute kurz auf meine Abholung gewartet.
Zu dem Thema "davor" und "danach"
Davor:
Vor meiner Krebserkrankung wäre ich auf der Bank gesessen, hätte den Gärtner wahrgenommen und ihn aber nicht besonders beachtet. Hätte ihn als Requisite einer alltäglichen Szene gesehen. Keine Fragen, kein Ergründen. Hätte ihn wirken lassen, ohne ihn wirken zu lassen. Hätte sein Tagwerk studiert, ohne wirkliches Interesse für sein Tun.
Danach:
Jetzt. Ich frage: Macht ihn seine Arbeit glücklich? Fühlt er beim Gießen etwas Besonderes? Hat er einen besonderen Bezug zu den Pflanzen? Spricht er im Stillen mit ihnen? Liebt er sein Tun? Könnte dieses Tun mich auch erfüllen? Kann ich ein Gärtner sein? Empfinden Blumen Dankbarkeit gegenüber dem Gärtner? Was unterscheidet uns überhaupt von Blumen?
Schnappe ich jetzt völlig über?
Keine Antworten. Das Handy klingelte...
Morgen Früh gehe zur Blutabnahme (Yeah, Leukos zählen!) und kaufe mir dann eine Staffelei. Hab wieder eine verrückte Idee. Ich verstehe nun alle verrückten, durchgeknallten, nicht mehr lebensfähigen Künstler auf dieser Welt viel besser. Kann ich jemals wieder zurück in mein altes Leben? Der Krebs als Vergnügen?
Hey, irgendwelche Psychoonkologen anwesend? Ist das alles noch normal?
Mach ich das halt auch noch schnell. Für den einen oder anderen unter euch ist es ja vielleicht nicht schlecht meine Termine im Überblick zu haben.
Termin | Was steht an? | Bemerkung |
Mittwoch, 15.06., 08.30 Uhr |
Chemo - Tag 1 / 2. Cyklus |
Tageskllinik HD |
Donnerstag, 16.06., 08.30 Uhr |
Chemo - Tag 2 |
Tagesklinik HD |
Freitag, 17-06., 08.30 Uhr |
Chemo - Tag 3 | Tagesklinik HD |
Mittwoch, 22.06., 08.30 Uhr |
Chemo - Tag 8 | Tagesklinik HD |
Mittwoch, 06.07., 08.00 Uhr |
PET-CT Ganzkörper |
Radiologie Kopfklinik HD (Na, dann gucken wir mal, ob sich die Visualisierungen auch gelohnt haben.) |
Montag, 11.07., 08.00 Uhr |
Befundbesprechung | Privatambulanz Prof. Ho |
Therapieplan für Zuhause / Medikation
Medikament |
Dosierung |
Bemerkungen |
Natulan 50 mg |
4 - 0 - 0 |
bereits bis 26.05. erhalten |
Decortin 50 mg |
2 - 0- 0 |
bis einschl. 01.06. |
Kalinor Ret. | 2 - 0 - 0 | Je nach Kaliumspiegel an den Tagen der Decortin-Gabe |
Pantozol 40 mg | 1 - 0 - 0 | Täglich (Magenschutz) |
Neulasta | Tag 4 | Die 1700 Euro-Spritze bereits am 24.05. erhalten (Oh Mann - ich bin ruiniert!!!) |
Tavanic 500 mg | 1 - 0 - 0 | bis einschließlich 01.06. |
Kepinol forte | 1 - 0 - 0 | Mo., Mi., Fr.: durchgehend antibiotische Prophylaxe |
MCP Tropfen x | 30 | Bei Übelkeit mehrmals täglich |
Atacand | 1 - 0 - 0 | Hausärztliche Medikation |
Selenase | 1 - 0 - 0 | Hausärtzliche Medikation |
Vigantoletten | 1 - 0 - 0 | Hausärztliche Medikation |
Tag 9, Freitag, 27.05.2011
Heute Morgen stand ich vor dem Spiegel und war überascht. Nicht darüber, dass ich mit meinen Haarstoppeln zum Anbeißen aussehe. Nein, darüber, dass meine Ohren nicht mehr jucken. In den letzten
Monaten (vielleicht Jahren?) musste ich mich häufig am Innenohr kratzen. Nach meiner Diagnose, dachte ich spontan an Tumorausfluss. Das Zeug würde sozusagen aus dem Inneren des Vulkans über meine
Ohrmuschel herausfließen. Also was stellte ich heute Morgen zu meiner Überraschung fest? Kein Jucken. Seit der Therapie? Gehts der Gülle in mir jetzt tatsächlich an den Kragen? Der Morgen beginnt
gut...sehr gut... :-)
Zutaten Brot 1:
1 Scheibe Dinkelbrot
Mischung aus Leinsamen-Öl
und tiefgekühlte Gartenkräuter
Salz und schwarzer Pfeffer
Zutaten Brot 2:
1 Scheibe Dinkelbrot
Gemüseaufstrich
in Erdnuss-Öl gebratene Tofu-Wurst
Rote-Beete Scheiben
Zutaten Schüssel:
Quark
Naturjoghurt
Banane
Apfel
Cranberrys
Glas:
viertel Rote-Beete-Saft
Schnapsglas Brottrunk
zwei Viertel gemischter Fruchtsaft
viertel Mineralwassser mit wenig Kohlensäure
Zeitung:
siehe Artikel: die gemeine spanische Gurke!
Leukoalarm – Leukoalarm –Leukoalarm
Leukozyten = 500
Isolation!!!
Hoffe, das Händeschütteln von Bier und Tüte, die Besuche von Uschi (die Katze), das Duzzi-Duzzi von Minna von Barneheims kleinem Scheißer, die Gänge zu Mülltone und zu Rockstar Roy Traeger werden mich nicht umbringen.
Wer mich besuchen kommen will, muss vorher die Hände desinfizieren und sich im Hof nackig mit einem Dampfstrahler absprühen lassen.
Prinzessin Uteb aus dem Reich der leckeren Rote Beete wird unser wunderschönes Landau von der Au aufsuchen und sich um Ritter Schnuribolds Leukozyten kümmern. Durch gemeinsame Visualierungsanstrengungen werden sie bestimmt ins Unermäßliche steigen und ich kann ab Montag wieder vor die Türe.
Es lebe die Prinzessin aus dem Reich der Roten Beete.
Leukozyten der Welt vereinigt euch und käpft mit großer Unerschrockenheit gegen den Grafen Tumor!
Tod dem Tyrannen!
Tag 12, Montag, 30.05.2011
Blutwerte vom 30.05.2011
Wert |
Messwert |
Referenzwert |
Kalium |
4.05 |
3.6-5.50 |
Harnstoff |
29 |
10-45 |
Harnsäure |
4.3 |
2.6-6.8 |
Kreatinin |
0.89 |
0.70-1.30 |
Leukozyten |
0.70 |
4.30-10.80 |
Erythrozyten |
4.2 |
4.4-5.9 |
Hämoglobin |
12.1 |
13.0-18.0 |
Hämatokrit |
34 |
40-52 |
MCV |
81 |
83-97 |
HBE |
29 |
27-32 |
MCHC |
35 |
32-36 |
Thromozyten |
20 |
140-440 |
CRP |
148.18 |
<5 |
Medizinisch-organisatorisch verlief das Wochenende etwas chaotisch:
Blutwerte kamen in der Tagesklinik und bei mir nicht an. Wer war schuld? Keine Ahnung!
Ein Antibiotikum ging auch aus. Die Klinik war so gnädig, mir ein Rezept zu faxen („absolute Ausnahme“) Na klasse, soll ich mich vielleicht unterwegs mit dem Gurken-Bakterium anstecken lassen, oder was? Gott sei Dank war Prinzessin Uteb zugegen. Sonst hätte Ritter Schnuribold wahrscheinlich schon am 1.Chemo-Pausen-Wochenende sowas von unnötig ins Gras gebissen.
Was lernen wir daraus? Man sollte besser vorbereitet in das Wochenende starten (Tablettenstand prüfen!) und sich mehrmals vergewissern, ob irgend welche Faxe auch tatsächlich ihren Empfänger erreicht haben (auch wenn man den anderen mit seiner ständigen Nachfragerei „..und Fax angekommen?“ in den Wahnsinn treibt).
Telefonate mit Ärzten, Krankenschwestern und Arzthelferinnen waren auch nicht immer erbaulich. „Ab Fieber 38,0 kommen Sie bitte sofort in die Klinik.“ „38,0 ist noch nicht so bedenklich, nehmen Sie erst mal eine Paracetamol.“ Na, super! Die Verantwortung liegt bei mir. Prima Gefühl!
Emotional war dieses Wochenende aber ein Highlight in meinen 42 Erdenjahren. Nicht vor die Türe gehen zu können hat was. Macht man Dinge plötzlich, woran man vorher nicht im Traum daran gedacht hätte und sogar Spaß machen: Kniffel spielen zum Beispiel.
Hey, ich vermisse meinen Lehrerjob, vor allem die Notengebung. Deswegen hier ein kleines Zeugnis zum Thema „Verfassung“ am Wochenende.
Fach |
Note |
Leukozytenanzahl |
mangelhaft |
Fieber |
ausreichend |
Blutdruck |
n.b. |
Gesichtsfarbe |
befriedigend |
Schleimhäute |
mangelhaft |
Nahrungsaufnahme |
sehr gut |
Wasseraufnahme |
gut |
Stuhlgang |
sehr gut |
Kopfweh |
befriedigend |
Kniffelkompetenz |
sehr gut |
Liebe und Zuwendung |
sehr gut* |
Durchschnitt Gesamtverfassung |
2,6 |
Blutwerte vom 27.05.2011
Wert |
Messwert |
Referenzwert |
Calcium |
2.21 |
2.00 -2.65 |
Eisen |
251 |
70-150 |
Kalium |
3.80 |
3.6-5.50 |
Natrium |
142 |
134-152 |
Alkalische Phosphatase |
61 |
40-130 |
Gamma-GT |
33 |
<60 |
GOT |
12 |
10-50 |
GPT |
26 |
10-50 |
Harnstoff |
35 |
10-45 |
Harnsäure |
4.3 |
2.6-6.8 |
Kreatinin |
0.85 |
0.70-1.30 |
Leukozyten |
0.52 |
4.30-10.80 |
Erythrozyten |
4.2 |
4.4-5.9 |
Hämoglobin |
11.9 |
13.0-18.0 |
Hämatokrit |
33 |
40-52 |
MCV |
81 |
83-97 |
HBE |
29 |
27-32 |
MCHC |
36 |
32-36 |
Thromozyten |
100 |
140-440 |
Myelozyen |
0 |
<1 |
Jugendliche |
0 |
<1 |
Stabkernige |
0 |
<5 |
Segementkernige |
4.0 |
45.0-70.0 |
Eosinophile |
10.0 |
<4.0 |
Basophile |
0 |
<1.0 |
Menozyten |
0 |
<12.0 |
Lymphozyten |
86 |
20.0-45.0 |
CRP |
12.85 |
<5 |
Tag 12, Montag, 30.05.2011
09.15 Uhr - Auf zur Blutabnahme! "Hilfeeee, der Mann, hat Ebola!!!"
Kein Panik, wenn ihr heute ein wenig warten müsst, bis ich den Hörer abgenommen habe. Für die 5 Meter zum Telefon brauch ich mindestens nen halben Tag. Jesus, so fühlt man sich bestimmt mit 100. Und Scheiße, Jopi Hesters fühlt sich jeden verdammten Tag so, der arme Kerl!
Freizeitbeschäftigungen eines Isolierten:
Über einen neuen Wirkungskreis nachenken. Afrika. Neuseeland. Die Welt bereisen. Menschen und Natur erfahren. Helfen. Sinnerfüllt leben.
Mein altes Leben ablegen. Meinen Namen ablegen. Neu beginnen.
Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, tasten lernen.
Nur auf diese Sinne kommt es an. Auf sonst nichts. Wir sehen und hören nichts mehr. Wir fühlen nichts mehr. Wir wehren uns uns nicht. Wir lassen uns von dem Leben überrennen. Da mach ich nicht mehr mit!
Gespräche mit Gott.
Wir sind Gott. Jeder von uns. Gott ist überall.
„Ich bin die Summe all dessen, was vor mir geschah, all dessen, was unter meinen Augen getan wurde, all dessen, was mir angetan wurde. Ich bin jeder Mensch und jedes Ding, dessen Dasein das meine beeinflusste oder von meinem beeinflusst wurde. Ich bin alles, was geschieht, nachdem ich nicht mehr bin, und was nicht geschähe, wenn ich nicht gekommen wäre.“
Salman Rushdie
Na, dann hoffe ich mal Antworten auf all meine Fragen zu bekommen.
"Ich entschuldige mich für mein langsames Lernen"
(Wirklich netter Rechtfertigungssatz für alle gemachten Fehler.)
"Die Wahrheit liegt in deinen Gefühlen verborgen. Wahrheit ist Gefühl.
Worte lassen sich oft missdeuten und werden falsch verstanden.
Worte sind nicht wahrhaftig."
"Der größte Feind der Menschen der Zweifel am Endergebnis.
Deshalb fürchtet ihr euch."
"Es gib nur zwei Emotionen: die Angst und die Liebe. Darum lieben Menschen, zerstören dann und lieben wieder.
Es besteht ein ständiger Wechsel dieser beiden Emotionen."
"Liebe heilt, Angst macht krank."
"Euch wurde beigebracht, dass weniger nicht ausreicht. Die Liebevollen werden von euch belächelt. Ihr wollt stak sein. Besser sein. Immer.
Habt Furcht zu versagen.
Ihr müsst wieder lernen, dass weniger völlig ausreicht. "
"Am Anfang war alles, was ist.
Alles was Ist wusste, dass alles was ist,
da war und dass nichts anderes da war.
Gott ist das Ist und Alles, was nicht ist."
(??? - Knoten im Hirn. Aber ich verstehe trotzdem.)
"Eure Aufgabe ist euch zu erinnern. Ihr wisst bereits alles."
(Aha, Gott sei Dank habe ich kein Alzheimer!)
Notfall, der doch dann keiner war.
Spät kamen heut die Entündungswerte. 148. Bis 5 ist eigentlich der Normwert. Heidelberg angerufen. "Sicher ist sicher, in die Notfall-Ambulanz. Ich hab schon Pferde kotzen sehen." Sehr aufmunternd. Ehrlich.
Dort um ca. 23.00 Uhr angekommen. Also, ich hatte das Gefühl, die herumschwirrenden Bakterien und Viren haben mich angegrinst. "Na, du blöder Notfall-Patient, dir geben wir's!"Hygiene? Desinfeketion? "Wollen Sie nicht vielleicht das Blutdruckgerät vorher desinfizieren, Herr Doctor?" Nicht, dass ich übersteigerte Paranoia hätte, aber wenn im Wartezimmer ein Typ sitzt, der von einem "sehr seltsamen Darminfekt", der ihn schon seit Monaten quält, spricht, dann können in einem schon mal gewisse Bedenken aufkeimen, ob das alles so richtgi ist, was man hier macht und ob es vielleicht nicht besser gewesen wäre, sich zuhause einfach tot zu stellen.
"Äh, warum sind sie jetzt da? Äh, was soll ich jetzt machen? Äh, warum sind sie so spät erst gekommen? Äh, Heidelberg anrufen? Äh, das ist ja ein Ding. Äh, Donnerwetter! Äh, warum haben Sie sich bloß so eine komplizierte Krankheit ausgesucht? Äh, nein, nein, natürlich bin ich Arzt."
Inkompetenz ruft mit Widerwillen Kometenz an und beide vereinbaren, mir eine weiteres Antibiotikum zu verschreiben. Cefuroxim heißt das Mittelchen und soll mit seinen anderen Kumpels gegen das übermächtige Herr der Entzündungen ankämpfen.
Morgen werde ich mir wieder Blut von meinem Leibarzt abhnehmen lassen. Und wehe das Feuer in mir brennt immer noch. Dann gehe ich in den nächsten Supermarkt und hol mir ne Flasche Polnischen Wodka. Dieses Antiobiotikum hat mir auf jeden Fall schon einmal in aller größter Not geholfen. Man sollte sich einfach häufiger auf seinen Instinkt verlassen.
Weitere Anordnung: Soll jede halbe Stunde Temperatur messen.
Steigt es innerhalb einer Stunde zweimal auf 38,5 (jeden Tag bekomme ich einen anderen Wert um die Ohren gehauen. Wasn nu ? Könnt ihr euch mal entscheiden, ihr Ärzte) dann heißt es wieder auf die Plätze fertig los zu all den Bakterien und Viren dieser Welt. Klasse, bei so einem Schlafdefizit, da soll man nicht krank werden, Mensch!
02.31 Uhr. Fieber keins. (36.4) Warum denke ich bloß gerade, der ganze Generve oben war völlig umsonst? Häää?
Hey, da kommt mir gearde ne Idee. Ich visualisiere meine Körpertemperatur auf 29,9 runter, da hab ich dann bissel Puffer. Schlau, gell? ;-)
Bow, es klappt! 03.00 Uhr. Temperatur: 36,2. Hüpf, hüpf!!!
Tag 13, Dienstag, 31.05.2011
10.32 Uhr. Anruf von der Tagesklinik in Heidelberg. "Herr Schnur, bitte kommen Sie sofort in die Klinik, ihre Entzündungswerte sind zu hoch."
Hallo, hab ich jetzt auf die Repeat-Taste gedrückt? Täglich grüßt das Schnuri-Tier. Vielleicht sollte ich doch mal einen Beschwerde-Brief an Dr. Sommer schreiben. Nach Aufklärung und Beruhigung meiner Ärzte, durfte ich dann hier bleiben. Danke! Sehr gnädig! Wie gehabt: Fieber messen, Fieber messen, Fieber messen...
11.03 Uhr.
Temperatur 36,8
Kopfweh
Rückenweh
Zahnweh
Mundweh
Nasenweh
Noch alle Haare - überall.
Ein Ei.
Diverse Kerben aus der Schlacht um Rote-Beete.
Morgenlatte einwandfrei.
Ich lebe.
Lust auf Rühreier, wer kauft mir Bio-Eier?
Schleeeeemensch wacht wahrscheinlich erst auf, wenn ich mir die Bio-Eier selbst gelegt habe.
Für ein paar Eier nach Landau von der Au zu reisen, das kann ich Prinzessin Uteb nciht zumuten.
Hat der Gesundheitscoach auch Einkaufen im Arbeitsvertrag stehen?
Ritter Larry Reinheimernich, der alte Schelm, muss mal wieder igendwelchen Knappen und Knappinnen die Leviten lesen.
Lady Heike ist durch die Quälerei der Deutschen Universiäten in Apathie verfallen.
Mama? Hat wahrscheinlich zu viel mit Papa zu tun.
Weiche ich halt wieder Dinkelkekse in Kamillentee ein.
Mmmmmf...lecker...mmmmpfff....schllapper...schlontz...
Muss in die Klinik. Entzündungswert ist zu hoch, liegt bei 168.
Mist!
Bis denne....
Tag 14, Mittwoch, 01.06.2011
Die Heilung geht weiter...
Diesmal hilft mir eben Station Tannhäuser dabei.
Also gestern. So ca. 20.30 Uhr auf der Station eingetroffen.
Vor ein paar Jahren hatte ich in "Psychologie Heute" den Artikel gelesen, dass Jammern für eine gesunde Psyche wichtig ist, als Ventil die Seele reinigt. Ich hasse Jammern. Nee, jammern ist nicht mein Ding. Machos jammern nicht. Nee, nee, nee,..
Aber heute Nacht, sorry, ging echt nicht anders. Hier ein kleiner Auszug (bitte Kinder unter 18 Jahren jetzt die Augen zu halten):
Fuck..Autsch...Mann, tut das weh......verdammt...Herrgottsack...Hilfeee...Mami....ihr blöden Leukozytenärsche...ich will nix mehr gebären...Drecks Visualisierungskacke....Auaaaaah....Uaaaahhhh...!!!
Bis fünf hab ich die Knochenschmerzen ausgehalten. Dann kam die Heilige Nachtschwester Muslima Andrea zum Fieber messen. "Sama Aleikum, und Herr Schnur, alles klar?" "Grummel...grummel...tut schon bissel weh...ich glaube ich gebäre schon die ganze Nacht extrem viele Leukozyten." "Na, Sie sind wohl ja einer der ganz Harten, wollen Sie nicht was haben?"
"Ach ne Schwester, dann, krieg ich ja gar nicht mehr mit, wie meine Kinder zu Welt kommen....hmmm...her mit!"
Zu dämlich. Schmerzen weg, endlich weggeratzt. Warum kommt man aus seinen Rollen nur so schwer heraus? Ich will Spider Man sein, und doch keiner der um Schmerzmitteln bettelt.
Der aufnehmende diensthabende Arzt heißt nicht nur wie Friedrich Schiller, sondern benimmt sich auch so. ist echt ein Spitzen-Doc. Sehr einfühlsam, sehr routiniert, sehr ruhig, sehr kompetent. Es gibt sie: die guten Ärzte. Wie es übrigens auch gute Lehrer gibt. ;-)
Natürlich musste ich mich heute Morgen wieder jedem erklären, wie die letzten Tage so verliefen. Langsam nervt's. Find ja den Film "Täglich grüßt das Murmeltier zum Schießen, aber einer der Protagonisten möchte ich dann doch nicht unbedingt sein wollen."
Wieder meinen Ordner "Wissen ist alles!" gezückt, meine Unterlagen den verschiedenen Medizinmännern unter die Nase gerieben und große fette Löcher in die Weißkittel gefragt. Rocefin heißt jetzt wohl das Breitband-Antibiotikum, das ich per Infusion noch zusätzlich erhalte. Damit soll mein CRP-Wert wieder in den Normalbereich absinken. Leukozyten waren heute Nacht bei 1800. Gestern noch bei 1200. Während der Nacht kamen bestimmt nochmal 1000 Babys dazu. Mindestens.
Ho...Ho...Ho...wel kommt denn da von dlaußen lein. Doppelte Visite heute.
Chefarzt muss ja auch noch seine Tantiemen verdienen: "Ja, ja, ja...Hell Schnul, is lichtig, das sie hiel sind. Ja, ja, ja...gehts gut?...gehts gut?...wo wohnen sie, ah, Laaaaandaaau, ich habe gehölt, gehölt. Sie bald wiedel Heim...kliegen wil in Gliff...oh müssen Dleck sofolt entsolgen...is nicht gut...Bananeschale hiel im Zimmel...gloße Katastlophe...
Hähäää..mein kleiner Chinese...ich schmeiß dir die Schale morgen Früh sowas vor die Füße, dass du bis zur Chinesischen Mauer lutscht.
Gut, auch hinter mir. Man bin ich gespannt, wie die Werte sind. Bitte, bitte, lieber Gott der Leukozyten und CRP-Werten, sorge dafür, dass ich hier bald wieder die Flatter machen kann. Diesmal hab ich zwar ein Fensterplatz, sitze also in der ersten Reihe, wenn Bud Frosch und Terence Kröte die böse Lurch-Gang vermöbeln, aber dieses Schauspiel könnte ich mir zu Not auch mit meinem Ipod aufnehmen und Daheim angucken. Mein Zimmernachbar ist richtig nett, nur wie das hier so üblich ist, halt auch ziemlich im Eimer (Bei der Visite waren alle Birkenstockträger völlig in Ekstase, weil der Kerl 500 Leukos zu verzeichnen hatte. Upps...!!! Und ich jammer mit meinen 1800 rum. Schlimmer geht immer.
So, das Heilmittel ist da. Der Tropf läuft wieder. Muss mich hinlegen und visualiseren, dass mein CRP-Wert nach unten sackt.
Bis später...
Schwester Anna, oh Schwester, so goldig sag ich euch
Der Leukozyten-Gott war mir gnädig. 2700. Wow! Haben die Gebärschmerzen heute Nacht doch ziemlich reingehauen. Ich kann wieder bei McDoof aufs Klo, ohne mir irgendwelche Gurken- oder Tomatenpusteln zu holen. Yeaah!!!
Jetzt muss noch Gott des CRP-Wertes kräftig ins Horn blasen. Nussdorf, ich komme...
Holla. Greys Anatomy in Schnuris Krankenzimmer. Wurde gefragt, ob ich mich von Studenten untersuchungen lassen will. Das letzte Mal hab ich abgelehnt, weil meine Frisur noch eindeutig zu kurz war, jetzt denke ich...hey, Stoff für meinen Blog. Und außerdem bin ich ja Pauker, Lernende soll man niemals bremsen. ;-)
Studentin 1, Anamnese, Studentin 2 Herz, Student 3 Lunge.
Das wäre was für meinen Gesundheitscoach gewesen, wahrscheinlich hätte sie selbst sogar den Oberarzt alt aussehen lassen.
Oh Gott, Studentin 1, die Maske, war erkältet, schon mal schlechte Karten. Raus, Maske anziehen, aber hurtig, hurtig.
Super Frage: Hat sich ihre Erkrankung nach der Therapie verbessert?
Äh? Ich war vielleicht top-fit. Nö. Ganz klar. Nö.
Beste Frage: Nehmen Sie Medikamente?
Hä? Soll ich die jetzt alle aufzählen?
Ach, lieber nicht. Steht halt auf meinem Zettel.
Studentin 2, die strebsame Mona Lisa, hat mich von Kopf bis Fuß begrapscht. Richtig ausführlich. Ich glaub, die fand mich knuffig. Hat alle Fragen von Oberlehrer und Oberarzt perfekt beantwortet und dabei immer äußerst charmant gelächelt. Note 1*. (Ich kanns nicht lassen.)
Fragte mich auch zum Schluss, warum ich denn so viele medizinische Kenntnisse besitze? Antwort: Ordner "Wissen ist Macht, Internet, Bücher und Lesekompetenz sind dafür verantwortlich. Außerdem gibt man sich ja nicht kampflos Grafen Tumor dahin. In den Augen Mona Lisas gesehen, dass sie überlegte, ob ich nicht vielleicht doch auf der falschen Station gelandet bin.
Student 3, der Stellungsspezialist, nen Netter, so nen Art Sensibler Sonnyboy, ich sag nur O'Malley. Studentin 1 und Studentin 2 wollen bestimmt ständig in sein Stethoskop beißen. Praktisch alles richtig gemacht, theorotisch keinen blassen Schimmer. Antwortete auf Nachfragen des Oberarztes wiederholt mit dem Satz: Da kann ich gerade nichts dazu sagen. Doch nicht O'Malley, der war ein Genie.
Warum Stellungsspezialist?
1. Weil ich während den 5 Minuten Untersuchung ca. 500 Mal die Stellung wechseln musste.
2. Aufgrund folgender Untersuchungsvariante: Legte die zarte Fingerchen auf meinen Rücken und bat mich zweimal laut 99 zu rufen. Legte noch mal die Fingerchen an meine Rippchen und bat mich zweimal 66 zu flüstern. Im ernst. Also, meine Assoziationsbilder waren da nicht gerade von medizinischer Natur. Da bin jetzt mal ganz ehrlich!
Diese knifflige Untersuchung stammte aus einer Zeit ohne CT, aber Oswald Kolle mit seinen Sex-Filmchen noch für Furore sorgen konnte.
Alles gut. Prüfung bestanden. Weiter Studieren.
Fuck! Meine Entzündungswerte werden morgen erst wieder bestimmt.
Blöd. Sau blöd. Heul...schluchtz...flenn...jammer...
Geh jetzt shoppen in der Cafete...meine Psyche braucht Nahrung.
Da kauf ich mir "DIE ZEIT". Euer Schnuri ist up-to-date. Die Zeitfuzzis haben bei mir geklaut - alles meine Themen.
Auf der ersten Seite finde ich da: "Mischt euch ein!" - No risk, no fun! - Sex ist nicht alles
Wenn ich zuhause bin, verklage ich sofort Giovanni. Der kann was erleben. Klaut mir die Titelgeschichten. Gehts noch.
Noch nen Tomaten-Süppchen (Huch, hab ich da gerade Tomate gesagt, um Gottes Willen!!!) gelöffelt, kalte Melonenstücke (Hmm...wer die wohl zubereitet hat?) gefuttert, kaltes Wasser (Balsam für meine angekokelte Mundschleimhaut) geschlürft und überlegt, welche Überlebenschance ich wohl bei einer EHEC-Epidemie hätte.
Hab jetzt keine Termine mehr. Temperatur 36,8, Blutdruck 127 zu 80, Darmtätigkeit herausragend, Gewicht fast wie in alten Zeiten. Alles Bingo eigentlich. Könnte also richtig die Sau raus lassen.
Muss mir mal kurz das Stoppelköpfchen zerbrechen, was ich hier noch so treiben kann.
Spiegel auch gekauft.
Artikel verschlungen. Schlingensief mein Gesinnungsheld.
Tod in Venedig von Georg Diez und Nora Reinhardt
Soll ein verstorbener Künstler den Deutschen Pavillion bei der Biennale in Venedig bespielen? Eine Vorbesichtigung lässt alle Zweifel verschwinden: Erst Schlingensief ohne Schlingensief offenbart Schlingensief.
Auszüge:
"Aino Laberenz....Sie war mit Christoph Schlingensief verheiratet, dem Splatter-Filmer, dem Bayreuth-Regisseur, dem Nationalkünstler, dem Beuys unserer Tage. Sie trägt ihren Ehering am Finger und den großen Ring des Ehemannes an einer schweren Kette. "Mir wird jetzt erst richtig bewusst, wie sehr Christoph fehlt", und die Tränen steigen ihr in die Augen. Ich wäre schon glücklich, wenn er einfach hier sitzen könnte und lächelte."
(So ist das, man merkt erst, dass jemand fehlt, wenn er nicht mehr da ist.)
"Im Mittelbau des Pavillions ist die Rauminstallation "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir". Erster Eindruck: Joseph Beuys. Ein ausgestopfter Hase hockt auf dem Altar, auf dem Banner steht Flux, eine Gottheit in Fratze und erigiertem Penishäng an der Wand. Zweiter Eindruck: Christoph Schlingesief. Kurioses mischt sich mit Eindeutigem, hinter dem Altar steht ein Hochstuhl, wie man ihn vom Tennis kennt, danben ein Krankenbett, Schlingensiefs Röntgenaufnahmen kleben am Leuchtbrett."
(So ist das Leben: wirr und eindeutig zugleich. Ein Bild mit meinem Lymphom an meiner Wohnzimmerwand? Als permanentes Damokles-Schwert für die allgegenwertigen Wirrungen und Irrungen.)
"Er benutzte den Tod wie ein Werkzeug, mit dem er seine Zeit sezierte. Er setzte Krankheit ein mit dem Panthos und der Wut eines Mannes, der nicht an das gemeine Konzept von Gesundheit glaubte. Er öffnete sich seinem Krebs und seinem Sterben auf eine Art und Weise, die nicht exhibbitionistisch war, wie viele dachten, sonder authentisch. Schlingensief lebte in der Gegenwehr zu Gegenwart. "
(Auch ich bin kein Exhibitionist! Nur nehme ich vielleicht etwas mehr die Gegenwart an.)
"...Deshalb bestieg er am 9. November 1999 in New York zum "Deutschland Versenken" eine Fähre, er hatte eine Urne dabei, in der er den ganzen deutschen Geschichtsmüll gepackt haben wollte, er ließ Musik von Wagner laufen und war die Urne über Bord - wo sie dann im trüben Wasser des Hudson River dahintrieb wie ein Sinnbild einer Schuld, die einen immer wieder einholt."
(Ich würde eine Blutkonserve von mir in eine Schuhschachtel packen und über den Rhein schippern lassen. Nicht so originell, aber auch sinnig.)
Damals 2010 schien Schlingensief gerade in mehreren Kopien durch die Welt zu preschen, vom Tod getrieben, ein Mesias in eigener Sache. Eine Oper in Berlin, Theater, sein Krebs-Bestseller und dazwischen Afrika, immer wieder Afrika. Nie war Schlingensief so präsent wie kurz vor seinem Tod.
(Afrika, war da nicht was?)
"Der Pavillion ist nun ganz im Sinne Schlingensiefs entstanden. Er war der Meister der Improvisation, des prozessualen Arbeitens, des Unperfekten. "Scheitern als Chance" war einer seiner Schlachtrufe!"
(Da hat doch wieder einer von mir geklaut, zappalot!")
"Dass das womöglich nicht gesund sein könnte, ahnte er selbst,. Schon während seiner Arbeit am "Parsival" in Bayreuth 2004 prophezeite er, erzählte Aino Laberenz., dass er davon an Krebs erkranken würde."
(Simonton fühlt sich bestätigt, wenn er das lesen würde. Und ich auch.)
"Es ist eine der unwahrscheinlichsten Kunstkarrieren der letzten 20 Jahre. Als er 1997 auf der Documenta in Kassel dazu aufrief, Helmut Kohl zu töten, holte ihn die Polizei. Als er tot war, bekam er einen Bambi."
(Was für einen Preis werde ich bekommen? Ja, ja, ist ja schon gut. Kein Preis - Heilung!)
"...Thomas Mann schrieb davon, in "Der Tod in Venedig", dass, "beinahe alles Große, was dastehe, als ein Trotzdem dastehe, trotz Kummer und Qual."
(Alles hat seinen Sinn - und hat die Größe, die es verdient. Wir sind alle Gott!)
Ohne das 10-Finger-Tipp-System, das ich blind berherrsche, wäre ich echt aufgeschmissen. Ohne Hände, das wär so mal richtig Scheiße hier! ;-)
Ihr denkt, dieser Typ war einfach nur durchgeknallt. Nein, das war er mit Sicherheit nicht, das war ein ganz besonderer Mensch und Provokant. Einer der herausragendesten deutschen Künstler unserer Zeit. Und man kann es nach dem Film "Das Kettensägenmasaker" kaum glauben: Er hat alles gelesen. Alles. Klassiker, Philosophen, alles.
WER BRINGT MIR EIN REGENCAPE? ICH WILL ZU MEINEN FREUNDEN, DEN FRÖSCHEN!
Okay, bleib ich halt in der Bude und visualisiere mir die Frösche in mein Zimmer.
Mein Nachbar, ein selbstständiger Tischlermeister, mit einer tollen hochdeutschen Aussprache, ist sau-nett. Kennt auch das Buch "Himbeeren mögen keine Krebszellen". Haben fachgesimpelt sozusagen. Bis jetzt echt Glück gehabt mit meinen Leidensgenossen. Obwohl Leidensgenosse kann ich gar nicht sagen: Leider hat er nur eine 20ige Heilungschance und das auch nur mit einer Stammzellentransplantation von einem Fremdspender. Mit einem Wirbelbruch hat alles bei ihm angefangen. Müssen Höllenschmerzen gewesen sein. Kein Vergleich zu einem Bandscheibenvorfall. Au Backe, und ich dachte mein eigener Vorfall vor ein paar Jahren war schon die Spitze von Schmerz. Mann, Sachen gibt's, davon hat man als "Gesundo", der tagtäglich wie in einem Hamsterrad umherwuselt, keinen Schimmer. Es ist wirklich eine Lebens- und Menschenstudie, die man hier betreiben kann. Mir geht die Hockerei im Krankenhaus zwar voll auf den Senkel, aber interessant ist es dann doch irgendwie die Geschichten der Mitpatienten zu hören. Ich sauge alles auf wie ein Schwamm. Ob diese Erfahrungen und das Wissen mir später noch etwas bedeuten werden? Ob ich tasächlich dadurch anders, "gesünder" werde? Das wäre schön. So hätte jedes gehaltvolle Gespräch nachträglich seine besondere Bedeutung für mich erlangt.
Mir geht es gut. Habe keinerlei Knochenschmerzen. Dass man das nur in einem so kurzen Zeitkorridor spürt. Echt rätselhaft so die Vorgänge im Körper. Bin wahnsinnig gespannt auf die Werte morgen. Habe so Sehnsucht nach dem Pfälzer Wald. Bisschen wandern. Das Wetter soll ja so toll werden. Leukozyten werden auf jeden Fall im grünen Bereich sein. Das müsste doch noch zusätzliche Auswirkungen auf den CRP-Wert haben.
Der permenente metallische Salzgeschmack im Mund (nix Kiwi und Kartoffel Frau Glantz) ist wirklich ekelhaft. Denke immer, ich muss doch fürchterlich aus dem Maul stinken. Die Melonenstückchen bringen da auch nicht viel.
Untersuchung zur Nacht nochmal. Kein Fieber. Alles gut. Schwester Labertasche meinte, ich solle morgen mal Überzeugungsarbeit leisten. Vielleicht habe ich Glück und das hohe Gericht lässt mich kachelmannmäßig gehen. In dubio pro patientis.
Telefon meld ich vorerst noch nicht an. Das bringt Unglück. ;-)
Tag 15, Donnerstag, Feiertag, 02.06.2011
Heute Nacht bin ich mit meinem Infusionsständer durch den Pfälzer Wald nach Hauenstein gewandert. Was ich dort erlebt habe, berichte ich nun. Holt euch einen Kaffee und eine Stulle und wundert euch für ein paar Minuten mit mir mit.
Station 1: Gott lacht mich aus.
Ich komme an eine Weggabelung, da sitzt Gott auf einem Hochstuhl. Gott besteht aus Haare, ganz viel Haare. Ein einziger Haarknäul über mir. Nur ein paar kleine stechende Augen und ein großer Mund, mit strahlend-weißen Zähnen lassen menschliche Züge erkennen. Lachend donnert er los: „Haa...haaaa...nach Hauenstein sollst du also wandern. Haaa...haaa...das ist deine Aufgabe....haaaa...haaaa...Du willst, dass ich dir helfe? Das kannst du vergessen. Helf dir mal schön selber. Ich kann auch nicht aufs Klo. Muss den ganzen Tag hier in dem beschissenen Hochstuhl verweilen und mir das blödsinnige destruktive Jammern der Menschen anhören. Du denkst, ich bin ungerecht? Ich bin ein Hochstapler? Nein, mein lieber Schnuri, da hast du aber was völlig missverstanden. Ich helfe den Menschen jeden Tag damit, dass ich gerade nichts tue, nicht in ihr Leben eingreife. Was ich dir anbieten kann, ist, dass ich dir deinen Entscheidungswillen zurück gebe. Dass du wieder die Befähigung hast, zwischen gut und böse zu entscheiden.
Ich nicke und holpere mit meinem Ständer mühsam weiter.
Station 2: Christoph Schlingensief provoziert mich.
In einer Waldlichtung taucht plötzlich ein altes Opernhaus auf. Am Eingang wartet schon Christoph auf mich. Er pafft hecktisch und sieht wie immer ziemlich krank und gestresst aus. Ich frage: Hey Alter, warum rauchst du denn hier schon wieder? Hast du denn nichts aus deiner Vergangenheit gelernt? Er schockiert und getrieben: Vergangenheit? Zukunft? Vergangenheit ist Zukunft, mein Lieber. Keine Vergangenheit mehr. Nur noch Zukunft. Es ist alles egal, was du machst. Nichts gilt. Alles aufgehoben. Ich rauche den ganzen Tag und es passiert nichts. Richard raucht, Brecht raucht, die Callas raucht, alle rauchen. Rauchen ist hier kein Thema.
Ich habe plötzlich Lust, mir auch eine Flumme anzustecken. Aber Anna schimpft im Hintergrund mit mir. „Wenn du wieder rauchst, liebe ich dich nicht mehr“, droht sie.
„Na, Mr. Provokateur, wie geht es dir sonst so hier? Haste viel zu tun?“
„Also Schnuri, könntest dir ja echt eine kreativere Interviewfrage hier ausdenken. Bist doch Lehrer. Aber ich will mal nicht so sein. Hab heute einen guten Tag. Ich arbeite immer. Immer. Rund um die Uhr. Äh, hab ich Uhr gesagt?. Quatsch mit Soße, hier gibt es keine Zeit. Ach, wie ich das liebe, nicht der Zeit nachzurennen. Arbeiten ist geil. Ich habe auch schon einen Film gedreht: Das Engelsterben. Hab alle Engel in schwarze Gummianzüge gesteckt und von Gott mit einer Schrotflinte erschießen lassen. Bow, hat das für Aufruhr gesorgt. Aber Jesus hat mich rausgehauen. Der fand’s lustig.
Ich runzle die Stirn und verabschiede mich von Christoph.
Ich höre ihn noch hinter mir her rufen: „Willste nicht noch ein paar Kippen für den Weg mitnehmen?“
Station 3: Froschkönig macht mir ein Angebot
An einem Waldsee mache ich Pause. Bin erschöpft, mir läuft der Schweiß. Trinke das kühle Wasser. Dabei ziehe ich für einen kurzen Moment den Stromstecker des Infusionsständers. Aus dem See taucht plötzlich ein Riesenfrosch mit Krone auf. Ich schrecke zurück. Ich habe aber plötzlich keine Angst mehr. Es ist, als wäre Angst in meinem Leben nicht mehr existent. Ich fühle mich geborgen wie noch nie. Der Frosch sieht so lieb aus. Freundlich. Hat eine wohltuend sonore Stimme. Mit diese Stimme fragt, er mich, was ich denn hier mache? Ich antworte ihm, dass es meine Aufgabe sei, nach Hauenstein zu wandern und ich hier nur eine Rast einlegen würde.
„Oh, das ist aber nett“, quakt der Froschkönig vergnügt. „Du musst wissen, hier kommt Jahr ein Jahr aus keine alte Sau vorbei. Ich langweile mich hier noch zu Tode. Kann ich dir irgendwie helfen, mein Freund?“
Hmmm...überleg....“Klar, lieber Herr Froschkönig, ich habe gehört, sie haben hier in dem Laden kräftig viel zu sagen und besitzen Zauberkräfte. Können Sie mich vielleicht in einen 2-Meter-großen, vor Kraft strotzenden Helden verzaubern? Dann könnte ich endlich Heim auf mein Sofa.“
„Schnuri, Schnuri, Schnuri, das stellst du dir aber ziemlich einfach vor. Ich hab dich gern. Du bist ein wahrer Freund der Frösche. Du gehörst praktisch zu unserer Familie. Ich würde dir allzu gern jeden Wunsch erfüllen. Ich weiß nur nicht, ob dir damit wirklich gedient ist. Warum willst du ein Held sein?“
„Na, ist es nicht wunderschön, wenn dich alle bewundern. Wenn alle von dir denken, kein Versager zu sein. Das macht dich stark, unbesiegbar. Es gibt keine Grenzen mehr für dich. Man kriegt eben die Prinzessin ab und nicht die Magd.“
„Schnuri, Schnuri, Schnuri, ich muss schon sagen, du hast aber eine ziemlich oberflächliche Sicht auf die Dinge. Meinst du wirklich, dein Leben wird erfüllter, wenn du zu einem Helden mutierst. Helden sind out, wenn sie uns überhaupt noch interessieren, dann als gebrochene Charaktere. Ich bin dir wohlgesonnen, liebster Froschfreund, deswegen kann ich dir diesen Wunsch nicht erfüllen.“
Schnuri schmollt: „Schade!“
Der Froschkönig grinst gütig: „Mein Lieber, ich mache dir ein Angebot. Ich packe dir ein paar von meinen Froschkumpels ein, sie werden dich begleiten. Wenn es dir nicht gut geht, dann nimmst du einen Frosch heraus und sprichst mit ihm. Jeder dieser Frösche wird die Gabe besitzen, dich auf deinem weiteren Weg zu unterstützen.
Fröhlich und aberwitzig heiter nehme ich das Angebot dankend an.
Glücklich, den Froschkönig getroffen zu haben, ziehe ich von dannen.
Station 4 – die letzte?: Prinzessin Uteb spielt „Vier gewinnt“ mit mir
Meine Infusion geht zu neige. Nur noch ein paar Tropfen sind in den Behältern. Bald müsste es piepsen. Bis nach Hauenstein ist es nicht mehr weit. Ich sehe ein Haus, das direkt an einem Gebirgsbach liegt. Vor dem schnuckligen Häuschen sehe ich Prinzessin Uteb auf einer Holzbank sitzen. Daneben flechtet ihr eine sehr alt aussehende Frau mit Kopftuch die Haare. Wird wohl ihre Kammerzofe sein.
Ich mache auf mich aufmerksam, in dem ich mit gesamt des Ständers vor die Füße der beiden Frauen knalle. Mein Wegbegleiter ist an einem Stein hängen geblieben und hat mich zu Boden gerissen. Prinzessin Ute ist Kreide Weiß im Gesicht vor Schreck, die alte Oma kichert hysterisch.
„Äh, hallo Prinzessin, na alles klar auf der Andrea Doria? Ich heiße Schnuri und bin auf dem Weg nach Hauenstein. Hab so Lust auf Bio-Rühreier, könnt ihr mir vielleicht ein paar in die Pfanne hauen?“
Die Prinzessin guckt ihre immer noch kichernde Zofe an. Die Zofe guckt zurück. Rühreier? Bio? Der hat doch nicht alle Eier in der Schachtel. „Was bietest du dafür an?“, singen beide gleichzeitig im Chor. Ich habe hier „Vier gewinnt“ und ein paar Frösche. Mit dir liebe Prinzessin spiele ich „Vier gewinnt“ und dir liebe Oma, schenke ich einen Frosch. Na, was haltet ihr davon?“ Wieder im Chor: „Gebongt!“
Die alte Zofe zieht sich mit dem Frosch ins Häuschen zurück und Prinzessin Uteb steckt mit einem schmachtenden Blick den ersten Coin in die Öffnung.
Ich bleibe. In der Vergangenheit. In der Gegenwart. Für die Ewigkeit.
Es piepst.
Bier und Tüte würde mir für den Stoff, den ich hier in der Klinik kostenlos erhalte, seine ganze Brillenkollektion vermachen, da bin ich mir sicher. Mehrmals in der Nacht musste ich aufstehen und Wasser lassen. Immer wieder bin ich aus sehr intensiven Träumen aufgewacht. Ich denke, es waren fünf. Zwei weiß ich auf jeden Fall. Einen habe ich hier niedergeschrieben. Einer ist nicht jugendfrei.
Liebe Traumdeuterinnen, - ich denke ich muss hier die weibliche Form wählen, weil sich Männer bestimmt nicht mit Traumdeutung auseinandersetzen – also liebe Traumdeuterinnen, was sagt euch dieser freakige Traum? Bitte um eine Analyse in meinem Gästebuch.
Zimmer mit Aussicht und Vollpension in Heidelberg
08.00 Uhr. Vitalwerte.
Puls 88
Blutdruck 120 zu 80
Temperatur 36,9.
Gewicht: 99,8 kg
Hab ich wirklich Krebs?
08.30 Uhr. Blutabnahme.
Nicht bei allen Patienten heute. Ich bin dabei. Kompetente Ärztin.
Schnell und gut, mit ultra-spacigen Turnschuhen. Ich glaub, die wurde von Raumschiff Enterprise hergebeamt.
08.42 Uhr. Frühstück.
2 Brötchen. Und wie kau ich die? Lutschen!
Belag für ein Brötchen.
Wer braucht Belag?
Hab genug davon im Mund.
08.44 Uhr. Akku vom Handy fast leer. Kein Ladegerät dabei. Blöd.
09.23 Uhr. Warten auf CRP. Lesen, Schreiben, Pinkeln, Fotografieren...
10.45 Uhr. Blutwerte sind da. Nennt mich Highlander. Ich bin unsterblich. Yeaaah....
Blutwerte vom 02.06.2011
Wert |
Messwert |
Referenzwert |
Calcium |
2.24 |
2.00 -2.65 |
Eisen |
251 |
70-150 |
Kalium |
3.70 |
3.6-5.50 |
Natrium |
137 |
134-152 |
GFR nach CKD-Epi |
93,6 |
<80 |
Harnstoff |
35 |
10-45 |
Harnsäure |
4.3 |
2.6-6.8 |
Kreatinin |
0.99 |
0.70-1.30 |
Leukozyten |
10.75 (10750!!!) |
4.30-10.80 |
Erythrozyten |
3,9 |
4.4-5.9 |
Hämoglobin |
11.5 |
13.0-18.0 |
Hämatokrit |
32 |
40-52 |
Thrombozyten |
73 |
140-440 |
CRP |
58.1 |
<5 |
Diese Zahl macht mich so an:
10 750
Gestern noch 2670. Mein lieber Herr Gesangsverein, hab ich über Nacht locker mal 8000 Leukos auf die Welt gebracht. Ich bin der Gebärkönig von Heidelberg.
Ein wunderschöner Tag in Heidelberg geht zu Ende.
Touristischer Stadtbummel mit Eis und Erdinger Weizen. Alles alkoholfrei natürlich. Das Bier war geradezu himmlisch. Mit Decke und Wasserflasche an den Neckar und den Enten zugeplinselt. Überraschungsklosterbesichtigung mit anschließendem Picknick im Grünen. Naturidylle pur! Braucht man mehr zum Glück?
Tag 16, Freitag, 03.06.2011
09.16.Uhr
Geträumt.
Heute nix. Das würdet ihr ja auch gar nicht aushalten. ;-)
Geblutet.
Mrs. Dracula (heute mit einer spacigen Brille) war bereits da.
Gefrühstückt.
Irgendwie klappt das mit der Bestellung diesmal überhaupt nicht.
Käse = Marmelade, Volkornbrotscheiben = Brötchen.
Aber egal. Verschwinde hier hoffentlich gleich in ein paar Stunden.
Es stehen immer noch meine Bio-Rühreier aus. Ich rieche sie förmlich.
Gepackt.
Das da die Weißkittel erst gar nicht auf den Gedanken kommen, mich noch weiter hier zu behalten. ;-)
Gefragt.
Noch nicht. Werde ich aber gleich. Bei der Visite. Eine ganze Liste voll.
Die werden froh sein, mich los zu werden.
Geliebt.
Gesundheit und Liebe. Nur das zählt. Alles andere ist wurscht.
An der Gesunheit mangelt es mir leider noch ein wenig. ;-)
09.58 Uhr.
Ich darf nach Hause. Juheeee.....Das Wochenende kann kommen....!!!
11.53 Uhr.
Letzter Eintrag bevor das Wochenende beginnt. Gleich kommt Prinzessin Uteb und erlöst mich. Meine Werte waren top heute. Leukozyten noch zugelegt: 10 870. Entzüngungswert: 35. Kann ich die nächsten Tage ja richtig die Sau raus lassen.
Bis Montag.
Tag 17 - Tag 18, 04.06.11 - 05.06.2011
Was für ein Wochenende!
Picknick und romantischer Sonnenuntergang auf der Kleinen Kalmit, überraschende Begegnung mit Jesus, Kirschklau mit Kleittereinlage, Kauf menes ersten L-Hemdes in Hauenstein, Feuerzauber und Königsmal im idyllischen Krüger-Garten mit Frosch, Hund und Katze, leckerer Latte Macciato mit Bienenstich im Cramerhaus, einsame Besichtigung der Burgruine Lindelbrunn, Fotoshooting mit Starfotograf Schnuro, herrlicher Spaziergang im sommerlichen Regen, famoses Festtags-Menü in der Buschmühle.
Ich gesunde, nicht nur körperlich!
Durch das Steigen der Leukozyten verbessert sich auch mein Gesamtzustand.
Die Schleimhäute regenerieren. Fühle mich rundum wohl. Bis auf die Tatsache, dass mir nun am Samstag doch die Haare ausgegangen sind. Freakshow im Badenzimmer. Seltsames Gefühl, wenn man dann plötzlich so nen Typen mit einzelnen Löchern auf der Kugel im Spiegel sieht.
Fieber hab ich keins mehr gemessen. Warum auch. Blutdruck war immer bestens, manchmal sogar etwas zu nieder. Gewicht reduziert sich oder bleibt gleich. Der schleckte Geschmack im Mund ist ein ständiger Begleiter.
Am Dienstag werde ich wieder zu Blutabnahme gehen. Ich hoffe, jetzt die Zeit der Chemopause ohne weiteren Komplikationen in vollen Zügen genießen zu können.
Sind da nicht geniale Naturaufnahmen dabei?
Die Pfalz ist einfach unbeschreiblich schön. Zum Wohl! ;-)
Tag 19, Montag, 06.06.2011
Tag völlig ereingnislos. Aber das ist auch gut so.
Noch voll vom Wochenende.
Zu viele Emotionen sind dann wohl wieder heilungstechnisch contraproduktiv.
Na ja, nicht ganz ereignislos. Wieder ein Stapel Rechnungen eingereicht.
Ich sags euch, ich brauch eine Sekretärin.
Wenn man nicht alles kontrollieren müsste.
Hat von euch jemand Lust? Voraussetzung: Schuhgröße 41, und Chinesisch muss sie können. Steuer müsst ich nämlich auch noch machen. ;-)
So auf 4-Euro-Basis. Pro ausgefüllte Seite 4 Euro.
Habt ihr gemerkt, ich habe jetzt Unterseiten für meinen Blog erstellt.
Nach zahlreichen Beschwerden, dass man mittlerweile Stunden mit Scrollen beschäftigt ist, bin ich dem Wunsch nach Vereinfachung gerne nachgekommen.
Tag 20, Dienstag, 07.06.2010
Die gemeine Sonnenbrille
Da hab ich mir doch gestern wieder eine Sonnenbrille bei Amazon bestellt.
Die 1236. Ich bin ein Sonnenbrillen-Liegenlasser müsst ihr wissen. Also schenkt mir um Gottes Willen keine Sonnenbrillen oder Regenschirme. Was präsentiert mir heute mitleidig kopfschüttelnd die Arzthelferin? Als ob ich mein Lymphom im Gehirn hätte und nicht in den Lymphknoten. Wir war das? Es wächst zusammen, was zusammen gehört, oder so....Nun hab ich zwei von den gemeinen Sonnenbrillen. Mal sehen für wie lange. ;-)
Lied kam auf der Rückfahrt nach Nussdorf im Radio. Und es passte eindeutig zu der Stimmung heute Morgen. Sieht euch die Bilder an und hört dazu die Mucke
Anna war gar nicht begeistert als "zwei Idioten" (na prima, sie sagt nicht zu ihrem Chef "das waren gerade mein Paps und sein Freund", sondern "das waren gerade einfach nur zwei Idioten") am Schaufenster von ihrer neuen Filiale in Landau Grimassen geschnitten haben und wie Orang Utans auf Dope umhergehüpft sind . Tja, der Arbeitsplatz in der Nähe hat nicht immer nur Vorteile, meine lieben Friseurinnen. ;-)
Die philosophische Fragen des Morgens bei Latte Macciato und Lachsbrötchen: Ist Mitgefühl nicht besser als Mitleid?
Mitleid: Oh, Mann, du hast Krebs, kein Sorge, das wird schon wieder, mein Junge.
Mitgefühl: Krebs, echt, ach du schöne Scheiße. Wie lange haste denn noch, du Armer?
Tipp des Tages: Lade dir das Programm "der grandiose Bildverkleinerer" runter oder kauf dir einen Stütz-BH!
Außerdem war ich heute zum ersten Mal in einem Taschen-Laden. Es gibt in Landau doch tatsächlich ein ganzes Geschäft mit Taschen. Mein Leben als Kranker ist voll von Überraschungen. Schnuri will sich nähmlich demnächst so eine hippe Männer-um die Schulter-hänge-Tasche kaufen. Er hat gehört, die ganzen am Körper mitgeschleppten Eltektro-Geräte (wie HDTV-Fernseher und Mini-Kühlschrank) sollen auch Krebs (vor allem Pimmel-Krebs!!! - das muss jetzt echt nicht auch noch sein, oder?) verursachen. Außerdem hat Larry eine, Schlemensch ebenso, Roy Traeger sowieso und the wild boy aus Kirgisien - der Trendsetter schlechthin - bestimmt auch. Da muss Schnuri natürlich nachziehen. Leider konnte ich mich heute noch nicht entscheiden. Sowas überfordert mich total. Hey, ich bin ein Mann! Ich würde ja die nächstbeste nehmen. Aber dann würde ich jetzt wahrscheinlich mit einer lila-gestreiften PVC-Tasche durch die Stadt wackeln und könnte mich vor Avancen von Dieter, Detlef und Ditmar nicht mehr retten.
Die Entscheidung muss nächstes Wochenende meine Style-Beraterin treffen. Sie muss ja schließlich bis zu meinem 90. Lebensjahr mit mir rumlaufen. ;-) Oder soll ich die Frösche in Heidelberg befragen? Ob es eine Tasche gibt, die frosch-grün ist und quakt, wenn man sie öffnet? Hätte Lust diese Frage der aufdringlichen Verkäuferin von vorhin einfach mal so zu stellen. Wäre psycho-soziologisch sehr interessant, wie sie reagiert.
Ein Klick ins Glück.
Klappt prima mit der Blutwert-Faxerei. Immer ein spannender Augeblick, wenn ich das Dokument hochlade. Wer hätte das gedacht, das ich mal so blutwertegeil sein werde.
Blutwerte vom 07.06.2011
Wert |
Messwert |
Referenzwert |
Harnstoff |
21 |
10-45 |
Kreatinin |
1.01 |
0.70-1.30 |
Leukozyten |
6.08 |
4.30-10.80 |
Erythrozyten |
3.8 |
4.4-5.9 |
Hämoglobin |
10.08 |
13.0-18.0 |
Hämatokrit |
31 |
40-52 |
MCV |
82 |
83-97 |
HBE |
28 |
27-32 |
MCHC |
35 |
32-36 |
Thromozyten |
274 |
140-440 |
CRP |
23.97 |
<5 |
Durchatmen! Spitzenwerte! Entzündungswert fällt stündlich. Leukozyten noch im Überfluss vorhanden. Kann ich mir jetzt locker nen firschen Tomaten-Gurken-Salat zubereiten, ohne gleich Dauerdurchfall zu bekommen. Trombozyten auch wieder im gründen Bereich. Auch das Gemüseschnippeln kann ich somit ohne Furcht angehen. Brauche also nicht gleich eine Bluttransfusion bestellen, wenn ich mir aus Versehen ein Fingerchen absense.
Schnuris Blut ist Heldenblut! Hoffenlich liest kein Vampir mein Blog.
Eiweiß, Eiweiß, Eiweiß...Strunz wäre stolz auf mich. Hab gerade das weltbeste Eiweiß-Gericht vertilgt.
Zutaten:
Schellfisch in Wasserdampf gedünstet
Tofu Natur in Streifen
klein geschnittene Datteln
in Öl und Kräutern eingelegte Auberginenzungen
getrocknete Tomaten mit Basilikum
in Öl und Kräutern eingelegter Schafskäse
2 Teelöfel Pfälzer Tomatenpesto
1 Tasse in Gemüsebrühe gekochtem Reis
Alles mischen und mindestens eine Stunde ziehen lassen.
Man kann nicht mehr aufhören zu schlemmen...
Texte zur Nacht.
"Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu sehen ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hätte."
Henry David Thoreau (1854)
Diesen kleinen Text habe ich im Magazin der Süddeutschen entdeckt. Als ob sie für einen Pfälzer geschrieben worden sind.
Was für große stake Zeilen. Ich möchte in dem Natur/ Waldfriedhof bei Annweiler beerdigt werden. Dieses passenden Zitat könnte ich mir gut auf meinem Grabstein (oder Urne?) vorstellen.
Is ja schon gut, sehe schon einige hier ihr Gesicht verziehen und denken, der Schnuri spinnt wieder rum. Freut euch nicht zu früh: Die Umsetzung wird bestimmt noch viele viele viele Jahre dauern.
Morgen gehe ich tatsächlich in den Wald (zwei Tage Budenhockerei reichen!), um dem Leben wieder ein Stück näher zu kommen.;-)
Hoffnung gleichet einem Wilde/
Das ein ieder fangen kan/
Sie ist allen Hertzen milde/
Wer sie will/ der trifft sie an/
Aehnlicht einem Schatten-Bilde/
Folget der Begierden Bahn.
Hoffnung gleichet einem Wilde/
Das ein ieder fangen kan.
Solche Freude quillt vom Hoffen/
Die bey allen kehret ein.
Keiner/ der nach ihr geruffen/
Höret ein betrübtes Nein/
|Wer ihr Ohr und Hertz hält offen/
Kan allzeit vergnüget seyn.
Solche Freude quillt vom Hoffen/
Die bey allen kehret ein.
Hans Aßmann von Abschatz (1646-1699)
Dieses Gedicht habe vor ein paar Tagen von "Lyrikmail" zugesandt bekommen und wohl übersehen. Schön, oder? So findet der Tag doch einen prima Abschluss bzw. einen gelungenen Anfang.
Wenn das alles meine Halbschwester Rita aus Meck-Pomm liest (Sie ist Zeugin Jehovas und schickt mir gelegentlich auch mal den Wachtturm), dann denkt die noch sie hätte mich bekehrt. ;-)
Und stellt euch vor, sie war mal eine absolut überzeugte Kommunistin.
Vom Kommunismus zur Zeugin Jehovas, welch ein Identitätssprung.
Also, dann kann ich ja wirklich noch hoffen! ;-)
Krebs verändert das Konsumverhalten.
Fernsehn schauen fällt mir irgendwie schwer. Kann mich da nur schlecht konzentrieren. Die vielen Bilderwechsel machen mich ganz kirre. Ob das an den Pillen liegt?
Gewalt geht schon gar nicht mehr. Hab mir früher auch mal ganz gern irgendwelche Ballerfilme reingezogen. Die Art von Filmen, wo man genüsslich die masakrierten Leichen mitzählt und der Inhalt völlig sinnfrei ist. Filme, bei denen man als Pädagoge den Moralfinger ziemlich weit nach oben erheben müsste. Hmmmm...wirkt plötzlich ziemlich abstoßend auf mich. Jetzt gucke ich lieber so nen Rosamunde-Pilcher-Gram oder "Der Bergdoktor". Oh je, hoffe dieses Heile-Welt-Virus werde ich wieder los. Is ja fast schlimmer wie Krebs. ;-)
Gewitter. Wunderliche und wunderbare Geräusche. Augen zu. Donner. Fette Regentropfen, die ans Fenster platschen. Ein gewöhnliches Gewitter, das für mich kein gewöhnliches Gewitter mehr ist.
Mein Hirn ist ein Aufnahmegerät. Ich habe die Aufgabe von der Weltgemeinschaft erhalten, alle schönen Töne dieser Welt mit meinem Aufnahme-Hirn-Gerät aufzuzeichen und für alle nachwachsenden Generationen abzuspeichern. Hallo Leser, sendet mir doch die schönsten Weltgeräusche zu! Wir machen dann eine Top-Ten der Geräusche! Die Ultimative Geräusche-Chart-Show sozusagen. Den schleimigen Oliver Geissen engagieren wir da nicht als Moderator, oder? Wie wärs mit Rüdiger Nehberg? Der macht's bestimmt für ein paar leckere Vogelspinnen.
Tag 21, Mittwoch, 08.06.2011
Tja, da bin ich wieder. Habt ihr mich schon vermisst? Mir kam die Tage zu Ohren, dass für einige von euch das Lesen meines Blogs zum täglichen Ritual geworden ist. Eine Dame aus Neupoz soll mich sogar seit dem richtig sympathisch finden. War ich vorher ein Arsch oder wie? ;-)
388 Besucher hatte mein Blog im Monat Mai. Diese Zahl macht mich richtig demütig.
Das Schreiben gehört mittlerweile genauso zu meinem Heilungsprojekt wie der tägliche Gemüsetrunk, das Absolvieren von Meditations- und Visualisierungsübungen und das ein-minütige Gurgeln mit der Mundspülung nach jeder Mahlzeit.
Ich bekomme sehr schöne Mails, die mich motivieren weiterzumachen. Das was ich hier so verzapfe, scheint tatsächlich einige zum Schmunzeln und zum Nachdenken zu bringen. Die schönste Passage aus so einer Motivationsmail möchte ich an dieser Stelle veröffentlichen:
"Ich lese immer fleißig deinen Blog. Der gibt mir total viel! Man sollte ja meinen du bist der Kranke, der umsorgt werden muss, aber irgendwie ist es eher umgekehrt. Du tust mir total gut!"
Das geht runter wie Öl und ist bestimmt verantworltlich dafür, dass auch ein paar von diesen heimtückischen Tumor-Biestern über den Jordan gehen werden.
Danke!
Keine Frage, das Internet bietet viel Anlass zu Kritik, aber in manchen Bereichen ist es geradezu ein Segen für die Menschheit, ein Segen für mich. Es ermöglicht, dass Krankheit nicht mehr anonym stattfinden muss. Es ermöglicht, dass Leidensgenossen sich austauschen, sich Mut zusprechen können. (Ich stehe z.B. in Kontakt mit meinen Bettnachbarn aus dem Krankenhaus). Es ermöglicht, die auch durch die Krankheit wiederbelebte Kreativität komplett auszuleben. Und es ermöglicht, dass chinesische Koryphäen an ihrem Sprachfehler arbeiten können. :-)
Ich habe bewusst mich dafür entschieden, die Internetadresse nicht in den sozialen Netzwerken zu erwähnen. Der Link zu meinem Blog wurde von mir nur einer Handvoll Menschen weitergegeben. Ich finde es schön, wenn die Mund-zu-Mund-Propaganda dazu führt, dass vielleicht ein paar Leser noch dazu kommen werden.
Nun, der hinter mir liegende Tag.
Es ist 00.56 Uhr. Ich höre Prof. Ho regelrecht sagen: "Hell Schnul, gal nich gut, so lange am Schleibtisch zu sitzen, Klebspatient muss flüh ins BettiBetti gehen."
Liebel Plof Ho, ich war heute sehl blav und habe mil das veldient.
Nach einem Anti-Krebs-Müsli waren wieder meine Arztrechnungen dran.
Mittlerweile drullern auch ein paar Rückerstattungen auf meinem Konto ein.
Somit kann ich mir die Neulasta-Spritze (ihr erinnert euch: das 1700 Euro-Ding) im zweiten Zyklus wieder leisten. Meine Leukozyten werden es mir danken.
Ich wollte heute eigentlich nach Mannheim fahren zu einem Patienten-Treffen mit Arztvortrag. Irgenwie hab ich das heute nicht auf die Reihe bekommen. Ein leckeres Mittagsmahl (Kartoffelpuffer mit Lachs und Spargel) machte mich kurzzeitig zu einem Phlegmatiker. Diese Rolle legte ich aber dann relativ schnell wieder ab. Bald stapfte Schnuri, der Wandersmann, doch noch durch den schönen Pfälzer Wald.
Leute, wenn ihr keine Gelegenheit bis jetzt hattet, dieses Dörfchen aufzusuchen, macht das bitte umgehend. Oh, wie schön ist Elmstein! (liegt zwischen Neustadt und Johanniskreuz).
Das Elmsteiner Tal, die Cinque Terre der Pfalz.
Bei einem Bäcker im Ort müsst ihr die winzigen kleinen Treppen hoch und fühlt euch bald wie in Italien.
Der Rundweg auf der Höhe des Waldgebietes bietet permanent eine fantastische Sicht über das ganze Tal. In einen wunderschön gelegenen Badeweiher kann man seine heißen Wandertreter sogar ein bisschen abkühlen. Für Bier und Tüte spreche ich speziell die Empfehlung aus, ein Teechen vom viel gesichteten Fingerhut zu köcheln. Da biste dann so richtig haustürenbreit und siehst 10 Meter große Gummibärchen auf dich zustampfen, mein Lieber.
Es gibt nichts Schöneres mehr für mich, als in der Natur unterwegs zu sein.
Na ja, Glatzegraulen, Armhäarchenzupfen von Prinzessin Uteb und ein Sieg bei Kniffel vielleicht noch. ;-)
Hier ein paar Bilder von meinem Trip de Elmstein.
Glücklich-erschöpft bin ich dann zuhause mitsamt den Wanderschuhen vornüber ins Bett gekippt und war sage und schreibe sechs Stunden im Reich der Roten-Beete unterwegs.
Oh Mann, sowas ist mir schon lange nicht mehr passiert. Habe den Abholungstermin von Ronny völlig versemmelt. Bin eigentlich in solchen Dingen sehr zuverlässig. Aber das Rote-Beete-Volk hat mich einfach nicht in die Real-Welt zurückgelassen. Die wollte unbedingt, dass ich ihnen ein paar Visualisierungstricks zeige. Sorry Ronny! Ich koch dir morgen eine Hafer-Schleim-Suppe, versprochen!
Im Wald hatte ich Zeit über so manches nachzudenken.
Das Thema Freundschaft hat mich hier wieder mal sehr beschäftigt.
Wahrscheinlich, weil ich auch gestern Post von einem "Ex-Freund" aus Kirgisien erhalten habe.
Freundschaft? Was ist das überhaupt? Was bedeutet Freundschaft für mich?
Ein römischer Philosoph und Lehrer schrieb einmal in seinen berühmten Briefen an einen Freund:
Freundschaft ist der Quell aus dem die Seele trinkt. Wahre Freundschaft stirbt niemals. Freundschaft ist eine Pflanze und braucht ständig Wasser und Sonne, um zu gedeihen.
Was wäre ich ohne meine Freunde. Meine Ursprungsfamilie ist ein Trümmerhaufen. Nein, nicht ganz, ich habe einen Bruder und eine Nichte, von denen ich weiß, dass sie oft an mich denken.
Ohne Freunde bin ich ein nichts. Ohne Freunde wüde ich meinen Krebs nicht überleben, das ist gewiss!
Aber ab wann darf sich jemand als Freund überhaupt bezeichnen?
Wann darf man sagen, dieser oder jener ist mein Freund?
Ja, wahres tiefes Interesse muss da gegeben sein. Interesse, den anderen verstehen zu wollen. Die Perspektive zu wechseln, sollte nicht nur als Wunsch vorhanden sein. Freunschaft ist, sich in einem ständigen Austausch von Fragen und Antworten zu befinden. Das Gefühl zu haben, es fehlt etwas, wenn dieser Austausch für eine gewisse Zeit abhanden kommt.
Ein Freund ist nicht Ich-zentriert, spricht nicht andauern vom Ich, sondern hat das Du im Sinn; kreist nicht permanent um seine Geschichten, sondern hört wach und konzentriert zu und stellt Fragen. Fragen, Fragen, Fragen. Ein Freund muss kein Mitleid zeigen, aber Mitgefühl, Anteilnahme. Ein Freund nimmt sich zurück, stellt seine Person erstmal in den Hintergrund. Ein Freund darf sein, wie er ist, darf sagen, was ihn bewegt, darf Fehler begehen, die sonst keiner macht. Warum? Weil er den Status des Freundes erlangt hat. Da gibt es kein zurück.
Ein Freund lässt alles stehen und liegen, nur um einfach da zu sein. Das Wissen um diesen Umstand, gibt einem die Kraft, die man benötigt, um alle Unwegbarkeiten zu überwinden. Freundschaft ist vielleicht stärker als Liebe. Liebe braucht die Bedingung, die Erwartung. Freundschaft existiert unabhängig von all dem.
Wenn man sie nicht geben kann, und selbst nicht in der Lage ist, Freundschaft zu erkennen, dann ist sie eben nicht vorhanden. Dann ist sie nur eine x-belibige oberflächliche Begegnung mit der Intention der gegenseitigen Bespaßung.
Wenn man nicht fähig dazu war, über Jahre hinweg Freundschaften zu bewahren, dann wird man auch niemals fähig sein, ein wahrer Freund zu sein.
Und wenn man niemandem Feund sein kann, dann fehlen einem wichtige soziale Kompetenzen. Dann wird man immer als einsamer Wolf ohne die Geborgeheit des Rudels umherstreunen.
Einem Freund kann man immer verzeihen. Bei einem Ex-Freund ist das umso schwerer. Er war viellleicht nie ein wahrer Freund.
Gibt es etwas Beglückenderes, als einen Menschen zu kennen mit dem man sprechen kann wie mit sich selbst? Könnte man höchstes Glück und tiefstes Unglück ertragen, hätte man niemanden, der daran teilnimmt? Freundschaft ist vor allem Anteilnahme und Mitgefühl!
Marcus Tullius Cicero
Liebe Freundinnen und Freunde, ich danke euch, dass ihr mich ausgesucht habt, euer Freund zu sein! Liebe Ex-Freunde, arbeitet an euch!
Tag 22, Donnerstag, 09.06.2011
Puuuhh...da habe ich ja heute durch mein Geschreibsel gestern regelrecht für Aufruhr gesorgt. Nein, nein, es sind bestimmt nicht die Pillen, die mich dazu veranlassen, das alles so und nicht anders niederzuschreiben. Es soll doch einfach eine Auseinandersetzung mit der Welt sein, in einem Zustand der Ausnahme. Ich hege bestimmt nicht den Anspruch auf Weisheit. Ich lasse mich auch gern eines Besseren belehren. Und selbstverständlich stecke auch ich voller Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten. Aber bitte, um nochmal auf das Thema Freundschaft und Liebe zurückzukommen. Ganz kurz, und dann ist auch gut. Natürlich wäre ich der erste, der den Samen der bedingungslosen Liebe in die Welt pflanzen würde. Alle die, die diesen Aufschrei getätigt haben „Hey Schnur, Liebe ist bedingungslos und viel stärker als jede Freundschaft“, sollen mal die Realität überprüfen. Meine Erfahrung in den zurückliegenden 42 Lebensjahren ist das nicht. Eine Mutter liebt vielleicht ihr Kind bedingungslos, aber auch das haut oft nicht immer hin. Bedingungen und Erwartungen sind immer im Spiel. Da kann man noch so viel Peter Lauster lesen. Ich liebe dich, wie du es möchtest, wenn du mich auch so liebst, wie ich es will: das ist die Realität, meine Herrschaften. Grabenkämpfe wohin das Auge reicht. Die Bedingungslosigkeit innerhalb der Freundschaft ist anscheinend viel leichter zu leben. Warum das so ist, da muss ich noch ein bisschen drüber grübeln. Und außerdem, könnt ihr euch noch an Harry und Sally erinnern? Tja, wäre mal wieder Zeit, euch diesen wunderbaren Film zu Gemüte zu führen. Vielleicht habe ich ja endlich meine Sally gefunden, die mit mir den Pfad der bedingungslosen Liebe geht. Wer weiß? Mich bedingungslos zu lieben, das ist eine echte Herausforderung, kann ich euch sagen. Da muss man schon eine Engelsgeduld aufbringen. Nur Loki und Helmut haben es hinbekommen. Jetzt fragt euch mal warum? Na? Eben! Weil sie sich nicht nur geliebt haben, sondern auch die besten Freunde waren. Wir sind irgendwie alle am experimentieren, ob wir das auch so auf die Reihe bekommen wie die zwei. Jeden Tag. Wir sind unsere eigenen Liebes-Laborratten sozusagen. ;-) Ihr dürft euch freuen. Es gibt noch so zentrale Themen wie Tod, Glück, Sinn, Stuhlgang...Da kommt noch einiges auf euch zu. Das große Thema der Sexualität spare ich natürlich aus. Wer weiß, wer hier alles meinen Blog liest. Womöglich meine Mama. Ne, ne, das wäre mir dann doch zu peinlich. Aber haut mir ruhig eure Einwände um die Ohren. Das macht Spaß! Und lasst ruhig die anderen Teil haben, an euren Gedanken. Wir könnten ja zusammen ein Tafelbild kreieren. Oder sollen wir doch lieber einen virtuellen Stuhlkreis bilden und uns Wollknäul zuwerfen?
Nun zum heutigen Tag. Wie immer habe ich so zwischen 5 und 7 Rechnungen in der Post vorgefunden. Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit mehr für diese relaxte Schreiberei hier. Habe heute 248 Euro ausgegeben, für 3 Medikamente, einen Rollo und zwei Kisten Wasser. Also langsam könnte ich eine Geldpresse brauchen. Meine Krankenkasse rückt die Kohle immer recht spät raus. Ständig machen die einen auf Siebenschläfer. Morgen blase ich denen mal so richtig den Marsch. Mist, mit Krankenkasse wechseln kann ich denen gar nicht mehr drohen. Mich nimmt nicht mal mehr die Allianz AG, so vermatscht, eineiig und tumorverseucht wie ich bin. Hmmm... mit was könnte ich noch so drohen? Au ja, ich lauf bei denen im Haus amok und zwing den Vorstandsvorsitzenden alle meine Pillen auf einmal zu schlucken, wenn sie nicht unverzüglich meine Konten ausgleichen. Und ein Fliwatüt, das mich nach Neuseeland ausfliegt, sollen die mir auch gleich noch bereitstellen. Jemand Lust, bei dem Coup schmiere zu stehen? Okay, dann halt nicht. Feiglinge! Was hab ich denn noch so gemacht? Irgendwie nix Sinnvolles. Ach ja, Getränke geholt. Ne Mama hat ihrer kleinen Tochter, vielleicht 7, beim Hinausgehen voll eine in die Fresse gehauen. Das zum Thema „bedingungslose Liebe“ von Müttern. Leider konnte ich die Verfolgung nicht aufnehmen. War mit zwei Sprudelkästen bissel problematisch. Als ich draußen gekuckt habe, war sie schon verschwunden. Wahrscheinlich hat der tätowierte besoffene Papa schon am Steuer von einem Opel Manta gewartet. Kinder hauen, das geht gar nicht. Blöde Väter und Mütter schon. Larry kam um sechs heute Abend.
Gegenseitige Freundschaftspflege war angesagt. Eine eher spontane Eingebung (Magenknurren) hat uns veranlasst, die Burweiler Mühle aufzusuchen und uns so richtig den Bauch mit gegrilltem Zanderfilet vollzuschlagen. Gott, war das lecker. Leider wurden unsere tiefgründigen Gespräche durch eine völlig alkoholisierte und infantile Rentnergang gestört. Deren Niveau, kann ich mit einem einzigen Witz verdeutlichen. Fragt der Patient den Arzt: Her Doctor, kann ich in Durchfall baden? Doktor: Wenn sie die Wanne voll kriegen. Total witzig, oder? Mann, die waren vielleicht drauf. Aber wir haben es uns trotzdem schmecken und uns die gute Laune nicht verderben lassen. Ein kleiner Verdauungsspaziergang nach dem Mahl, musste in dieser tollen Gegend um die Mühle natürlich noch sein. Herrlich. Einfach herrlich. Und dann das absolute Highlight des Tages. Wir fühlten uns wie Gzimek und Sielmann auf Spritztour durch die Serengeti. Etwa 20 Meter vor uns überquerte eine Wildschweinfamilie den Waldweg. 6 oder 7 Frischlinge folgten Mama oder Papa. Uns war das zu heikel. So ne Begegnung mit nem Wildchwein-Vati, der seine Familie beschützen will, das könnte zu einigen ungewollten Operationen führen. Das war echt der Hit. Um unsere Nerven ein wenig zu beruhigen, gönnten wir uns noch zwei Mega-Duplo-Becher bei Eiscafe Zandonella in Landau.
Schön war's mal wieder mit dir, lieber Larry!