Auf der Mitte der Welt

Oft hat mir Nicole von Mitad del Mundo erzählt. Fasziniert habe ich immer ihre Geschichten von dort gelauscht. Wie ein interessierter Erdkundeschüler. Aber nun vor Ort zu sein, auf dem Breitengrad 0 zu stehen und selbst die von Nicole beschriebenen Experimente durchzuführen, erfüllt mich mit wahnsinniger Freude. Beide staunten wir am meisten darüber, wie auf der Äquatorlinie das Wasser nach unten fließt und rechts und links davon es aber strudelförmig abfließt. Das Ei-Experiment, so oft gehört, misslang mir leider. Bin nicht geschaffen dafür, mit den Händen filigran zu arbeiten, wenn mir 15 Augenpaare dabei zusehen. Nicole hat dagegen routiniert das Ei-Diplom erhalten. In wenigen Sekunden stand es aufrecht. In unserer Gruppe war ein junges Paar aus Bonn, „theoretisch“, wie sie meinten. Diese Äußerung erweckte natürlich Neugier: Und praktisch? Schon mehrere Monate unterwegs. Job gekündigt, Hab und Gut verkauft, um jetzt als Backpacker die Welt zu erkunden. Das T-Shirt der Frau mit der Aufschrift „Weltenbummler“ wird da urplötzlich zu einem Statement. Unsere 5 Wochen verhalten sich dem gegenüber wie ein Kurzaufenthalt in einem Spa-Hotel. Man stellt sich unweigerlich Fragen: Würden wir so etwas in unserer aktuellen Situation auch wagen wollen? Hätten wir diesen Mut früher gerne auch aufgebracht? 1. Antwort: Nein! 2. Antwort: Definitiv ja!  Erklärungen für ein Nichthandeln gibt es immer: zu unreif, zu unerfahren, zu ängstlich, jung Vater geworden, Geldmangel usw. Ich bin kein Mensch, der sich mit Reue beschäftigt, aber wenn ich auf Reisen gehe, vor allem wenn ich mich in völlig fremden aufregenden Gefilden begebe, bereue ich es, es nicht schon früher viel mehr getan zu haben. Am meisten bereue ich, dass ich keine Fremdsprache fließend sprechen kann. Carpe diem? Von wegen. Unnütz verballert hat man zu oft die freie Zeit. 


Der englischsprachige Guide war prima. Sehr anschaulich erzählte er von der Herstellung von Schrumpfköpfen und Giftpfeilen. Es ist dann doch immer erstaunlich, wie viel Englisch man versteht. Die Gruppe war international. Asiaten, Norweger, Amerikaner hörten andächtig zu und lachten gemeinsam. Ein schönes Gefühl. Wenn man Tagesschau guckt, dann denkt man viel zu oft, das wird nix mehr mit den Menschen auf diesem herrlichen Planeten. Man schämt sich regelrecht für seine Spezies. Dies kommt selbstverständlich auf Reisen auch vor, aber wird oft von schönen Momenten der Solidarität und Harmonie immer wieder abgelöst. Wenn ein asiatischer älterer Herr mit Baseballkappe vor Freude in die Hände klatscht, weil es einer Pfälzischen Badnerin gelingt, das Ei auf einem Nagel zum Stehen zu bringen, dann denkt man: Alles könnte auf unserer Welt so verdammt einfach und schön sein.  Ist es aber nicht. Das haben ja schon die Fanta Vier erkannt und besungen. 


Der Abschied vom Mittelpunkt  der Erde fiel schwer. Vorbei! Schade! Aber nun kann ich Geschichten von dort endlich verstehen und „auch“ erzählen. 


Ein kleiner Nachtrag: Stichwort Fehler. Ich hasse Fehler, ganz besonders meine eigenen, wenn ich für sie etwas kann. Die erzieherische Unfähigkeit von Eltern und Lehrern im Umgang mit Fehlern wirken bis ins späte Erwachsenenalter hinein. Das sollte uns immer bewusst sein. Meine Eltern haben mir meine Fehler immer unter die Nase gerieben. Motivieren, bestärken, das war ihnen fremd.  Fehler können natürlich schlimme Folgen haben, tödlich enden, diese gilt es unbedingt zu vermeiden. Ausmerzen wird man sie nie können. Fehler können am Ende aber auch schöne Begebenheiten nach sich ziehen. Ins noch viel bessere Lokal führen z.B., wenn man sich mit der Sehenswürdigkeit vertan hat. Einen selbst, aber auch die Menschheit können sie weiter bringen und sogar etwas Ästhetisches beinhalten. Kann ein Fehler tatsächlich schön sein? Absolut! Das wunderbare Monument von Mitad del Mundo ist an der falschen Stelle errichtet worden. Man hat sich um 240 Meter vermessen! 




Kommentar schreiben

Kommentare: 0