Quito - mucho y muy poco

Zwei Tage Quito - was für eine Stadt. Ein richtiges Bild bekommt man da erst, wenn man mit dem Taxi, samt „hüpfendem“ blindem Passagier quer durch die Metropole fährt.  Alles viel, viel zu viel. Vor allem der Verkehr. Man fühlt sich wie in einem Fahrgeschäft  in einem Vergnügungspark.  Kurz bevor das Boxauto auf den Vordermann boxt, reißt man den Lenker herum. Aber das Kruzifix, hängend in der Fahrerkabine, ist ja immer dabei. Kann doch nix schief gehen, oder? Die physikalischen Kräfte scheinen im südamerikanischen Verkehr außer Kraft gesetzt zu werden. Die Verkehrsregeln sowieso. Jeder Mitarbeiter auf einer deutschen Bußgeldstelle wäre hier im Paradies, stünde aber schnell vor einem Burnout, müsste er für alle Verstöße Strafzettel versenden. 


Aus dem Salsa sprudelnden Taxi dieses bunte laute Treiben der Menschen zu verfolgen, war spannender wie jeder Tatort. Wie kann man bloß in so einem Schmelztiegel leben?  In den Gesichtern sieht man viel Kampf. Trotzdem wird gelacht, gesungen, getanzt - und gegrillt. Überall raucht, dampft und schallt es. Und man verkauft, alles und überall. Nirgends ein Fleckchen, wo nichts feilgeboten wird. Noch nie hatte ich die Worte „nichts“ und „viel“ parallel so oft im Kopf wie hier an diesem Ort. Die meisten Menschen haben nichts, verdienen aber mit nichts etwas mehr dazu. Und haben dennoch viel. Ihr Herz, Respekt und ihre Gastfreundschaft.   Man braucht hier 10000 Kilometer von Zuhause  entfernt, keine Angst haben, keine Hilfe zu erhalten. Wir Touristen zumindest nicht. Etwas Schreckliches wird das Schöne in der Erinnerung an diese Stadt wahrscheinlich leider verdrängen. Der verkrümmt an der Häuserwand liegende Mann. Halb verdeckt durch eine Wolldecke. Auch das Gesicht halb bedeckt. Ein Bein, das kein vollständiges Bein mehr war, lugte unter der Decke hervor. Er rührte sich nicht. Kein Millimeter. Alle liefen vorbei, auch wir. Erst danach bekamen wir ein schlechtes Gewissen und fragten uns, warum wir nicht nach ihm geschaut haben. Was bremste uns da aus? Eigentlich sind wir beide in solchen Fällen keine Ignoranten. Beide hatten wir aber den Impuls, nicht eingreifen zu wollen.  Nicht eine Sache von uns Touristen, redeten wir uns ein. Das Schöne lenkte uns schnell ab und schob die düsteren Gedanken beiseite. Antrainierte Routine! 


Das Schöne I: Die Basilika von Quito und dessen Erklimmen auf Leitern und Wendeltreppen hoch auf verschiedene Türme. Hatte etwas vom Glöckner von Notre-Dame.  Esmeralda Schnur hoch oben über Quito! 


Das Schöne II: Die grandiose Aussicht von der Jungfrau auf dem Panecillo-Hügel, dem Wahrzeichen von Quito. Auf der Aussichtsplattform bekam man erst einen Eindruck von der Größe und der Lage der Stadt. Umgeben von Vulkanen, fast 6000 Meter hoch. Die Sicht auf den schneebedeckten Cayambe einzigartig. Man staunt - immerzu.  Das reicht doch jetzt heute aber mal. Aber nein! Weiter wird die Aussicht  im Pim‘s, ein spektakuläres Restaurant in der Nähe der Jungfrau genossen. Man will einfach nur noch dasitzen, essen, trinken und glotzen. Nicole meinte, die Tage, hat sie ein Gefühl der Dankbarkeit empfunden. So ging es mir der Gabel im Mund, dem Blick auf Cayambe und dem Wolldecken-Mann im Kopf auch.  Und es ist erst der 3. Tag von 5 Wochen Ecuador. 



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