Wannenproblemgespräche

Problemgespräche am Rande der Badewanne und in der Badewanne finden in unserer Ehe nicht statt. Meine Mama hatte die Angewohnheit, mir auf der Wanne sitzend, während ich ein Bad nahm, ins  Gewissen zu reden. So war sie sicher, dass ich nicht einfach ging, wenn es mir zu viel wurde. Themen waren immer die gleichen: zu wenig Verantwortungsgefühl, falsche Liebschaften, die mir nicht guttaten, zu viel Alkohol, zu große Distanz, zu wenig Liebe. Dabei übersah sie in ihrem Zustand des Selbstmitleids, dass in fast jedem Bereich das Gegenteil der Fall war: Ich ließ den Kummer und die Krankheit meiner Mutter viel zu nah an mich ran. Es war der reine Überlebensmechanismus eines Heranwachsenden, auf Abstand zu gehen. Ich musste mich regelrecht dazu zwingen, sonst hätte mich meine Mama mit in den Abgrund gerissen. In der ZEIT oder in der Süddeutschen las ich vor Kurzem Sätze, die Eltern niemals zu ihren Kindern sagen sollten. Meine Mama hat sie gefühlt ALLE gesagt. Der schlimmste aller Sätze: Hätte ich euch bloß alle ertränkt. Im ersten Moment ist man erschrocken. Reagiert so, als hätte man sich gerade nur verhört. Weil dieser grauenhafte Satz dann aber ständig fällt, nimmt man ihn nicht mehr ernst. Leider hatte er sich trotzdem in Zwischenzeit tief in die Kinderseele graben können. Meine Mama hat mich geliebt, uns geliebt, da bin ich mir sehr sicher, irgendwann konnte sie es nur nicht mehr zeigen. Der „schwarze Hund“ hatte sie fest im Griff. Eins von vielen Dingen, das ich mir nach dem Tod meiner geliebten „Mami“ schwor, war, dass ich Problemgespräche in und auf der Wanne niemals mehr zulassen werde. Zu lange Augenbrauenhaare wegschnippeln lassen, ist aber völlig in Ordnung. 

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