…und es gibt sie doch noch!


Deutsche Medizinserien, die einen aufwühlen, die besonders sind. Natürlich mit einem großen Klecks Klischee, mit Herzschmerzliebesgedöns und mit der Weigerung, die Welt und ihre Bewohner nicht ganz so kaputt darzustellen wie sie sind, sondern eher sympathisch. Eine Serie also, die man zurzeit dringend benötigt. Sie ist besonders, weil das Drehbuch ganz wunderbar ist. Es viele schlaue Sätze gibt. Liebenswerte skurrile Figuren. Einzigartige Verbindungen und Begegnungen. Einer sticht aber aus dem Pulk der sonderbaren Liebenswerten hervor: die titelgebende melancholische Hauptfigur. Ich habe in der letzten Zeit keinen Schauspieler gesehen, der so gekonnt seine Augen einsetzt. Das ganze  unberechenbare Leben scheint sich dort widerzuspiegeln. Oder kleine Gesten streut, die zeigen wie unbeholfen der Mensch doch manchmal agiert, er aber auch viel Vertrauen durch diese Unbeholfenheit beim Gegenüber gewinnen kann. DOKTOR BALLOUZ, ein Arzt, von dem man gern behandelt werden will und mit dem man gern mal ein Bier trinken gehen möchte, um ihm sein Herz auszuschütten. Was macht eine Serie sehenswert? Wenn Szenen darin vorkommen, die im Kopf nachhallen, die einen mitnehmen, berühren, aufwühlen. Die hin und wieder mit der eigenen Geschichte zu tun haben. Die einem Hoffnung im Hoffnungslosen gibt. Ballouz führt mit einem 11-jährigen Jungen, der bald sterben wird, ein Gespräch. Wie aus einem Lehrbuch. Man sieht dem Arzt seine Traurigkeit, sein Mitfühlen, seine emotionale Überforderung an. Gleichzeitig wirkt er mit allem was er intellektuell zur Verfügung hat unendlich professionell. Er lässt gleichzeitig das Herz UND den Verstand sprechen. Wirkt authentisch, nichts ist antrainiert oder gekünstelt. Diese Balance zwischen Emotionen und Professionalität ist die hohe Kunst der Kommunikation.  Das ist das Endlevel. Das beherrschen leider nicht so viele Menschen. Da muss man auch gar nicht böse darüber sein. Ich kann ja von mir auch nicht plötzlich verlangen, dass ich im 10. Grad klettere. Da werde ich niemals hinkommen, so viel ich auch trainiere. Und so ist es wohl auch mit der menschlichen Kommunikation und der Interaktion. Ballouz bemerkt, dass der Junge nicht mehr kämpfen will, sondern nur noch schlafen. Er möchte in seine Traumwelt zurück, in der ein liebes Mädchen an einer Bushaltestelle auf ihn wartet. Gegen das Unausweichliche kämpft er die ganze Zeit nur für seine Mama an. Er erträgt es nicht, sie traurig zu sehen. Auf seine überarbeitete Wunschliste schreibt er am Ende das Wort „Einschlafen“. Der Schmerz der Mutter über die Erkenntnis, „ihr Baby“, endlich loslassen zu müssen, ist kaum zu ertragen. Es sind solche Szenen, die einen ins Mark treffen und wieder das Menschsein etwas mehr bewusst machen. 


Nicht nur Ärzte mit Herz und Verstand braucht das Land, sondern auch Politiker*innen. In der Vergangenheit zweifelte man eher daran, ob es solche politischen Entscheider*innen überhaupt noch gibt. Keine Panik, es gibt sie: Politiker*innen, die Menschen sind. Die nicht um den heißen Brei sondern Tacheles reden. Die sich um das Protokoll einen Teufel scheren. (Siehe Baerbock in Mali!) Deren Gesichter leben. Die Empathie und Ablehnung offen zeigen. Voller Humor und Lebensfreude sind, obwohl es nichts zu lachen gibt. Habeck und Baerbock: Ich hoffe sehr, sie werden in den nächsten Jahren die Schlüsselfiguren in der deutschen Politik sein. Sie überzeugen. Auch politisch. Ich muss gestehen, Annalena habe ich unterschätzt. Wer hätte das gedacht, dass das „junge Huhn“ irgendwann mal sogar von der Opposition gelobt wird. Habeck. Ich war ein Fan und bin es immer noch. Habeck oder Scholz? Habeck oder Merz? Habeck oder Lindner? Muss man nicht groß überlegen, oder? Ich glaube, an den Personal-Präferenzen, kann man auch den Blickwinkel des Wählers auf die Welt erkennen. Um so sonderbarer erscheint es, dass Storch und Weidel bei dem Otto-Normal-AfD-Wähler so beliebt sind. 


Wir können nichts anderes tun, als hoffen, dass sich alles doch noch zum Guten wendet. Natürlich mit einer erheblichen Portion Eigeninitiative. Hoffen alleine reicht leider nicht. Ich stehe dabei auch auf Emotionen. Die Teilnehmer der Wannsee-Konferenz waren alle emotionslos. Buchhalter des Todes. Die Endlösung als statistisches Ziel. Wer nicht weinen, lachen oder wütend sein kann, stellt mittelfristig eine Gefahr dar. Wenn nicht für andere, dann für sich selbst. Wer immer nur ein funktionierendes System im Auge hat, der scheitert. Der wird niemals die Herzen der Menschen erobern. 

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