München im Frühling wäre uns bedeutend lieber gewesen als München im Winter. Jesus war das schweinekalt und schmuddelig. Der Schnee überall war trotzdem schön anzuschauen. Für einen Moment gaukelt er einem eine heile Welt vor. Der Shoppingseele wurde keinen Wunsch verwehrt. Handtaschen für 5000 Euro oder 50. Uhren für 26000 Euro oder 2,60. ich glaube, so lange für Allerweltsprodukte tausende Euros ausgegeben werden können, wird diese Welt nie heilen. Das Klima schon zweimal nicht. Obdachlose, die dick eingemummelt in der Gegend rumliegen und selbst gemalte Pappschilder mit der Aufschrift „Ich habe Hunger“ in die Höhe strecken, dienen als Orientierungspunkte, weil sich die Einkaustempel nicht voneinander unterscheiden lassen. Kreaturen ohne Beine robben einem auf ihre Stümpfen entgegen und versauen einem mit ihrer Bettelei nicht den schönen Ausflug. Man gewöhnt sich an alles. Auch an Krieg. Wie vermutet, standen wir in der Metropole plötzlich irgendwann in einer Demo - unserer ersten gemeinsamen - gegen das Sterben in Mariupol. Ein gutes Gefühl, ein Demonstrant zu sein. Sollte man öfter machen. Demonstrieren zur Beruhigung! Man hätte gern die ukrainische Nationalhymne
mitgrölen wollen. Man hätte gern geschrien „Putin, du aufgeschwemmtes debiles Arschloch, fick dich! Putin, selbst Nazi!“ Hier, in unserem demokratischen Land darf man das ja. Wir lassen das ukrainische Volk nicht alleine - und lassen es doch alleine. Nun schon 38 Tage lang. Man nimmt Anteil, man tut was man kann, aber mehr auch nicht. Den Wohlstand, den eigenen Status Quo möchte man nicht gefährdet sehen. Ein Cappuccino für 6 Euro muss bezahlbar bleiben. Wir befinden uns im Circus Maximus und schauen bei Bratwurst und Bier zu, wer beim Abschlachten die Oberhand hat. Daumen hoch für den tapferen ukrainischen Gladiator. Er hat sich die Freiheit redlich verdient. Leute, die Welt is sowas von im Arsch. Das war sie schon immer. Ja, Liebe gewinnt! Nur für wie lange. Wie lange hält sie vor? Wie lange betäubt sie den Wolf? Trotz Liebe verharren Kinder seit Wochen in Kellern, dürfen nur fünf Minuten ans Tageslicht. Leiden, sterben einen völlig sinnlosen Tod. Unschuldig von den Erwachsenen massakriert. Nur eins ist anders: Wir können jetzt live dabei zusehen. Zur besten Sendezeit! In der ersten Reihe! Sind wir nicht mittlerweile alle Träger eines roten Schlüsselanhängers. Ich frage mich, hätte die Welt früher eingegriffen, wenn es eine Liveschalte aus den KZs gegeben hätte?
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