Die inneren Rolex

Da liest man Mitten in der Nacht (oder ist 03.37 Uhr schon der frühe Morgen?) einen Artikel im Spiegel über die innere Uhren der Zellen. Die Zellen, mit ihren unterschiedlichsten Aufgaben, haben auch verschiedene innere Rolex-Uhren. Man liest voller Entsetzen, dass das was man gerade tut ziemlich schädlich für den Körper ist; es nämlich den elementaren Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen durcheinander bringt. Dass man im Prinzip zum Schichtarbeiter mutiert ist, ohne das man es merkt. Und es viele Studien gibt, die eindeutig belegen, wie das Ungeregelte krank macht. Nachts braucht der menschliche Organismus vollständige Dunkelheit, Auf keinen Fall das Licht eines Smartphones. Es werden Stoffe produziert, die nicht produziert werden sollen und es wird die Produktion von Stoffen gehemmt, die wir für ein gesundes Gleichgewicht unbedingt benötigen. Na klasse, da bekommt man nachts unaufgefordert noch eine große Portion schlechtes Gewissen um die Ohren gehauen. Direkt aus dem taghell erleuchtenden Smartphone. Stichwort Portion. Auch bei der Nahrungsaufnahme spielt die innere Uhr eine signifikante Rolle. So wie ich es die letzten 3 Wochen hier in der Klinik praktiziert habe, bedeutet das mein sicheres Verscheiden.  Dauergemampfe führt schlichtweg zu allen Krankheitsbildern unserer Milchstraße. Jedes bunte vegane Weingummi, das ich mir ohne vorhandenen Essensrhythmus mit einem Salto Mortale reinschmeiße, erhöht die Gefahr, dass ich demnächst nur Wortfetzen stammle oder spontan röchelnd vom Leihrad falle. Und was hab ich gestern nach meiner grandiosen 30-km-Fahrradtour gemacht: 2 Packungen Weingummis und Schokolade im Edeka gekauft. Icke der Blödmann, hat mich wieder so lange bequatscht bis ich schließlich nachgegeben habe. Dr. Wirrkopf will, dass ich gesund werde, macht aber alles dafür, dass ich die Reha nicht überlebe, weil die mangelnde Beschäftigung uns zum Dauerfressen animiert. Idee: Ich verklage Doctore auf Schadensersatz! Eine Million mindestens. Also, was nehme ich aus dem Artikel für die nächste Zeit mit: das Handy nachts im Klo einsperren, den Schlafraum verdunkeln wie in Guantanamo. Vor dem Frühstück mit 2536 sit-ups die angefressenen Kalorien der letzten 52 Jahre verbrennen, nicht vor 08.30 Uhr in die Schule gehen und bis 12.00 Uhr nix futtern. Dann laufen die Uhren wieder richtig und ich werde 125. 


Für die innere Taktung war gestern ein Fahrradabstecher nach Übersee absolut zielführend. Als ob die Uhr für ein paar Stunden angehalten wurde, um wieder im Fluss der Zeit zu laufen. Mein Ziel war eine Strandbar direkt am See. Ich wollte schon aufgeben und in einem Nobelrestaurant einkehren. Mir ist ja wenig peinlich, aber als ich an mir herunter geschaut habe, war mir klar, dass ich die vielen Yachtbesitzer mit meinem Anblick nicht aus der Fassung bringen darf. Die richtige Entscheidung, denn ein paar Meter weiter war tatsächlich die wunderbare Bar am Strand. Als ich davor stand, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich ja mal hätte recherchieren können, ob das Ding überhaupt auf hat. Der Chillmodus hier in der Reha, schraubt mein Organisationstalent auf ein Minimum. Doch das Glück bleibt auf meiner Seite. Ich stand am Tresen, umgeben von Palmen und konnte es kaum fassen, welch einen Schatz ich da wieder gefunden habe. Von alt bis jung, von reich bis arm, alles hier am Start. Aber nicht überlaufen. Man wünschte sich, sich nakt auszuziehen, indianische Gesänge in den Himmel zu brüllen, auf einer Trommel rumzuhauen und an einer fetten Tüte zu ziehen. Der Wunsch überkam mich natürlich nur für eine Millisekunde. Bin ja schließlich nicht mehr der Jüngste. Und so naives Hippivolk geht mir eigentlich auch ehrlich gesagt auf meine einzige Nuss. Nur nackt trommeln, das fände ich schon extrem cool. Da schlägt mein Papi durch. Ich saß am Strand, vergrub meine heißen Füße im kühlen Sand, beobachtete und chillte was das Zeug hielt. Mir kam dabei in den Sinn, wie ich den Schulalltag wieder verkraften soll. Wie soll ich diesen sterilen Schulblock ertragen, die Hektik, das Gejammer, den Egoismus. Darauf habe ich keinen Bock mehr. Aber all das muss ich wieder hinnehmen und wie sagt man so schön: ins Positive wenden. Was ich will? Mit einem Fahrrad die Welt erkunden! Aber motorisiert. Und dann daraus mit Nicole zusammen ein Reisebuch verfassen. Nicole macht die Fotos und ich schreibe. Nicole, Icke und ich - arround the world. Mit der Schadenersatzzahlung vom Dr. Desaster wäre das durchaus möglich. Ja, das will ich. Alles andere ist mir pups. Zur Zeit. Kann sich ja immer alles schnell ändern. 


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