Reha Teil 3 - Tag 8. Na geht doch. Endlich ist mal was los hier. Wird ja auch Zeit. Alles Singular, Plural ist noch nicht frei gegeben. Infektionsgefahr zu groß. Somit werden meine Füße gebogen, mein Rücken geschrubbelt, meine Beine bestromt und mein Gesäß im Pool bewegt. Menschen sehe ich nur im Speisesaal oder auf den Fluren. Die meisten Sätze tausche ich mit Ärzten*innen oder Therapeuten*innen aus. Die ganze Konzentration gilt der Lendenwirbelsäule und dem wick-vaporub-Döschen. Meine Stimme ist zurück. Na ja, so halbwegs. Nur hin und wieder rutscht sie noch weg. Als wenn man ein Glas auf dem Kopf balanciert und es dann irgendwann doch runter saust und zerspringt. Vielleicht liegt die stimmliche Verbesserung am Wenigreden und eben an dem kiloweisen Klibberzeuch, das ich mir auf die Brust schmiere. Bin ich froh: Wenn beruflich alle Stricke reißen, kann ich wieder mit Telefonsex meine Kohle verdienen. Als krächzende Krähe wäre die Zielvorgabe wohl niemals erreicht worden. „Ich fass dich jetzt an, Baby *krächz*, *krächz*! Wenn ich es recht überlege, ist mein Dauerhusten gerade auch nicht der erotische Burner. „Ich fass dich an, *hust*, *hust*! Apropos Erotik. Der Typ von der Fußreflexzonenmassage ist erotisch gesehen so gar nicht mein Fall. Wenn Francesca aus Therapiezentrum 2 meine Hühneraugen kneten würde, hätte ich da einiges mehr davon. Oder auch nicht. Ich spüre unten so gut wie nix. Also an den Füßen. Der Anti-Erotik-Typ, der aussieht, als wäre er jahrelang in einer leeren kalten Turnhalle ohne Fenster vergessen worden, jagt mir sein Kuli mit Inbrunst in die Reflexzonen und fragt ständig irritiert: Geht‘s auch Herr Schnur? Jo, klar! Was soll denn nicht gehen? Meine Füße scheinen von der Chemotherapie verstümmelt worden zu sein. Ich schätze, ich könnte meine Latschen auf die Brotschneidemaschine legen und ich würde nix merken. Eine Zone wird aber durch den Kuli extremst aktiviert: das Aperol-Spritz-Areal. Nach der Behandlung gelüstet es mich immer nach dem Gesöff. Das ich natürlich nicht trinken darf, weil die Fuß-Leber-Zone ebenso durch den Kuli aktiviert wurde. Wenn ich mich danach zuschütten würde, hätte meine Leber gewaltige Panikattacken, so das Bleichgesicht. Total ödes Wasser muss als Ersatz herhalten. Und ein Nickerchen.
Nun bin ich wieder mobil. Tele-Sexboy ist die eine Jobalternative, die andere Fahrradverleiher. Im nächsten Leben gründe ich ein Fahrradverleih-Imperium. Verdrecktes Trekkingrad aufgeschlossen, hingeschoben und Vertrag geschrieben - Zack, reich wie ein Oligarch! Der Fahrrad-Chef war mehrere Jahrzehnte jenseits des Rentenalters. Ihm scheint es einfach immer noch Spaß zu machen, Geld zu scheffeln. Er holte tatsächlich einen Lumpen hervor, der noch verdreckter war als er und das Fahrrad selbst. Statt den Dreck weg zu wischen, verteilte er ihn. Egal, es fährt. Dann muss ich mir wenigstens auch keine Sorgen machen, wenn ich durch eine Pfütze radle.
Oh je kein Helm! Das gibt Ärger. Die Schmach, zusätzlich noch einen Fahrradhelm zu leihen, hätte ich nicht ertragen. Ich fahre ganz vorsichtig - ohne einen Schluck Aperol - versprochen!
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