Reha Teil 1, Tag 1 bis 3. Alles ist wunderbar: Wetter, Natur, Ferienwohnung. So wunderbar und voll, dass ich die letzten Tage keinen Nerv hatte, etwas zu schreiben. Prien am Chiemsee als Rehaort war die beste Wahl. Meine desolate Fitness, die Atemprobleme und mein durchlöcherter Körper (O-Ton Nicole: Du siehst echt krass aus) kann ich gut ignorieren. Ignorieren können wir aber nicht diese furchtbaren Berichte im Fernsehen. Manchmal denke ich, heute machen wir nicht an und gucken auch nicht auf Spiegel online oder SZ. Das geht aber nicht. Dann fühlt man sich noch mehr als Verräter dem ukrainischen Volk gegenüber. Spaß, Freude? Auch Verrat. Alles Verrat. Einen auf Hemingway machen, das wäre das Richtige. Die Büchse einpacken und ab an die Front gegen diesen faschistoiden Schwabbelarsch. Aber als Pazifist ist das jetzt auch nicht so unbedingt die beste Lösung. Warum lassen Väter ihre Familie zurück und ziehen in einen Krieg, den sie nicht gewinnen können? Warum gehen nicht alle einfach mit erhobenen Händen auf die Straße und rufen, leck mich Schwabbelbacke. Ganz im Sinne von Mahatma Gandhi. Putin wird nicht glücklich werden mit seiner Eroberung. Er wird bis zu seinem Lebensende eine geächtete Person sein, Russland wird auf ewig ein geächtetes Land sein. So werden die Ukrainerinnen ein Leben ohne Männer führen müssen. 18 - 60-Jährige sollen kämpfen. Auch wenn man nicht will oder nicht kann. Ich könnte nicht. Ich könnte keine Waffe auf einen Menschen richten. Auf der anderen Seite sind auch Väter, Brüder, Söhne. Ich würde gehen, dahin wo Frieden herrscht. In die Chiemgauer Alpen zum Beispiel. Geschissen auf Heimat. Ich kann überall leben. Ich kann überall lieben. Ich finde es nicht richtig, wenn ein Präsident seine Leute zum lebensgefährlichen Widerstand aufruft. Jeder sollte selbst entscheiden können, ob er Widerstand leisten will. Dass Selenskyj hier zu einem Helden hoch stilisiert wird, ist ein Indiz dafür, welchen irren Blick wir auf diese durchgeknallte Welt haben. Die Welt als einen realen Hollywoodschinken. Selenskyj als Stallone gegen eine unüberwindbare Übermacht. Am besten noch bei Popcorn und einem Kaltgetränk. Wir helfen der Ukraine militärisch nur nicht, weil das Land nicht in der Nato ist. Was für eine Farce! Es ist ein freier demokratischer souveräner Staat. So wie wir. Wenn deren Bürger*innen gegen Putin kämpfen sollen, dann müssten wir es selbst doch auch. Sie sind schließlich wir!
Da sitzt man in der Sonne, hat einen grandiosen Blick über die Berge und vergisst für einen Moment alles: das schwierige Atmen, die Stiche in der Brust und diesen katastrophalen irrsinnigen Krieg Mitten in Europa.
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