Rauchen tötet

In dem Anamnesebogen für die Reha steht gegen Ende die Frage: Haben Sie eine Vermutung, warum Sie erkrankt sind? Meine aufgrund des Platzmangels  kurze Antwort lautete: schwierige Frage - ziemlich ungesunde Lebensphasen, Stress - Pfeiffersche Drüsenfieber (?) 

Das Pfeiffersche Drüsenfieber soll ja für viele Folgeerkrankungen verantwortlich sein. Unter anderem MS - und eben auch das Hodgkin Lymphom. Ungesunde Lebensphasen - oh ja, die hatte ich. Jede Menge und das schon sehr früh. Bis 2004 rauchte ich. Die Trennung von der Mutter meiner Tochter änderte den Blick auf mich. Ich wollte ab jetzt alles anders machen und fing an zu laufen und schmiss die Zigaretten nach den ersten Runden in die Mülltonne. Joshua Fischer sprach in seinem Lauf-Buch vom „Bing Bang“. Ein großer Knall lässt dich häufig dein Leben auf den Kopf stellen und ist der Start in ein neues Ich-Bewusstsein. Hat wunderbar geklappt. Ziemlich lange. Ich wurde zum Vegetarier. Leider holte mich alles wieder ein. Ich fing kurzzeitig wieder an zu rauchen. Das sogar nach meiner ersten Chemotherapie vor 10 Jahren. Bescheuert! Das Trinken habe ich nie abgelegt. Umstieg auf guten bis sehr guten Wein. Selten mittelmäßigen. Vielleicht ist das ja ein wenig gesünder. Jetzt bin ich froh, dass ich seit 2014 an keinem Klimmstängel mehr gezogen habe. Rauchen finde ich nur noch eklig. Manchmal fasse ich es einfach nicht, dass ich das getan habe. Im Beisein von Anna. Überall! Warum macht man solche hirnrissigen Sachen? Man ist Vater und will cool sein. Coolness und Rebellion war häufig der Beweggrund für die unvernünftigen ungesunden Dinge des Lebens. Als wäre man nie über die Pubertät hinaus gekommen. Mit anschauen zu müssen, wie Anna angefangen hat zu paffen, war grausig. Sie, die mir immer die Sargnägel versteckt hat. Meine kleine süße Anna, ein Nikotinmonster. Es war die Höchststrafe für mich. Man will doch bei dem Zerstörungsprozess des eigenen Kindes nicht auch noch dabei zuschauen. Alles Mögliche habe ich mir überlegt, wie ich sie - spektakulär und nachhaltig - davon abringen könnte: Mieten eines Werbezeppelins mit der Aufschrift: Hör bitte auf! Heute! Dein Paps! Geld, Geschenke, Reisen, Briefe. Es gab keine Tabus. Im Kopf zumindest. Manchmal auch praktisch, aber nie abgeschickt. Ich wusste, nichts würde helfen. Sie muss es selbst wollen und spüren. Haben uns Moralpredigten jemals von irgend etwas abgehalten? Nun ist sie 14 Tage ohne. Und das in einer der stressigsten Phasen des Lebens: dem Studium. Ich könnte bei jeder nicht angezündeten Kippe laut Hurrrah schreien. Aufhören ohne mein Dazutun, einfach so - kann das wahr sein? Vielleicht muss man sich Dinge nur lange genug wünschen und erträumen, dann gehen sie auch in Erfüllung. Wenn sie es schafft, das Rauchen hinter sich zu lassen, werde ich noch stolzer sein, als beim Abschluss des Studiums. Wenn das denn überhaupt möglich ist. 

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