Fuxt mich das! Ossi, der alte Kettenraucher, schlägt mich immer im internen Blutdruck-Battle. Hab ich ihn da gerade tatsächlich grinsen sehen. Pfeift und blubbert wie ein Wasserkessel, überholt mich aber ohne Anstrengung auf dem Weg zum Röntgen. Hat ein Stechschritt drauf wie beim Kommiss. Oskar darf morgen nach Hause. Auf die Frage, was seine erste Amtshandlung denn zuhause sei, antwortet er: den Hund streicheln. Komme noch vor der Frau. Seien ja auch schon 58 Jahre verheiratet.
Ich bin zwar durchlöchert wie ein Schweizer Käse, das Durchschnaufen fällt mir schwer und ich hab die Kondition eines Sitzkissens, aber das grüne Licht für die Heimfahrt wurde mir ebenso erteilt. Wäre ja noch schöner! Brauchen die Betten. Die Omikron-Wand macht es erforderlich. Die Pharmazie wird’s daheim richten. Wenn ich mir vorstelle, wie die „Spaziergänger“ wegen einem kleinen Piks rumpiensen, dann kann ich nur lauthals lachen. Sie sollten mal Ossis und meine Tablettenbox in Augenschein nehmen. Auch da gewinnt der alte Mann wieder. Er 12, ich nur 9 Pillchen. Mein Urin stinkt wie nach einem Chemie-Unfall bei der BASF. Das wäre doch mal eine passende Strafe für die Impfverweigerer: einen halben Tag in Schnuris Klo Luftdicht eingesperrt. Die würden sich am Ende alles spritzen, da bin ich mir ziemlich sicher. Unten im Röntgen war die Hölle los. Sehr passendes Bild , nach den Kreaturen, dem Geröchel und das Geblubber zu urteilen. Überhaupt nicht langweilig nur da zu sitzen und zu beobachten. Es klingt sehr bedrohlich, wenn die Lungenkranken nach Sauerstoff ringen. Viele leere und trübe Blicke, vermischt mit noch mehr Angst. Ein trauriger menschlicher Cocktail. Ossi und ich wirken dagegen wie ein altes Comedypaar. Auch wenige gestylte Erstpatienten sind unter den Halbtoten. Stöckelschuhe, Hilfiger, goldenes Gebimmel und Gebammel. In ein paar Minuten/ Stunden/ Tagen dürfen sie das alles in eine Plastiktüte packen und werden durch die Gegend gerollert. Es gibt nichts Schlimmeres als seine Selbstbestimmung zu verlieren.
Es fällt mir auf, dass die meisten Pflegekräfte auch krank aussehen: blass, ausgemergelt, stumpfes, fettiges Haar. Wie Wesen, die schon länger kein Tageslicht, kein Obst und Gemüse mehr gesehen haben. Die Ärzte*innen sehen seltsamerweise etwas gesünder aus. Zufall?! Vielleicht sieht man einfach irgendwann auch krank aus, wenn man ständig mit Kranken arbeitet. In einer stressigen Pandemie sowieso. Meine OP-Narben sind wahre Kunstwerke der Nähkunst; die Lunge ist frei, nur der Schleim in den Bronchien werde ich nicht so schnell los werden. Das kann sogar Wochen dauern, sagt der Prof. Scheint wohl normal nach so einer OP. Der histologische Befund wird dann zeigen, wann man an den rechten Schilddrüsenlappen gehen muss. Er ist nicht so sehr befallen. Der entartetete Gewebe in der Brust ist auf jeden Fall raus. 2 große Kaffeebecher Klibberschlabberzeugs. Der Roboter hat ganze Arbeit geleistet.
Es ist alles ein wenig surreal. Kann gar nicht glauben, dass es das schon gewesen sein soll. Der Schnitt unterhalb des Halses ist doch größer als wir vermutet hatten. Aber ich denke, so ist es am besten: Die Arbeit getan, der Rest liegt an den Selbstheilungskräften, ein paar Pillen und der gewohnten Umgebung. In vier Wochen gehts ab an den Chiemsee. Das wird zusätzlich helfen.
Es gibt Menschen, die leisten Unfassbares für die Gemeinschaft. Das Operationsteam sind Elite-Kräfte. Unbezahlbar! Und das Schöne, sie sind sehr nahbar, zugewandt. Ich sehe in ihre Augen den Stolz auf die geleistete Arbeit, aber auch die ehrliche Freude, dass es mir gut geht. Ich habe noch den ersten Satz des Professors im Ohr, als er mich im Aufwachraum besuchte: Oh, schön, er spricht! Sprechen konnte man das nicht nennen. Es war einfach nur der erfolgreiche Test, dass meine Stimmbänder heile geblieben sind. Leider kann ich nur mit großer Dankbarkeit zurückzahlen. Ossi könnte ein bissel weniger Grummeln. Manchmal fühle ich mich bei seiner Schimpferei wie ein Sohn, dem sein Papa furchtbar peinlich ist. Am liebsten würde ich mich dann unter der Bettdecke vergraben. Doch morgen - morgen werde ich unser Blutdruck-Battle, sein breites Grinsen, wenn sein Blutdruck mal wieder um ein paar Punkte besser ist, tatsächlich ein wenig vermissen.
Besuch in der Kälte. Bissel Normalität bevor es wieder ganz normal wird. Rein in die Jeans und in den Mantel. Spaziergängel mit Nicole um den Block, mit einem mitgebrachten Pfefferbeißer zwischen den Zähnen. Die Aufzählung der verschiedenen Löcher im und Boppels auf dem Körper erschöpft mich immer. Zum Glück kam der Anästhesist noch schnell bei mir vorbei und hat mir die allerletzte Nadel gezogen. Nun bin ich wieder duschfähig. Bei mir gibt es morgen zuhause einen leckeren Cappuccino und eine heiße Dusche. Klinikgeruch wegwaschen.
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