Die Familie, ein Glücksfall? In welche familiäre Konstellation man hineingeboren wird, ist pures Glück. Ein Schicksal, das unerbittlich zuschlägt. Eine depressive Mutter, ein alkoholkranker gewalttätiger Vater, süchtige Geschwister - was soll da aus einem werden? Angst und Schmerz im ständigen Wechsel. Es will mir nicht schnell Gutes einfallen, was ich mit meiner Familie erlebt habe. Wenn ich mich anstrenge, tauchen ein paar nette Momente aus den Untiefen auf. Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten oft gefragt, tue ich allen vielleicht Unrecht. Waren sie doch stabiler als ich sie in Erinnerung habe. Es sind aber die immer wiederkehrenden Bilder und Sätze, die mir vor Augen führen, dass nichts nett war. Eltern sollten sich stets im Klaren darüber sein, was Sprache und Gesten bei Kindern anrichten können. Sie sollten immer bestrebt sein, Liebe, Toleranz und Zuversicht vorzuleben. Das Unterbewusstsein speichert alles ab: Liebe, Zuwendung, Streit, Hass, Ablehnung. Und das Gespeicherte kann wiederum zu unerwünschten Reaktionen und Verhaltensmustern führen. Wie habe ich es geschafft, nicht verrückt zu werden, nicht unter zu gehen? Es war wohl der Impuls, mich an den richtigen Leuten zu orientieren. Es war die Entscheidung, die inneren Dämonen nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Es wenigstens zu versuchen, es anders zu machen. Immer wenn ich Wesenszüge und Einstellungen meiner Eltern oder meiner Geschwister an mir selbst feststelle, erschrecke ich und bin dadurch motiviert noch mehr zu kämpfen. Dann ziehe ich los, wie Don Quichotte, der sein Schwert gegen eine Armee von Windmühlen erhebt. Zu einem gewissen Grad sind Eltern natürlich immer verantwortlich, wie Kinder später als Erwachsene leben und denken. Auf der Lebensachse gibt es aber auch einen Punkt, an dem man sich von den Erzeugern emanzipiert haben muss. Man kann hier nur hoffen, dass man klug und sensibel genug ist, den ewigen Kreislauf des Familienfluches zu durchbrechen. Das ist schwer, aber möglich. Vielleicht haben mich die Erlebnisse als Kind und als Jugendlicher in manchen Bereichen auch widerstandsfähiger gemacht. Ich ertappe mich immer dabei, gen Himmel zu blicken und zu sagen, seht her, ich kann doch was. Ich bin klar. Ich bin auf dem richtigen Weg. Ich bin nicht so wie ihr. Ich bin glücklich. In diesen Momenten fühle ich mich unbesiegbar. Unbesiegbarer als jemand der in einer familiären Idylle aufgewachsen ist. Wäre ich da, wo ich heute bin ohne Anna? Ich glaube nicht. Die Verantwortung für sie und ihre Liebe haben mich immer wieder gerettet. Endlich hatte ich einen Sinn zu existieren. Durch sie war und ist Aufgeben keine Option. Ein Pfeil mitten ins Bullseye. Und tatsächlich habe ich noch einen zusätzlichen Pfeil direkt nebendran gesetzt. Ein süßer kleiner Pfeil aus Baden mit perfekter Flugbahn. Wer hätte das gedacht. Ja, ihr da oben: Bei mir ist alles anders!
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