Mal wieder in Heidelberg unterwegs. Erste Lymphom-Verlaufskontrolle.
Ein Opa hat die Kontrolle leider komplett verloren. Das Papier im Parkscheinautomaten war aufgebraucht. Der alte Herr wurde so ausfällig gegenüber der Ticketsäule, dass ich hoffe, er geht ohne Enkel durchs Leben. Er war kaum zu bändigen. Mir fiel auch am frühen Morgen nicht wirklich etwas Beruhigendes ein. Jetzt lassen sie mal den unschuldigen Automaten in Ruhe, der kann doch dafür nix; das hätte ihn nur noch mehr auf die Palme gebracht. Vor allem war ich es, der 3 Euro für Umme in den Schlitz gesteckt hat; nicht er. Mir war das aber wurscht. Ich fotografierte das triste Ding und marschierte zu meinem Termin.
Eingangskontrolle. Hatte ich ein Glück, musste nur ca. 43 Sekunden in der Kälte stehen. Die Patienten/Besucher hinter mir warteten bestimmt mehrere Minuten. Ich war zum Glück an der Spitze des Staus. Ich Depp hatte heute eine viel zu dünne Hose an. Mir war es gerade Recht, dass ich schnell das adipöse Sicherheitspersonal passieren konnte, sonst hätte ich mir untenrum womöglich noch Erfrierungen geholt. Mein Freund, der „Kanibale“, war heute irritierend freundlich. Wahrscheinlich hatte er sich zum Frühstück eine leckere Besucher-Pobacke gegrillt. Als ich ihm meine Apple-Watch mit Impf-QR-Code zeigte, grinste er debil und sprach: So modernes Zeuch geht hier nicht. Ich zückte die Covid-App und alles war gut! Man kommt sich bei der Einlasskontrolle der Klinik wie bei Herr der Ringe vor, wenn die Hobbit-Clique wieder eine Prüfung erfolgreich absolviert hat.
Nächste Prüfung Blutkontrolle. 78, 79, 80, 81, 82…die Pflegekraft schrie sich den Hals heißer. Die Patienten blickten zum Teil die Zahlenfolge nicht. Ich auch nicht. Bei 84 schrie ich: Scheiße, ich hab 83. Utensilien für die Entnahme werden immer erst vorbereitet und dann ruft man den Namen der Patienten auf. Herr Schnupf bitte, nein Herr Schmier bitte. Äh, Herr Schmurr? Herr Schnur vielleicht, brüllte ich genervt. Ah ja, Herr Schnur! Für den Pfleger war die Beherrschung der deutschen Sprache noch eine unerreichbares Ziel. Wahrscheinlich war er erst ein paar Stunden in Heidelberg. Die Nadel legte er auf jedenfalls wie ein Großer. Der best Nadelleger ever!
Kontrolle, die erste. Eine vor Jahresbeginneuphorie sprühende Frau Dr. Wonderwoman wartete schon am Feuerlöscher auf mich. Unser obligatorischer Treffpunkt. Seit dem sehe ich Feuerlöscher mit ganz anderen Augen. Wie gehts denn meinem Musterpatienten? Och, ganz gut, bis auf mein…Ja, sie sehen ja aus, als kämen sie frisch von der Karibik…Nö, nur 3 Tage Allgäu. Infekt. Krank. Abbruch. *hust* *hust* Heeeer Schnuuuur!!!! Ich dachte, endlich jemand, der meinen Namen richtig ausspricht und sah den Schrecken in ihrem blassen Gesicht. Kein Corona, Frau Doktor, beruhigte ich sie. Alles save! Ihre Schweißperlen flossen wieder in sie hinein. Sie sind mir ja einer. Wenn sie Omikron haben, melden sie sich sofort bei mir. Auch bei mildem Verlauf. Dann gibts Medikamente. Wie? Uups!
Ja, natürlich! Mit der Chemotherapie und der Diagnose sind sie ein Risikopatient. Ihr Immunsystem ist immer noch nicht vollständig hergestellt. Au du dickes Omikron! Und ich dachte, ich wäre Hulg! Deswegen laufe ich auch nur auf 80 Prozent und keuche im Wald wie Rainer Calmund in seinen besten Zeiten. Sie drückte dann wie üblich bei einer Kontrolluntersuchung noch an meinen Weichteilen rum. Keine verdächtigen Knödel. Wäre ja auch blöd, nach nur 3 Monaten. Nur dieses scheiß Ding, das nicht mit den Händen zu fühlen ist, in meiner Brust wie Unkraut im Garten wuchert und mich ständig zum spontanen Rülpsen bringt, versteckte sich geschickt vor der Lady. Noch ein paar Fragen nach Stuhlgang, Fieber, Nachtschweiß und Urinfarbe. Alles tippitoppi! Das war’s! Auf zur nächsten Prüfung, mein lieber Frodo Beutlin. Nächster Termin im April - nach Reha.
Kontrollverlust auf und nach der Massagebank. Kurz bevor ich die Haustüre rausgehe, fange ich doch tatsächlich wieder zu humpeln an und Timo B. und Ma L. geben sich einen heftiges Geschmetter in meiner Leiste. Topspin Vorhand. Topspin Rückhand. Meine Knochen geben mir ein echtes Rätsel auf. Meinem Namensvetter in der Physio-Praxis auch. Was mache ich bloß mit ihnen, seine desillusionierte Begrüßung. Mich würde es nicht wundern, wenn er irgendwann mit der Kettensäge vor mir steht. Ich kann doch nicht bis zu meinem chaotischen Ende sein Patient sein. Die Fango tut gut und unterbricht das famose Tischtennismatch. Flach auf dem Rücken an einen warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis denkend, ist mein Körper eins mit dem Universum. Wenige Minuten später schreie ich leider wie eine Gebärende von Drillingen. Will Mami, Papi und Kalle Lauterbach bei mir haben. Warum kloppt der Folterknecht nicht einfach mit einem Vorschlaghammer auf mein IS-Gekenk und das Elend hat ein Ende. Warum muss der Sadist mich vierteilen. Das mörderische Dehnen und Wippen tat oh Wunder tatsächlich danach gut. Ich verließ die Praxis wie der tanzende John Travolta in Saturday Night Fever.
Omi Kron, die Großmutter aller Viren, kontrolliert mittlerweile alles jetzt. Auch unser Leben. Ab morgen ist Nicole im Homeoffice, ab Montag im Zwangsurlaub. Omi Kron jagt gerade durch die Fluren der Karlsruher Verwaltung. Wir wollen die OP nächsten Donnerstag nicht gefährden. Nun wird im 24-Stunden-Takt getestet was das Lager hergibt.
Kontrolle. Sie zu haben, meist von Vorteil. Sie zu verlieren, in der Regel ein Nachteil! Oder?
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