Gestern habe ich mir eine interessante Deutschlandfunksendung angehört. Das Thema war: "Wie Corona Familien und Freundschaften entzweit".
Zwei Psychologen, ein Sozialpädagoge und einige Zuhörer*innen kamen zu Wort. Wie soll ich mit Familienmitgliedern oder Freunden umgehen, die sich gegen eine Impfung entscheiden, die evtl. sogar
Verschwörungstherien verbreiten oder sich demokratiefeindlich zeigen? Alle zugeschalteten Psychologen äußerten sich natürlich milde. Wenn der Mensch einem wichtig ist, dann sollte man ihn nicht aufgeben, sondern auf ihn zugehen. Man sollte Verständnis zeigen und ihnen jederzeit die Hand reichen. Veruteilung und Beschimpfungen würden den Graben nur größer werden lassen. Eine Ansatz könnte auch sein, detailiert nach den Ängsten zu fragen, wenn dies der Grund für die Impfskepsis sei. Sag mal, wovor hast du eigentlich genau Angst? Brücken solle man bauen, nicht niederreißen. Alle Gäste der Sendung waren selbstverständlich Impfbefürworter; sie orientierten sich an den allgemeingültigen wissenschaftlichen Empfehlungen. Einigen Zuhörer*innen waren die Äußerungen der Psychologen zu „harmonisch". Eine Dame war einfach nur erschrocken über die absurden Meinungen und die antidemokratischen Äußerungen mancher Impfgegner*innen. Leitmedien würden als Lügenpresse tituliert, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen als Verbrecher beschimpft, die Impfung als Machenschaften von Pharmaindustrie und Eliten verurteilt. Corona nur eine harmlose Grippe. Sie könne dies kaum ertragen. Man müsse da gegensteuern und Position beziehen. Hinnehmen sei keine Option. Ein Zuhörer meinte, er könne nicht den Stab über seine Freunde brechen. Er werde deren Ansichten einfach ertragen, auch wenn er selbst geboostert ist. Der Kontakt zu seinen Freunden sei ihm zu wichtig. Im Verlauf der Sendung kam man nicht umhin, über seine eigene Position nachzudenken. Ausgangspunkt der eigenen Überlegungen ist immer die individuelle Situation. Ganz klar! So wie die Menschen unterschiedlich sind, gibt es auch die unterschiedlichsten (auch nachvollziehbare) Beweggründe. Vorerfahrungen spielen eine große Rolle. Negative oder positive. Sie geben oft den Weg vor. Ich habe keine negativen Erfahrungen mit Impfungen und Medikamenten. Ich habe 2 Mal 6 Runden Hardcore-Zytostatika hinter mich gebracht. Die Medizin hat mir mehr als nur einmal das Leben gerettet. Ich habe gekifft und in jungen wilden Jahren Promille gesammelt wie Briefmarken. Das sind schon genug Schädigungen, die ich bewusst in Kauf genommen oder ignoriert habe. Außerdem verfolge ich täglich die Leitmedien und die Leitvirologen. Deren Expertisen und Empfehlungen vertraue ich. Es wäre also sehr seltsam, wenn ich mich nicht impfen lassen hätte. Fast alle meiner engsten Freunde*innen und Angehörigen sehen das alles so wie ich. Das sind etwa 50 Personen. 3 Ausnahmen gibt es. Mit denen bin ich aber schon lange nicht mehr eng verbunden. Alte Freunde. Alles Männer. Und ich muss sagen, sie sind so speziell wie ihre Gedankengänge. Das waren sie schon immer. Natürlich bin ich auch ein bunter Vogel. Man brauch nur meinen Blog regelmäßig lesen. Da kann man durchaus auch manchmal die Nase rümpfen. Ich mag eben schräge Typen und Konstellationen. Aber in allen elementaren Dingen des Lebens bin ich doch granatenmäßig normal. Fast spießig. Ich will keine Bundeskanzler erschießen, glaube nicht an eingepflanzte Überwachungschips und die Weltherrschaft der Eliten. Ich sehe auch die Montagsspaziergänger nicht als die neuen Juden an. Wer viermal in Ausschwitz mit Schülergruppen war, könnte einen Schreikrampf bekommen bei so viel verworrener Dummheit. Nein, nicht könnte: Ich bekomme einen Schreikrampf! Nun telefonierte ich vor ein paar Tagen mit einem meiner o.g. alten Freunde. Er hat mich angerufen, erkundigte sich nach meinem Befinden. Im Prinzip nett. Und im ersten Moment habe ich mich sehr darüber gefreut. Nach meinem Nachfragen sprach er denn sogleich von Hexenjagd. Klar, was er damit meinte. Auf jeden Fall nicht Arthur Millers berühmtes Theaterstück. Er habe bedenken, Frauen würden nicht schwanger werden, es sei doch ein ganz neuer Impfstoff, er verändere das Erbgut, die Pharmaindustrie mache mit Corona nur noch mehr Kohle. Ich dachte „Oh mein Gott“ und sagte, Alter, ich dachte du wärst cleverer. Aber ich hatte es eigentlich schon vermutet. Die verbale Schlacht wurde somit von jetzt auf nachher losgetreten. Ich habe versucht, gegen seine Bedenken anzukämpfen. Kein neuer Impfstoff, gut erforscht, beste Datenlage, Milliarden geimpft, keine schlimmen Nebenwirkungen, Drosten, Lauterbach, Expertenrat, Intensivmediziner, Pflegekräfte am Limit, größere Chance zu überleben, RKI, ZDF, ARD, Spiegel, Süddeutsche, Zahlen, Daten, Fakten, Mensch, du bist doch Geologe und so weiter. Ich hörte Enttäuschung, als ich davon berichtete, dass mir nach den Impfungen nicht mal der Arm weh tat. (Habe ihm an dieser Stelle bewusst verheimlicht, dass ich Hulg bin!) Ich wies ihn darauf hin, dass ihn die Medizin und Medikamente doch auch schon gerettet hätten (Aneurysma im Kopf!) Dass er doch rauche und immer noch kein Kostverächter sei, was synthetische Drogen angehe. Tatsächlich Angst vor dem Piks? Half alles nichts. Ich wurde lauter; er ließ mich nicht mehr zu Wort kommen. Am Ende redeten wir übers Wetter und über zukünftige gegenseitige Besuche, die wohl in den Sternen stehen. Retteten irgendwie unbeholfen die Stimmung. Ich legte den Hörer auf und merkte, wie bei mir die Zuneigung, die Toleranz, der Respekt sich auf einmal in Rauch auflösten. Vorher war er nur ein lieber Kauz, entwickelte sich aber in einer halben Stunde plötzlich zu einer Gefahr. Hand reichen? Brücken bauen? Verständnis zeigen? Zu jemandem, der nur in seiner ureigenen Blase unterwegs ist. Der sich nicht auf dem Boden der Tatsachen befindet. Ein Ignorant der Fakten, die ja alle vorgegaukelt seien. Man sieht ihn nach Jahren wieder und man erkennt keine Veränderung im pubertären Trotz-Denken. Wie ein 13-Jähriger, der bei -20 Grad im T-Shirt vor die Türe geht. Lungenentzündung? Gibt‘s nicht!
Ich komme wieder zu dem Schluss, die Impfskeptiker, die Coronaleugner, die Schwurbler waren allesamt schon vor Corona seltsame Zeitgenossen, Outlaws, nur hat man es nicht so gemerkt oder wahrhaben wollen. Ich glaube, das ist der Unterschied zu dem jungen Zuhörer der Deutschlandfunksendung. Der meinte ja, dass er die Ansichten eben tolerieren müsse und diese Leute weiter seine Freunde blieben. Sorry! Ich will mit solchen seltsamen Vögeln nicht mehr befreundet sein. Vielleicht war ich es ja auch nie wirklich. Genug ist genug!
Eine zusätzliche kleine Anmerkung. Mittlerweile gibt es vielerorts Gegendemos zu den „Spaziergängern“. Warum eigentlich immer nur Gegendemos? Warum gehen nicht die Vernünftigen jeden Montag auf die Straße? Ohne Gegner vor der Nase! Es wären sehr viele. So mit Themenwagen - und mit allem drum und dran. Wie im Fasching. bunte FFP2-Masken mit Statements der Solidarität - und Abstand natürlich.
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