
Diese Sendung hat immer mit dir zu tun, sagte Nicole, während wir eine Folge 37 Grad anschauten. Ja, vielleicht jetzt, früher eher nicht. Jetzt ist bei mir ALLES existenziell, entweder mit Endlichkeit oder mit einem Neuanfang verbunden. Tod und Leben im ständigen Wechsel, eventuell sogar in Konkurrenz zueinander stehend. Was will ich? Wie will ich es? Wohin will ich? Was lass ich endlich hinter mir? Die großen Fragen eben. Die mich schon immer beschäftigten, denen ich aber zu wenig Zeit widmete. Drei Menschen in der Rente, die alle einen Neuanfang wagen. Eine Aupair-Oma. Ein Pendler zwischen Familie in Osnabrück und Einsamkeit in einem italienischen Bergdorf und ein Fluglehrer-Schüler, der eine Lyphknotenkrebserkrankung überwunden hat. Alle kamen zu Wort und wurden bei ihrem Tun - wie immer - hautnah von einem Kamerateam begleitet. Alle waren am Ende mit ihrem Neuanfang glücklich. Die eine kämpft gegen die Einsamkeit an, der andere sucht die Einsamkeit. Das Verbindende: die selbst gewählte Herausforderung, das Machen. Ich glaube, arbeiten müssen wir alle. Es stellt sich nur die Frage, welchen Sinn hat die Arbeit, ob sie meinem Wesen entspricht oder mich gar überfordert. In einem ZEIT-Artikel stand, dass wir im Kapitalismus nicht mehr Herr/Frau über die Arbeit sind. Dass die Arbeit uns den Lebensraum nimmt. Dass wir selbstverständlich frei sind, viel freier als frühere Arbeitsgenerationen, aber irgendwie auch Sklaven der Arbeit, Sklaven des eigenen Status. Rente? Ich bin 52. Wer denkt da schon an Rente? Aber im Prinzip geht es nicht um Rente, sondern um das Leben, das man gerade führt und noch führen wird. Viele von uns sind Aufschieber. Sie schieben das autonome glückliche Leben, die Selbstverwirklichung in die späten Jahre. Ganz weit nach hinten. Oft einfach aus finanziellen Gründen. Die 37-Grad-Rentner waren eine Journalistin, ein Lehrer und ein Musiker. Ein Neuanfang im Alter ist da vielleicht eher möglich als bei einer Friseuerin. Sie muss in der Regel auf das späte eigene Glück oder das Glück mit einem Anderen hoffen. Für einen Neuanfang benötigt man viel Mut, Kreativität und Risikobereitschaft. Dieses hat nicht jeder. Ein wohlwollendes Umfeld ist da auch nicht von Nachteil. Mein Ziel ist es, während der Zeit der Arbeit dem Leben mehr Gewicht zu geben. Ist ja auch möglich, dass die Arbeit davon wiederum profitiert. Unnötiges hinter mich lassen, das Notwendige auswählen, Prioritäten kompromisslos setzen, Zeit aktiv gestalten, so wie ich es möchte. Die Zeit soll niemals mehr die Herrschaft über mich gewinnen.
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