Lieben, leben, Gutes tun

Wenn das Leben so dahin plätschert, man sich wie in der R.E.M.-Schlafphase befindet, dann besteht die große Gefahr, dass man durch ein unvorhergesehenes schreckliches Ereignis völlig aus der Bahn geworfen wird. Wenn man permanent so wach wie möglich an Krankheit und Tod denkt, ist der Aufschlag nicht ganz so hart, so meine naive Vorstellung. 

Mir ist eine alte Dame in den letzten Monaten so sehr ans Herz gewachsen, weil sie selbst ihr Herz mir gegenüber geöffnet hat. So bringen üble Geschichten auch wiederum wunderschöne hervor. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass aus jeder Krise etwas Gutes erwachsen kann. Wäre doch eine schöne Hoffnung für uns alle. Die alte Dame nun, die noch sehr jung und agil wirkt, ein herzensguter lachender Sonnenschein ist, und mich in zahlreichen Nachrichten aufgemuntert, motiviert und stets zum Lächeln gebracht hat, ist die Tage ganz überraschend ins Krankenhaus gekommen. Das verdammte Leben ist einfach nicht lenkbar. Kein Corona! Ist natürlich gerade immer der erste Gedanke! Ihr geht es wohl auch schon wieder besser. Da atmet man mal ganz kurz gewaltig durch. Enkel Töchter und Ehemann sind mehr als erleichtert.  Wir können uns auf den Kopf stellen, wir werden diesen schmerzlichen Gefühlen nicht entkommen. Früher oder später werden sie uns alle, meist unvorbereitet, ereilen. Ein Entkommen schafft man evtl. nur, wenn man alleine lebt. Ohne Anschluss.Dann würde man endlich nicht traurig oder in Sorge sein müssen. Mich quält jeden Tag der Gedanke, Menschen, die ich sehr schätze und liebe, zu verlieren, wie schon so oft in meinem Leben. Ist Zurücklassen die bessere oder schlechtere Variante? Ich weiß es nicht. Wir hören die schrecklichen Geschichten, denken und hoffen immer, uns wird sowas schon nicht treffen: Der liebste Mensch liegt hilflos im Krankenhaus und es wird ein Besuchsverbot ausgesprochen. Das Schreckliche wird somit noch schrecklicher.  Aber alles Gott sei Dank nur in der Vorstellung. Bis dann doch uns das Schicksal mit dem Vorschlaghammer auf den Kopf haut. Wir hören Zahlen, Zahlen, Zahlen - und wollen am liebsten nichts dabei empfinden. Mehr als 500 Corona-Tote. Manchmal wünschte ich mir, dass man nicht nur die Zahl zeigt, sondern auch die Gesichter dazu. Es sind eben nicht nur alte schwer vorerkrankte Menschen darunter. Und nicht nur EIN Mensch ist vom Schicksal überrannt worden, sondern das ganze dazugehörige Umfeld. 

Wir können alle nicht entkommen - deswegen müssen wir lieben, leben, Gutes tun. Ein Zeichen setzen, dass unsere Existenz doch einen Sinn hat, und nicht immer nur leidgeprüft und schmerzvoll zu sein scheint.

 

Türchen Nummer 10

 

 

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