Viel passiert nicht gerade. Aber das ist nicht wirklich schlimm. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht so sonderbar wie mein Ego werde. Icke genießt sehr das Lotterleben. Mit der Jogginghose zum Physio schlurfen, ohne Nagellack und High Heels, ein Traum. Karl Lagerfeld würde bei seinem Anblick bestimmt einen Würganfall bekommen. Als wären wir schon in der Rehaklinik und würden eine permanente Anwendung wahrnehmen. Icke macht auch einen großen Bogen um den Rasierapparat und könnte locker in jedem Weihnachtsfilm ohne künstlichen Rauschebart den Santa mimen.
Gestern gabs eine zusätzlich Diagnose zu meinem morschen IS-Gelenk: Tennisarm. Na super! Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass ich Tennis gespielt habe. Aber vielleicht hat sich ja ohne meines Wissens Icke in einem Club angemeldet. Was nützt es mir, dass ich den Krebs in die Büsche geschlagen habe, wenn ich mir nicht mehr selbst die Schuhe zubinden kann. Aber mein Physio bleibt zuversichtlich, dann bin ich es eben auch.
Hey, ich hatte sogar noch einen zweiten Menschenkontakt. Mein Nachbar! Pläuschen beim Fegen. Wieder das Tennisthema. Ich habe einen Tennisarm ohne Tennis und er mit. Mit 3 Bypässen und 71 darf er aber auch einen Tennisarm haben. Wir tauschten uns noch über unser Rentnerdasein aus, das wir beide sehr genießen. Die Frauen schuften und wir legen die Füße hoch. Langeweile kennen wir nicht. Wenn’s eng wird, fegen wir eben die Fahrbahn. Gut, Nachbar steigt dann noch auf seine Harley, ich auf den Crosstrainer.
Begegnungen (der dritten Art) hatte ich dann nur noch auf der Mattscheibe: Bundestagsdebatte über die Impfpflicht. Besser als jeder Krimi. Nur die Opfer waren in diesem Drama Täter und echt miese Schauspieler. Und hier meine ich zu 100 Prozent die Figuren der AfD. Alle anderen sind erträglich und machen einen akzeptablen Job. Sind Demokraten! Icke und mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass die AfD-Nasen und Näsinnen Geld für den Kack bekommen, den sie verzapfen. Von uns allen. Eine Zahnärztin, die ihre erste Rede im Bundestag zum Besten gibt und alle Maßnahmen für unnötig hält, als gebe es keine Pandemie. Die Nudel zitiert tatsächlich Brecht. Sieht sich als Widerstandskämpferin. Ich fasse es nicht! Icke wäre ihr fast durch den Bildschirm an den Hals gesprungen, wenn ich ihn nicht zurückgehalten hätte.
Ein junger Milchbubi, der nicht mal von der AfD aufgenommen wurde, weil er in einem Chat sich als das „gute Gesicht der NS“ bezeichnet hat. Wie kann es sein, dass so jemand im Bundestag reden darf? Dann natürlich noch die Furie Alice. Spricht mal wieder vom Verrat am Wähler! Ich hätte mir fast das Müsli auf die Jogginghose geeumelt. Mit dieser Debatte wurde mir endgültig klar, ich will mit niemandem mehr zu tun haben, der für diese rechtspopulistische Figuren Beifall klatscht. Ich bin immer für Diskurs, aber da ist endgültig Schluss jetzt. Eine spanische Passantin, die in Madrid vom Deutschlandfunk interviewt wurde, meinte, dass die Impfgegner allesamt sehr komische Menschen seien. Recht hat sie. Nur haben die Spanier eine Impfquote von 90 Prozent. Wir leider nicht.
Hurrah, ich kann mich wieder einmal ein wenig als Lehrer fühlen. Ich darf die Arbeit von einer Kommilitonin von Anna korrigieren. Komme ich nicht aus der Übung. Bin sehr gespannt. Man kann fast aufgeregt sagen. Vielleicht kann ich das ja gar nicht mehr. Während des Krankenstands verblödet man zusehends. Hoffe nächstes Schuljahr noch einen Satz geradeaus sprechen zu können. Sonst kann ich mich gleich zu Kevin und Chantal in die letzte Reihe setzen.
Türchen Nummer 8
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