Heute geht es um Freundschaft. Ein Thema, was mir sehr am Herzen liegt. Manchmal frage ich mich, warum ich nicht etwas gelassener damit umgehen kann. Andere tun es doch auch. Ich verkrampfe und verrenne mich geradezu. Natürlich hängt das wieder mit meiner Kindheit zusammen. Ich hätte mir so sehr meine Geschwister als Freunde gewünscht. Leider waren sie hierfür schon zu alt, zu empathielos, zu unstet. Hätte mir gewünscht, dass ich jemand gehabt hätte, der sich meinen Sorgen und Nöten annimmt. Der mich unterstützt und mir zur Seite springt. Freunde, die im engsten Sinne keine waren, waren überfordert mit meiner Situation, zuerst als Waise und später als Vollwaise. ICH habe SIE überfordert. Der Tod meiner Mutter hat mich tief getroffen. Auch mit 21. Es gab niemand zur damaligen Zeit, dem ich mich mit allem was so in meinem Kopf ist, anvertrauen konnte. Meine Stuttgarter Kumpels waren eher einfach gestrickt. Ihr Leben vorprogrammiert. In ihrem Tunnel der Langeweile gefangen. Ein Vollwaise passte da nicht rein. Der VFB war ihre Religion. Im Zivildienst - den ich als einziger von den ganzen Jungs absolvierte - wurde das schlagartig anders. Ich meldete mich während meines Versicherungsjobs freiwillig dazu. Dort hatte ich das Gefühl, dass die Leute, die ich traf, sich für mich interessierten. Hier konnte ich über das Leben, über den Existenzialismus nach Sartre oder den Kommunismus nach Marx philosophieren, ohne dabei komisch angeschaut zu werden. Meine alten Kumpels waren Bundler und Säufer, meine neuen kiffende Pazifisten. Das gefiel mir mehr. Und doch gelang es uns nicht, die intensiven Bindungen über die Jahre aufrecht zu erhalten. Die unterschiedlichen Lebensplanungen haben uns alle einen Strich durch die Rechnung gezogen. Mit der Freundin lebte ich dann gleich als Familie zusammen und musste mir in einer neuen Stadt neue Freunde suchen. Die ich dann zum Glück auf dem Freiburger Kolping Kolleg auch fand. Ich stand schon immer auf die etwas schrägen Typen. Mainstream war mir zu suspekt und zu langweilig. Wahrscheinlich ist das dann aber auch die Ursache dafür, warum auch in Freiburg nichts wirklich von Bestand war. Es waren sehr interessante Biographien dabei. Viele spannende Gespräche ergaben sich in der Schulzeit. Als Erwachsener mit beruflichem Hintergrund Abitur zu machen ist etwas ganz Besonderes. Die vorgesetzten Themen versuchten wir tatsächlich zu durchdringen und zu verstehen. Viel Stoff für Diskussionen. Eine tolle intellektuelle Zeit!
Männer tun sich mit Treue und Nähe glaube ich sehr schwer. Verharren eher in ihrem Einzelkämpfermodus. Bloß niemand zu nah an sich ran lassen, das Bild von sich könnte ja Risse bekommen. Ich bin wohl an dem Anspruch gescheitert, dass ich einen Freund/ eine Freundin immer auch gleichzeitig als Bruder / Schwester sehen wollte. Sie ganz nah haben wollte. Das kann gar nicht gelingen. Das ist nämlich eher die Seltenheit. Das habe ich erst spät begriffen. Mit 4 Jungs machte ich Ähnliches durch. Mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger. Alle weg, nicht mehr in meinem Leben vorhanden. Ein Narzist, ein Verschwörungstheoretiker, eine Übersensibler und ein Depressiver. Sie sind mir entglitten. Vielleicht wollte ich am Ende auch nichts mehr investieren und hatte endlich genug von dem Schrägen. Schlimm wird’s, wenn einem nicht zugehört wird und niemals Fragen gestellt werden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich der einzige bin, der Fragen stellt. Ich möchte immer gern wissen, ob der andere genauso empfindet. Spaß ist auch wichtig. Sicher. Aber muss der immer im Mittelpunkt stehen. Sollten es nicht unsere Ängste und Unsicherheiten sein, mit denen wir uns im Gespräch auseinandersetzen. Unsichere Menschen haben mich immer schon mehr gereizt. Und die Jungs von oben sind sehr unsicher, auch wenn das vordergründig gar nicht so wirken würde. Nicole hat mich gelehrt, einen anderen Blick auf meine Ansprüche zu werfen. Ich solle eher sehen, was ich alles habe, und nicht was mir fehlt. Und ja, da habe ich wahrscheinlich tatsächlich viel. Wahrscheinlich viel mehr als andere. Ich habe zwei gute Freundinnen mit Nicole sogar drei und einen guten Freund. Der sich nach Kräften bemüht. Und mittlerweile auch Familien, die mir nahe stehen und sich Sorgen um mich machen. Stille Begleiter*innen und Beobachter*innen, die in Gedanken bei mir sind. Mehr darf ich wirklich nicht verlangen in der heutigen Zeit der Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung. Was macht Freundschaft überhaupt aus? Nicole meinte hierzu: jemand, der in deinem Leben da ist, MIT DIR ist. Jemand, der da ist, wenn es einem nicht gut geht. Jemand, der mit dir loszieht, wenn dir nach Feiern zumute ist. Jemand, der an deinem Leben teilnimmt. In welchem Umfang sollte das geschehen? In dieser Hinsicht unterscheiden sich unsere Bewertungen. Nicole ist da mit weniger zufrieden. Ich werde schon stutzig, wenn nicht nach Nicole und Anna gefragt wird. Die doch zu meinem Leben gehören. Ich möchte, dass mein Freund/ meine Freundin sie mitdenkt. Das gibt erst das Gefühl des ehrlichen Interesses. Wenn man sich nicht mit Oberflächlichem zufrieden gibt, steht man schnell auf verlorenem Posten. Ist man schnell einsam. Ich weiß jetzt, dass ich da viel zu viel verlange. Das können unmöglich alle immer leisten. Kann ich es selbst überhaupt leisten? Manche sind emotional, sprachlich und intellektuell einfach nicht in der Lage, ins tiefe Gespräch mit einem zu gehen. Oder wollen es einfach auch nicht. Ein Freund von oben wäre ein Freund geblieben. Sprachlich und intellektuell hätte er das Zeug gehabt. Aber emotional leider nicht. Es ist mir unmöglich, sein Abdriften zu den Verschwörungstheoretikern zu akzeptieren. Es gibt für Freundschaft moralische Grundpfeiler. Eine Chance hätte es vielleicht gegeben, hätte er mir seine Gedankengänge erklärt. Das konnte er nicht. Wie will jemand auch erklären, dass ein grüner Stuhl für ihn schwarz ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er weiß, dass seine Thesen nicht haltbar sind. Er aber nicht mehr zurück kann, um nicht sein Gesicht vor seinem Umfeld zu verlieren. Ihm war es immer wichtig gegen den Strom zu schwimmen, die Ausnahme von der Regel zu sein. Ich habe die Hand ausgestreckt; er hat sie nicht ergriffen. Mehr kann ich nicht tun.
An einem der Vier, liegt mir immer noch viel am Herzen. Er ist quasi die personifizierte Schrägheit. Catweazle und Otto in einer Person. Und das ziemlich schnell erkennbar. Dennoch war er für viele Jahre wie ein Bruder für mich. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Einzige, der es in Sachen Verrücktheiten und peinliche Ideen mit mir aufnehmen konnte. Der nicht nur Quatsch machen kann, sondern auch philosophieren. Man muss sich natürlich auf das eine oder andere Unverständliche einstellen. Viel Licht, viel Energie, viel Meditation. Zu viel? Aber stehen bleibt man nie. Ein empfindsamer, nachdenklicher Mensch, der nie aufhört auf der Suche nach der Weltformel zu sein. Der Dinge wertschätzt wie kein anderer, der jeden Tag alles ist: Künstler, Handwerker, Psychologe. Ein Mensch mit unfassbar viele Farben und Schattierungen. Einfach ein interessanter Mensch. Ihn verloren zu haben, macht mich immer wieder traurig. Er kann keinen ersten Schritt wagen. So stelle ich mir das vor. Man muss auf ihn zugehen. Vielleicht ist ihm auch meine Liebe zur Nicole suspekt. Eifersucht? Manchmal ist der Zug abgefahren und man sieht sich nicht imstande, den nächsten zu nehmen. Ich habe den Zug selbst auch verpasst. Habe aber noch genug Motivation, auf den nächsten zu warten. Nur all zu lange sollte es nicht dauern. Ich werde am Ball bleiben.
Freundschaft - ziemlich schwieriges Feld. Auch bei der Arbeit. Eher Mangelware. Zu unterschiedliche Charakteren, zu ehrgeizig, zu zufällig. Nichts von Bestand. Nichts von Nachklang. Alle mit sich beschäftigt. Wofür ich Verständnis habe. Man muss Prioritäten setzen. Im Prinzip wäre da eigentlich kaum jemand dabei, den ich mir für den privaten Umgang raussuchen würde. Mit ein oder zwei Ausnahmen. Ich bin zu wild und zu bunt für das konservative alltägliche Geschäft. Ein Punk-Hippie, der durch Zufall im Schuldienst gelandet ist. Wenn ich es mir mental und gesundheitlich leisten könnte, würde ich mir wahrscheinlich heute noch jeden Tag ein Tütchen in die Lungenflügel föhnen. Es hat aber auch was, bei klarem Verstand zu sein. Wahrscheinlich ist es so: Icke macht und denkt Dinge immer noch als Hippie-Punk. Zwanglos. Enthemmt. Naiv. Eigentlich super - und vor allem legal. Kiffen ist das Freundschaftsding überhaupt. Zusammensitzen, teilen, kichern, gemeinsam Dinge sehen, die nicht da sind. Mit Alkohol nur schwerlich herzustellen. Beim schwippsigen Zustand bleibt es leider meistens nicht. Beides macht auf Dauer natürlich Birne und Körper kaputt.
Gemeinsam Alltags-Abenteuer zu erleben und zu genießen, verbindet viel mehr als irgendwelche Drogen, und ist mit Sicherheit nachhaltiger.
Als Team etwas Besonderes meistern, schweißt einen lange zusammen. Vielleicht sogar fürs Leben. Hierfür fehlt uns aber oft die Zeit. Arbeit, Familie, sich selbst, Freunde - wie soll man das bitte schön unter einen Hut bekommen. Müsste ein verdammt großer Hut sein.
Die 37 Grad-Doku, die von einem jungen Mann ohne Beine und Arme handelt, der mit seinen 4 Freunden den Kilimandscharo im Tragerucksack besteigt, hat mich / uns tief beeindruckt. Sein Torso wird auf 6264 Meter getragen. Kaum Luft zum Atmen und trotzdem schaffen sie es Minischritt für Minischritt. Das ist natürlich das Maximum, was man an Solidarität und gegenseitige Unterstützung erreichen kann. Man muss vorsichtig sein, die Messlatte da all zu hoch zu hängen. Ein schöner Gedanke ist es trotzdem:
Alleine ist man hoffnungslos mit allem überfordert und nur in der Geheimschaft kann ich mir meine Träume vollständig erfüllen. Und jeder hat am Ende etwas davon.
Türchen Nummer 2:
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