Peter sieht nuklear!

Ach Gott hat mir/ uns das gefehlt. Fast drei Wochen keine Arzttermine mehr. Mein WG-Bewohner Peter Schilddrüse wird heute durchgecheckt. Am Eingang der Klinik erwartete uns schon eine faustdicke Überraschung: eine Menschenschlange bis auf den Vorplatz. Eingangskontrollen wie in Fort Knox. Wenigstens durfte Nici pinkeln. Ihre Blase scheint mittlerweile konditioniert: Sobald sie die Stadtgrenze von Heidelberg überschreitet, muss sie sich immer akut entleeren. Diesmal tragen Nicole, ihre Blase, Icke, Peter und ich auf äußerst freundliche Sicherheitsmänner. Einer war sogar recht attraktiv, aber alt. Vielleicht der Firmenchef persönlich. Der andere unansehnlich wie die meisten der adipösen fetthaarigen Jungs. Gut, es ist morgens um 09.00 Uhr, wer sieht da schon ansehnlich aus. Aber bissel zurecht machen bei dem Kundenverkehr wäre ja schon wünschenswert. Das Gleiche kann ich über die Dame bei der Anmeldung in der Nuklearmedizin sagen. Sie sieht aus, als hätte sie in den letzten Jahren eine Überdosis Gammastrahlen abbekommen. Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie nach meiner Untersuchung noch lebt. Nun warte ich ganz gemütlich mit FFP2-Maske neben zwei riesigen Zimmerpflanzen und den Patientinnen 8 und 10. 


Der Patient 9 (Ich) wird vor 8 aufgerufen. Interveniere nicht. Nadel und rein das Zeug. Jod 123 fließt durch meinen Körper. Icke hätte sich eher auf Jod 666 gefreut. Muss sich dann 4 Stunden im Körper verteilen. Zeit für Käffchen und Shoppen. Darf alles machen. Alkohol und Sex kein Problem. Strahlend durch die Innenstadt von Heidelberg. Weihnachtsmarkt mit 2 G+ ist ziemlich verrückt. Weihnachtsmarkt menschenleer, aber dichtes Gedränge an der Teststation. Ist es das wirklich wert? Uns nicht. Wir schlendern und shoppen. Das ist wiederum sehr cool. Kaum Kundenverkehr in den Läden. Exklusives Einkaufen. Manche kontrollieren, manche aber auch nicht. Wie gehabt. Regeln sind dafür da, nicht kontrolliert zu werden. Aber Polizei sieht man jetzt häufiger. In unserem Lieblingscafé das beste Nusscroissant meines Lebens verdrückt. Bevor man in der Erde versenkt wird, sollte man diese Köstlichkeit unbedingt genossen haben. Nicole musste mich zurückhalten noch weitere 36 Stück für die Heimfahrt zu ordern. Punkt 14.00 Uhr klingelte ich wieder in der Nuklearmedizin. Die Empfangsdame lebte tatsächlich, sah aber noch schlechter aus, was ich am Morgen niemals für möglich hielt. Ich ging schnell an ihr vorbei, sonst wäre ich womöglich in die Verlegenheit geraten, eine Herz-Druck-Massage bei ihr vornehmen zu müssen. Die Untersuchungen waren unangenehm. Zuerst eine kleine Gammastrahlenkamera. Untersuchungszeit 10 Minuten. Man verharrt vor einem weißen Block auf einem Drehstuhl und drückt Nase und Brust dagegen. Die zweite Untersuchung vermittelte mir das Gefühl auf der ISS zu sein und gleich in den Orbit geschossen zu werden. Diesmal war die große Gammastrahlenkamera an der Reihe, nur viel spaciger. Hier musste ich 30 Minuten im Liegen keinen Mucks von mir geben. Meine Arme wurden sogar zusammengebunden. Selten habe ich mich so ausgeliefert gefühlt. Es ist wie verhext. Muss man ruhig liegen, juckt‘s und sticht‘s plötzlich überall. Ein Krabbelvieh zwickte in die Ohrmuschel und in den Nasenflügel. Einmal traute ich mich zu kratzen und wurde von hinten gleich zusammen geschissen, als hätte ich die ISS absichtlich zerstört. Ich war froh und sehr benommen, als ich nach dem Prozedere schier von der Bare auf den Boden krachte. Brauchte eine Weile bis das Blut wieder in normale Bahnen verlief. Vor dem anschließenden Arztgespräch hatte ich kaum Bammel, weil ich mittlerweile ein Profi im Empfangen von unangenehmen Nachrichten bin. Musste aber nichts Unangenehmes empfangen. Oder doch? Peter Schilddrüse darf wohnen bleiben. Hat sich wohl ein wenig beruhigt und angepasst. Nur im Thorax hat sich ein großer Knoten eingenistet. Der über die letzten 10 Jahre viel größer geworden ist und noch weiter wachsen wird. Nun werde ich mit der Schilddrüsen-Ambulanz und den Thorax-Chirurgen beraten, was der beste Weg für mich sein wird. Aktuell wird mich das Geschwulst nicht umbringen. Es bereitet mir einfach nur Probleme. Die im Laufe der Zeit zunehmen können. Luft- und Speiseröhre haben sich dadurch schon verlagert. Man wird sehen. Das Ergebnis ist natürlich Anlass, ein wenig feiern zu gehen. Spontan orientierten wir uns an einem symbolischen Namen. Hans/Schnuri im Glück. Leider hatte das kulinarische Angebot gar nichts Glückliches. Für die Kohle, die wir dort gelassen haben, hätten wir in der Pfalz mal so richtig lecker geschlemmt. Aber nach einem so anstrengenden und ereignisreichen Tag will man sich nicht die Laune verderben lassen. 


Erkenntnis des Tages: Ich werde weiter leben und das gut. Vielleicht wird in den nächsten Wochen mein Thorax geöffnet, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht komme ich in der Dusche um, vielleicht auch nicht. Vielleicht bekommen die Politiker bald die Pandemie in den Griff. Eher nicht! 


Ich kann nur eins empfehlen: Lebt - und haut euren Zaster auf den Kopp. Aber nicht im Hans im Glück. 

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