Erstmal wird man es einfach. Über Nacht. Plötzlich ist ein dritter Mensch im Nachtlager. Alles richtet sich an diesen 50 Zentimeter und 3500 Gramm aus. ALLES. Das Atmen, weil man glaubt, dass der halbe Meter geweckt wird, wenn man zu laut atmet. Oder man atmet absichtlich lauter, weil man will, dass er wach wird und die wunderschönsten Augen des Universums einen anglotzen.
Der Grad der Leidenschaft ist vielleicht unter Vätern unterschiedlich, aber anfangs bestimmt immer vorhanden, weil so neu. Das Erleben des Vaterseins hängt auch davon ab, wie weich man vorher war. War man überhaupt zugänglich für die kleinsten Dinge der Welt. Wie aufmerksam war man. Wie sensibel. Wie zärtlich. Wenn man nichts davon war, hat man jetzt zumindest eine Chance es zu werden. Ich genoss und genieße jede Sekunde meines Vaterseins. Heute mehr denn je. Wenn man früh Vater wird, ist man leider viel zu sehr mit sich und der Gestaltung des Lebens beschäftigt. Ich hätte mir gewünscht, es später noch einmal erleben zu dürfen. Ich hätte mich bestimmt besser angestellt. Hätte viel mehr das Vater-Tochter-Sein wahr genommen. Aber ich kann ja von Glück sagen, dass ich überhaupt Vater geworden bin - so nullspermig.
Das Vater sein dürfen, hängt natürlich ganz stark davon ab, wie dominant die Partnerin ist. Lässt sie sich in ihrem Metier, das Muttersein, reinpfuschen oder reißt sie die Macht stets an sich. Will womöglich alles kontrollieren, denkt, alles besser machen zu können. Geht Mann dann lieber aus Bequemlichkeit in die zweite Reihe oder will Mann keinen Ärger heraufbeschwören. Wenn Mann das Verhältnis zur Frau abgesteckt hat, kann es losgehen, das Vatersein.
Erstmal besteht es ganz einfach aus Dasein. Immer. Bedingungslos. Als wäre man eine Hilfestellung beim Turnen. Zuerst packt man noch richtig bei den ersten Sprüngen zu, am Ende täuscht man das Zupacken vorwiegend an. Und in der Vollendung ist man nur noch Zuschauer. Wenn es gut läuft. Das Dasein bedeutet, auch permanent Rede und Antwort zu stehen. In allen Dingen des Lebens. Kommunikation ist immer elementar. In jeder Beziehung. Viele Väter der vergangenen Generationen haben nicht gesprochen, und wenn, dann nur über Erfolge und Misserfolge. Nie über Gefühle! Gefühle waren tabu. Das war nicht gut. Heute ist viel mehr Kommunikation im Spiel. Vielleicht manchmal zu viel. Man möchte ein Freund sein, der man de facto nicht ist. Man ist Vater. Man ist für Orientierung zuständig. Freundschaft ist da eher hinderlich. Ein Freund muss schließlich allein klar kommen, das eigene Kind kann das lange nicht. Steht es fest im Leben, ist sogar eine Freundschaft möglich. Aber eine mit Grenzen. Die Grenzen sind Intimitäten. Mit einem Freund kann ich mich über alles austauschen, mit einem Vater nicht. Zu unangenehm, zu peinlich. Bei Töchtern noch mehr als bei Söhnen. Mich macht es heute noch wütend, dass man mir in einer bestimmten Phase meines Vaterseins intime Ambitionen unterstellt hat. Abscheulich ist das! Anspucken könnte ich so jemanden, der solche Gedanken hegt. Natürlich gibt es zwischen Vater und Kind sehr intime Momente, wenn das Verhältnis intakt ist. Das muss sogar so sein, ein Indikator für Bindung. Ich liebte es, Anna als Baby zu massieren. Ich weiß nicht, ob sie sich daran erinnern kann. Die Bindung kann es bestimmt. Die Gesellschaft ist krank, wenn sie in jeder Art der körperlichen Zuwendung einen Übergriff vermutet. Ich hatte großes Glück, dass die wichtigsten Menschen mir hier vertrauten. Es sind die leiblichen Väter, die missbrauchen, nicht zwingend die Stiefväter.
Ein Vater ist in vielen Dingen der erste Ratgeber. In anderen der zweite. Und in manchen umgeht man sogar seinen Rat, weil man Bestätigung möchte. Seinem Kind einen guten Rat zu geben, ist ein großes Gefühl für einen Vater. Das beste. Ich vermute, es ist für Männer viel wichtiger als für Frauen. Es gibt Sinn für die eigene Daseinsberechtigung. Diese Daseinsberechtigung erlangen Mütter qua Geburt. Wir Väter durch Rat. Das schlimmste aller Gefühle, wenn niemand SEINEN Rat oder Beistand braucht.
Viele Männer definieren sich über das Machen. Probleme werden durch das Machen gelöst, nicht durch Kommunikation. Dieser Ansatz ist nicht mehr zeitgemäß, aber dann doch gar nicht so falsch. Das Vatersein besteht ja eben auch häufig aus machen und organisieren. Und hinbringen und abholen. Und wieder hinbringen und abholen. Machen in Verbindung mit Verlässlichkeit gibt den Kindern Sicherheit. Oberstes Gesetz: Wenn alle Stricke reißen, Paps lässt mich niemals hängen. Er macht. Hin und wieder mit Knurren und Murren, aber er steht parat. Der Sanitäter in der Not. Mir war es immer wichtig, egal wie unangenehm die Situation ist, dass meine Tochter niemals Bedenken hat, mich anzurufen. Zu jeder Tageszeit! Die berechtigte Standpauke erfolgte im Auto. Machen und Schutz stehen in enger Verbindung zueinander. Wie bei allem: Man darf es nicht übertreiben! Das ist die Herausforderung. Zu viel beschützen wollen, lähmt. Man erträgt den Gedanken nicht, dass das Kind wahrscheinlich all das selbst durchleben MUSS, was man selbst bereits durchlebt hat. Wenn man selbst nie beschützt wurde, fällt es um so schwerer vom Schutzmechanismus Abstand zu nehmen. Man möchte nicht, dass das eigene Kind sich auch so schutzlos fühlt.
Die ganz besondere Geschichte zwischen Anna und mir, ist, dass ich mir mein „Papssein“ verdienen musste. Lange Jahre war ich der Alex. Auch schön. Aber irgend etwas hat gefehlt. Heute bin ich viel öfter der Paps. Paps genannt zu werden ist ein Synonym für Verlässlichkeit. Nicht für Respekt. Respekt kann man auch als ein Alex erfahren. Es ist schön, wenn die ehemals Hingebrachte und Abgeholte jetzt immer öfter „Paps“ schreibt und sagt. Ein kleines Wort, dass vollständig erwärmen kann.
Zweifel als Zutat des Vaterseins klingt auf den ersten Blick sehr negativ. Ich glaube aber, dass er ein gesunder Begleiter darstellt. Der Zweifel alles richtig gemacht zu haben. Der Zweifel seine zugewiesene Rolle gerecht geworden zu sein. Der Zweifel zu viel oder zu wenig unternommen zu haben. Der Zweifel ein gutes Vorbild gewesen zu sein. Am Ende redet man sich natürlich gut zu, der Zweifel bleibt.
Bestärkung und Vertrauen. Die zentrale Aufgabe eines Vaters besteht darin, das Kind in seinen Entscheidungen zu bestärken. Das Vertrauen, dass man dem Kind entgegen bringt, soll das Vertrauen des Kindes in sein eigenes Handeln vergrößern. Nur so kann ich schwierige Hürden meistern. Ich muss mir vertrauen können. Wenn ich immer höre, das wird nix, dann glaube ich das irgendwann selbst. Wenn man erfolgreiche Menschen auf ihr Geheimnis des Erfolgs anspricht, sagen sie oft: Meine Eltern haben an mich geglaubt und in dem was ich tue immer bestärkt. In vielen problematischen Eltern-Kind-Gesprächen konnte ich häufig eins feststellen, dass Vertrauen und Bestärken auf Seiten der Eltern massiv gestört waren, dass ihnen das Motivieren des Kindes fast unmöglich erschien. Wenn ein Kind nicht motiviert werden kann, ist das der Tod jeder möglichen Entwicklung.
Die letzte Zutat eines Vaters: Liebe! Die Vaterliebe ist in der Regel eine distanzierte. Nicht so Luft nehmend wie die der Mütter. In der Regel! Sie ist aber nicht minder nachhaltig. Väter/ Männer lieben anders. Das zu beschreiben ist schwer. Vielleicht so: Oft sind Bedingungen notwendig. Ein bestimmtes Bild muss präsentiert werden, dass die Liebe trägt. Eine kompromisslose Liebe ist für den Mann sehr schwer umzusetzen. Bröckelt das Bild, das man sich wünscht, bröckelt die Anerkennung, die Liebe. Ich war immer bestrebt mich gegen diese Art zu lieben aufzulehnen. Immer ist mir das nicht gelungen. Ein Vater wünscht sich, geliebt zu werden, und das auch gezeigt zu bekommen. Am besten in einem regelmäßigen Turnus. Geschieht das nicht, fängt er an seiner eigenen Liebe zu zweifeln. Ich musste es erst lernen, dass ich geliebt und respektiert werde, ohne dass man es ständig zeigt. Ein sehr schmerzlicher Prozess. Aber es hat es sich mehr als gelohnt, diesen Prozess durchgestanden zu haben.
Wie geht Vatersein? Jeder Vater muss das selbst für sich herausfinden. Das liegt in der Natur der Sache. Der Vater muss seine Rolle finden, wie das Kind seine Rollen finden muss. Wenn beide im Gespräch bleiben, sich gegenseitig vertrauen, sich schätzen, sich stützen, hält diese Bindung ein Leben lang und ist nicht mit Geld - und Süßigkeiten - aufzuwiegen.
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