Der Eintrag über meinen Vater gestern im Blog ging mir sehr nahe. So viele Jahre sind diese Erlebnisse jetzt her, und doch habe ich einzelne Situationen direkt vor meinen Augen, spüre die Angst von damals fast körperlich. Ich glaube, deswegen wollen viele Menschen über ihre (schlimme) Vergangenheit nicht sprechen. Es rüttelt so viel Schmerz wach. Für mich ist es aber auch eine befreiende Erfahrung, das jetzt aufgeschrieben zu haben. Verarbeitet? Kann ich nicht sagen. Es ist wie ein Weinen, das reinigt, und man danach klarer sieht. Ich würde gern ein Film über meine Familie drehen. Jedes Familienmitglied müsste eine eigene Sequenz erhalten, da sie alle völlig verrückte und unterschiedliche Leben gelebt haben. Ihre jeweiligen Perspektiven müssten ausgeleuchtet werden. Was würde sie verbinden, was trennen? Was wäre die gemeinsame Wurzel des Übels, die zerstörerische Formel? Was die eigene Schuld für das Desaster? Was war mein Glück? Der frühe Tod der destruktiven Eltern? Die Flucht der Geschwister? Das Finden einer Ersatzfamilie? Auf diese Spurensuche würde ich mich gerne begeben. Manche sagen bestimmt, das bringt doch nichts Alex. Lass die Vergangenheit Vergangenheit sein. Schaue nach vorne! Wahrscheinlich haben sie Recht. Es ist reine Rache. Ich möchte mich rächen. Mit Sprache, mit Kommunikation, mit Auseinandersetzung. Mit all das, was meiner Familie bis heute fehlt. Man hat sich für Flucht und Verdrängung entschieden. Beides kann nicht gut sein, lässt aber den Menschen überhaupt erst überleben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es ist nicht immer lustig, seinem negativen Ich/Icke vor dem Spiegel gegenüber zu treten, aber es bringt einen als Individuum auf jeden Fall weiter.
Heute verändere ich auch ein wenig mein Wesen, werde wieder mehr zu Ich als zu Icke.
Ich bekomme gleich eine Ladung Testosteron verabreicht. Hormone sind ein geiler Stoff. Können aber auch einen ziemlich aus den Socken hebeln oder in den Seilen hängen lassen, je nach dem. Ich liebe es, wenn die Arzthelferin, das dickflüssige Zeug mit einem Drücken und Kreisen unter der Einstichstelle verteilt. Es ist so, als würde ich mir meinen Zaubertrank abholen, und gleich Unmengen von Römer verhauen.
Habe ich gleich gesagt. Corona prüft uns alle in Sachen Geduld. 08.05. Uhr war ich mit Vorahnung in der Praxis, um mir das bereits per E-Mail bestellte Rezept zu holen. 08.15 Uhr stand ich in der Apotheke, die sich im Erdgeschoss des Ärztehauses befindet. 08.30 Uhr klopfte ich nochmal in der Praxis an, um mir die Spritze geben zu lassen. Pech! Innerhalb von 15 Minuten hat sich doch tatsächlich dort eine Schlange gebildet. Nun muss ich in einer vollen Praxis warten. Mit der dritten Impfung wäre mir sichtlich wohler. Gelüftet wird hier auch nicht. Was man nicht alles auf sich nimmt, um Icke ein wenig abzuschütteln. Was sich die Leute so auf dem Handy anhören. Ihr Vertippen lässt einen aufhorchen. Da sie dann aber am Ende doch den richtigen Stopp-Button treffen, sind es nur Sprachfetzen, die man vernimmt: Kaffee…japanisches…die CDU…Dazwischen ein Ping-Pong-Geräusch eines Handyspiels, Husten, Bollern, Keuchen, baumelnde Urinbeutel aus verkleckerte Shorts. Eine Urologie-Praxis ist wahrlich kein netter Aufenthaltsort vor dem Frühstück. 09.05 Uhr und ich habe es geschafft. Ich bin "geboostert", aber nicht was die Covid-Impfung betrifft, sondern was mein Testosteronspiegel anbelangt. Drei Monate darf ich hormontechnisch wieder aus dem Vollen schöpfen. Wer braucht schon einen zweiten Hoden? Mit Peter Schilddrüse wird es dann ähnlich verlaufen: nur leider nicht alle drei Monate, sondern täglich eine Pille. Irgendwann wird man alles mit Pillen regeln können. Leber hinüber, jo, dann schluck ich halt die Rieslingschorle zusammen mit einem blauen Leber-Pillchen.
Als Krankgeschriebener, der einigermaßen bei Sinnen ist, kommt man tatsächlich in den Genuss, große Teile einer Bundestagsdebatte live verfolgen zu können. Ich will jetzt nicht allzu politisch werden. Es ist aber schon eine Farce, wie sich die CDU/CSU hier aufführt. Kaum in der Oposition, torpediert sie alles und jeden. Die epidemische Lage nationaler Tragweite aufzuheben, war natürlich auch nicht so geschickt von den Ampel-Jungs und -Mädels. Ein jurisitsiches Konstrukt, dass der/die Otto-Normal-Bürger*in nicht versteht. Zu Recht nicht versteht. Ein verheerendes Signal! Ist es jetzt ernst oder nicht, fragen sie. Natürlich ist es ernst! Verdammt ernst! Man sollte nur den Bericht, des Intensivkrankenpflegers von gestern bei Lanz anschauen. Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Jeder intubierte Patient verabschiedet sich von seinen Angehörigen, weil es eine 50-50-Chance gibt, dass er wieder aufwacht, so erzählt es der Pfleger. Die Einspielungen vom Kölner Karneval geben einem dann den ultimativen Rest. 2 G muss her, evtl. sogar 2 G+. Flächendeckend. Und das so schnell wie möglich. Kalle for Gesundheitsminister! Hergottsack, ist das denn so schwer! Und eine Impflicht verdammt noch mal! Sonst wird's bald ein 3 G: geimpft, genesen und gestorben. Icke spricht wieder dazwischen, sorry!
Ich kenne mitlerweile einige, die es schwer erwischt hat, und kaum einsatzfähig sind. Viel mehr als am Anfang der Pandemie. Auch ohne Vorerkrankungen. Impfen und ein paar Monate noch Geduld. Dann ist das Schlimmste überstanden. Die Hoffnung stirbt hier nach den Ungeimpften. Auf der Empore des Bundestages sitzen Teile der AfD-Fraktion hinter Glas, weil die ihren Impfstatus nicht preisgeben wollen. Nicht wundern bitte, der Bundestag soll ja ein Spiegel unserer Gesellschaft sein!
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