Bewegung gehört natürlich auch dazu. Gestern hatte ich keine Lust mehr, vor dem Schlafengehen noch zu bügeln oder imaginäre Zigaretten holen zu gehen. Ich musste mit der Schmach leben, dass der Bewegungsring ein Stückchen offen blieb. 11355 Schritte wurden es dennoch. Das Fitness-Quartett mit Nicole habe ich gewonnen. Anzahl der Treppenstufen! Stich! Als krankgeschriebene Eremit doch gar nicht so schlecht.
Heute steht meine letzte Stunde mit Mrs. Yogi an. Abschiedsgruß sozusagen. Strecke damit dem Krebs nicht nur wiederholt den Hintern entgegen, sondern auch die Zunge raus. Fuck off würde Mrs. Yogi nicht so gerne hören, schlechtes Karma, aber das Fuck off wird weiterhin in mir schwingen wie die Klangschale vor mir. Kann ich nichts dagegen machen, Mrs. Yogi!
Gutes ausgewogenes Ernährungsverhalten tritt dem Krebs mal so richtig in den Allerwertesten. Man sagt, wissenschaftlich belegt, zu 50 Prozent. Die Lektüre der alten Ernährungsbücher, zeigt mir, dass vieles gut läuft - welcher Mann isst schon regelmäßig Brokkoli, Rote Beete, Himbeeren, Tofu, Dinkel, Leinsamen? -, aber trotzdem ist noch eine Menge Luft nach oben. Das Querlesen machte mir das wieder bewusst. Back to the roots ist somit die Devise. Es grüßt das Murmeltier nicht täglich, sondern alle 10 Jahre, so scheint es. Leider wird man dann doch immer wieder rückfällig und mampft zwischendurch ein todbringendes ekliges Pizza-Leberkäsweck zwischen zwei Weizen-Pappdeckeln von der Theke oder baggert sich noch ein zweites Schnitzel rein. Der Mensch scheint immer nur kurzfristig schlau zu sein, was man nicht nur bei seiner Ernährung feststellen kann. 118 Kilo habe ich schon mal gewogen. Grotesk! 2006 war das. Deutschland ein Sommermärchen. Viel Weizen aus der Flasche. viel Chips aus der Tüte, kaum Bewegung. Ich lebte zu der Zeit auf einem Barhocker. Alles abzulesen an meiner Wampe. Ich bin zwar groß, aber für dieses Mega-Gewicht dann doch zu klein. Bemerkenswert dabei: kein Fleisch. Von 2004 bis 2012 ernährte ich mich vegetarisch. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Vegetarier immer schlank sind. Das niedrigste Körpergewicht war 2012 nach dem Umzug in die Landauer City. 87 Kilo. Umziehen als Diät kann ich sehr empfehlen.
21 Kilo Unterschied. Wahnsinn! Der Mensch ist eine Wandlungsmaschine. Oder soll ich besser sagen ICH. Aktuell bin ich bei 95,3. Relativ stabil über mehrere Jahre jetzt. Auch während der Chemotherapie.
Nicole hat ernährungstechnisch auch einiges durch. Das verbindet. Wir müssen dem anderen nichts mehr vormachen, werfen ihm seine Unzulänglichkeit nicht vor die Füße. Das Schlimmste für einen Liebenden ist es, wegen seiner Schwäche selbst nicht geliebt zu werden. Das haben wir beide miteinander überwunden. Und das ziemlich schnell. Natürlich soll jeder so sein, wie er das für richtig hält. Und auch essen, was er für richtig hält. Man muss nur darauf hinweisen: Du könntest dich umbringen damit, Liebling! Wer lässt schon regelmäßig seine Blutwerte überprüfen, misst seine Salzsensivität? Kostet ja schließlich auch 20 Euro. Wir fressen und trinken uns krank. Entweder zu wenig oder zu viel. Wir haben eindeutig das Maß des guten Geschmacks verloren. Wenn ich mir überlege, was immer überall so aufgetischt wird. Es ist wie mit den Kindergeburtstagen: höher, größer, weiter, schneller, wer hat die buntesten Kügelchen im Angebot. Künstliche Farbstoffe gar nicht gut, egal! Zwar alle im Informationswahn, aber davon wollen wir dann plötzlich nichts mehr wissen. Wer greift auch nicht gern in die Gummibärchenschale, obwohl er weiß, was da für ein Mist drin ist. Keine Frage, schlechte ungesunde Nahrung kann man sich auch mal ruhig antun - wenn es eben nicht zur Gewohnheit wird. Da ist jeder Tag ein innerer Kampf mit den Ickes und Ickis dieser Welt, den wir viel zu häufig verlieren. Wenn es eine Skala für Topernährung geben würde, würde ich uns aktuell bei 6.8 ansiedeln. Weil unser Speiseplan vor allem aus frischem Obst und Gemüse besteht und viele der im „Krebs mögen keine Himbeeren“ beschriebenen Inhaltsstoffe in die täglichen Mahlzeiten Einzug halten. Warum wir immer den Schlag auf den Hinterkopf dazu brauchen, ein Rätsel. Z. B. erst aufhören zu rauchen, wenn es schon zu spät ist, erst den Kaffee und Alkohol weglassen, wenn der Magen perforiert. Der Mensch ist eben einfach nur ein Mensch - der hofft!
Was Krebs auch nicht mag: Distress, negativer Stress also. Eustress ist super! Ich müsste somit gerade sowas von malignen-und wucherungsfrei sein. Ich lebe nicht mehr auf einem Barhocker, sondern in einer Anti-Distress-Blase. Aufregen tue ich mich nur noch, wenn der Bergdoktor debil in die Kamera grinst und trotzdem einer seiner zu blöden Trullen ins Bett bekommt. Oder Kimmich sich nicht impfen lässt und jetzt mit Gehalt in Quarantäne muss. Verfliegt dann wieder alles ziemlich schnell. Außerdem begrüße ich ja jeden Tag die Sonne und mache den Hund. Allein das stampft den Distress schon in Grund und Schaumstoffmatte. Eine meiner besten Freundinnen - hört sich cool an; Bergdoktor sein, is schon irgendwie geil - sagte gestern: Ich kann dir nur empfehlen, zieh‘s in die Länge. (Also den Eustress!) Arbeiten ist Kacke! Die Menschen treiben mich in den Wahnsinn! Man muss dazu sagen, sie arbeitet an einer deutschen Berufsschule in Barcelona. Ich habe natürlich sofort interveniert, Icke nicht! Ich freue mich tierisch, nächstes Jahr wieder im Dienst zu sein, Icke nicht. Werde alles dran setzen, ihn etwas positiver in die Zukunft blicken zu lassen. Lass mal Alter, meint Icke. Vielleicht kann ich die durch Distress verursachten Krankheiten einfach auf Icke abwälzen. Ich lache im Yoga, was das Zeug hält, und er fault vor sich hin wie ein angeknabberter liegen gelassener Braeburn.
Tja, was killt uns noch? Ach ja, fehlende Liebe! Untersuchungen besagen, dass regelmäßiges Kuscheln das Herzinfarkt - und Krebsrisiko um 9 Prozent senkt. Man streichelt dich, guckt dich lieb an, und Zack - läuft eine ausgebüxte Krebszelle wieder in der Spur. Mein Urologe propagiert den Tipp, regelmäßig die Flöte durchzupusten oder durchpusten zu lassen (O-TON!), das verringert das Prostatakrebsrisiko um 36 Prozent. Selbstliebe ist hier an der Stelle auch ein Lösungsansatz. Prophylaxe nicht wegzudenken in der Medizin. In Sachen Liebe und Selbstliebe habe ich keinerlei Defizite. Ich höre geradezu meine Krebszellen brüllen: Du Arsch, musst du immer so viel lieben und geliebt werden, das hält ja kein bösartiger Tumor aus!
Wenn ich noch ein bisschen überlege, fällt mir bestimmt noch das eine andere ein, was den Krebs erst gar nicht entstehen lässt. Für‘s Erste muss es das mal gewesen sein. Hab ja noch anderes zu tun. Blöd, doch wieder Distress!
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