Das Maximale

Ein intensiver Tag geht zu Ende. Ich weiß jetzt gerade gar nicht, womit ich anfangen soll. Zu viele Gedanken schwirren mir durch den Kopf. Vielleicht beginne ich mit der wichtigsten Erkenntnis des Tages: Es umgeben mich unfassbar viele liebe sensible Menschen. Die Welt ist furchtbar, aber solange wir zusammenhalten und füreinander da sind, wird auch die Angst vor der Zukunft weniger. Davon bin ich zutiefst überzeugt. In jeder Krise ist es elementar, nicht alleine zu sein. Das ist schon fast ausreichend, um sie bewältigen zu können. Ich überspitze, übertreibe, überspanne hin und wieder, aber doch nur mit dem einen Ziel, für eine Auseinandersetzung anzuregen. Manchmal schieße ich am Ziel vorbei. Immer ein Risiko, das mich begleitet. Ich möchte zeigen, was einen Menschen beschäftigt, der eine todbringende Krankheit in sich trägt, mit allen seinen Gesichtern, Launen und wirren und irren Gedanken. Wir sind heute dies und morgen das. Was macht es mit einem, wenn man hart vor Augen geführt bekommt, dass das eigene Leben endlich ist? Was zählt, was ist überflüssig? Was ist eigentlich wirklich wichtig? 

Wonderwoman hat heute bestätigt, dass ich in den letzten 6 Monaten das Maximale für mich rausgeholt habe. Krebsfrei, bildgebend zumindest und bezogen auf die Lymphknoten. Was es mit den Wucherungen Rund um die Schilddrüse auf sich hat, muss noch abgeklärt werden. Ein großer Sieg wurde trotzdem schon eingefahren. Die Voraussetzungen gesetzt, auch beim nächsten Kampf fröhlich von der Platte zu gehen. 

Am Dienstag war ich noch cool. Nach dem PET-CT wurde mir ja schon ein gutes Ergebnis signalisiert. Aber jetzt von Wonderwoman das nochmal bestätigt und erläutert zu bekommen, war doch wieder aufwühlend. Als Nicole und ich nach einer halben Stunde Gespräch aus dem Büro der Hämatologin entlassen wurden, haben wir uns abgeklatscht und lagen uns in den Armen, als hätten wir gerade einen Kantersieg gegen den FC Bayern eingefahren. Der Unterschied zu vor 10 Jahren: die Unbefangenheit und Naivität ist weg. Das Wort „geheilt“  ist aus dem eigenen Wortschatz gestrichen worden.  5 Jahre sagt die Statistik, dann könnte das nächste Rezidiv auftreten. Der statistische Mittelwert aller Therapieformen. Aber das macht nichts, 5 Jahre sind 5 Jahre. Das Maximale ist die Vorgabe für eine Reduktion des Unnötigen. An dem Tag als ich erfahren habe, dass der Krebs zurück ist, latschten wir mit zwei Dosen Bier von der Tankstelle an den Neckar, um uns gegenseitig Zuversicht zu spenden. Heute tranken wir zwei Piccolöchen in der Günther-Klotz-Anlage, und stießen auf unser so erhofftes Glück an. Ich habe zum zweiten Mal das verfickte Lymphom niedergerungen, aber das viel größere Glück ist es, von Nicole so geliebt zu werden, wie ich bin. Ich denke, das ist der Wunsch aller Wünsche überhaupt. Und Icke und ich bekomme ihn jeden Tag von Neuem erfüllt. 


Ach noch ein wichtiger Gedanke: 


Liebe Irmgard und lieber Bruno, 


ihr seid für mich die Eltern, die ich in meinem Leben viel zu wenig hatte. Ja, es klingt hart: eigentlich gar nicht hatte. Ich seid für uns alle immer da. Tag und Nacht. Fiebert mit, ringt mit uns nach Lösungen und habt immer ein offenes Ohr. Nie sind wir euch zu viel. Und mittlerweile sind wir wirklich viele. 

Zeigt Stärke und Mitgefühl, auch wenn ihr sie für euch selbst kaum habt.

Wir haben es uns heute Abend zusammen gut gehen lassen und aus den Tiefen des Herzens miteinander Tränen gelacht. 

Ich wünsche mir noch viele solcher tollen Abende. 

Ich möchte an dieser Stelle einfach mal Danke sagen. DANKE -  für alles! 


Alex und Icke 


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