Ui, spät heute! Manchmal komme ich auf die seltsamsten Titel. Aber vielleicht schaffe ich es ja, ihn mit diesem Eintrag mit etwas Sinn zu füllen.
Meine Freundin Heike, die seit 25 Jahren in Barcelona lebt und liebt, war für ein paar Tage in Deutschland. Ursprünglich wollten wir uns in Karlsruhe treffen, aber das war mir zu stressig. In meinem Zustand trau ich mir einen Abstecher in eine Großstadt nicht zu. Da ist doch Ettlingen der perfekte Kompromiss. Über das Landesgartenschaugelände spazierten wir in die Innenstadt, um dort gemeinsam zu speisen. Heike war entzückt von dieser kleinen goldigen Stadt; sie erinnerte sie an Esslingen. Ich ließ das mal so stehen: Baden gegen Württemberg und so. Das Wetter war fantastisch und ließ Gassen, Fachwerk und Blumenvielfalt in hellem Licht erstrahlen. Heike war von dem Wohlstand und der Aufgeräumtheit des Städtchens begeistert. Ich erwiderte, dass ja Barcelona als Weltstadt jetzt auch nicht so schlecht daherkommt. Fünfmal konnte ich mich da in meinem Leben schon selbst davon überzeugen. Es habe ja was, morgens vor dem Frühstück im Meer zu schwimmen und das ganze Jahr über das beste Wetter genießen zu können. Aber alles andere wäre die reinste Katastrophe, meinte Heike. So unterscheiden sich die Perspektiven: dort Strukturlosigkeit, politisches Chaos, Armut, Spaltung in den Familien, hier die Überverregelung, Ordnungsliebe, Langeweile und Reichtum. Die Gemeinsamkeit: überall Empathielosigkeit und kein Verständnis für den Gegenüber. Die Überforderung mit gesellschaftlichen Krisen umzugehen!
Nach der Meinung von Heike reden wir in Deutschland viel zu viel schlecht, viele Menschen sind unzufrieden - mit allem. Dabei leben wir in einem Land, vor dem die meisten Staaten der Erde große Achtung haben. Wir haben immerhin zwei totalitäre Systeme überstanden und unser Land vereinigt. Beide sind wir stolz, dass wir 2015 Humanität vor Ressentiments und Abschottung gestellt haben. Leider ist die gute Idee an der Umsetzung gescheitert. Wie so oft! Das Menschenbild Merkels war auch unseres. Die Kanzlerin hat sich dadurch unseren Respekt verdient. Oft habe ich schon erfahren, dass der fremde Blick auf unser Land positiver besetzt ist. Katalanische Familien werden jetzt nicht nur von den Unabhängigkeitsbestrebungen gespaltet, sondern auch durch die kontroverse Impfdiskussion. Mehrere Generationen leben oft unter einem Dach, und es gibt tatsächlich eine Vielzahl von Impfgegnern und Coronaleugnern unter den jungen Leuten. Diskusisionen werden umschifft, um nicht für heftigen Streit zu sorgen. Selbst das Ken-Jebsen-Video kursiert unter den Spaniern. Irre: Ein deutscher Verschwörungstheoretiker hat eine Anhängerschaft in Spanien. Uns ist es völlig schleierhaft, wie Leute auf dieses verwirrte Geschwätz reinfallen können. Offen wird einem ins Gesicht gesagt: Hey, du bist doch geimpft, da muss ich mich doch nicht impfen lassen.
Heike und ich fiebern sehr der Wahl entgegen. Wahrscheinlich wie viele in unserem Land. Die FDP mögen wir beide nicht, glauben aber beide, dass sie wohl das Zünglein an der Waage sein wird. Es finden sich nicht so viele FDP-Sympathisanten in unserem Freundeskreis. Der Tod war noch Thema in unseren Gesprächen. Es tat gut, dass ich darüber sprechen konnte. Es ist schwer, ein Gesprächsparnter*in zu finden, der/die sich meine kruden Überlegungen anhören kann. Die meisten zieht das unweigerlich runter und kommen schlecht drauf. Heike hat sich große Mühe gegeben, trotzdem mit großem Optimismus auf mich einzuwirken. Ich bin kein Pessimist, aber als Realist spielt man eben Szenarien durch, die für die meisten nicht überlegenswert sind. Die Angst vor der sich selbst erfüllten Prophezeiung ist zu mächtig. Vielleicht tritt ja das Negative ein, wenn ich es ausspreche. Irgendwie sind wir dann doch alle am Ende abergläubisch, obwohl wir nicht glauben. Ich finde es wichtig, wenn man sich mit den Nächsten über alles austauscht. Auch darüber, wer die Grabrede hält. Es gibt hier zwei Ansätze: nach mir die Sintflut oder ich möchte so viel vorbereitet haben wie möglich. Ist es nicht spannend, sich die Grabredner selbst ausgesucht zu haben? Wir haben nur festgestellt, dass wir uns gar nicht mehr so gut kennen. Wir können uns zwei Jahre nicht mehr sehen und können Tage ohne Schweigen und ohne einen Funken Langeweile verbringen. Das macht Freundschaft aus. Aber um sich wirklich kennenzulernen, muss man von Angesicht zu Angesicht viel Zeit miteinander verbringen und viele Lebensthemen miteinander besprochen haben. Ist das Sterben nicht ein wichtiges Lebensthema? Noch spannender ist es natürlich, die Grabrede "davor" gelesen zu haben. Skurriel, weiß ich natürlich. Trotzdem ein genialer Gedanke - für mich. Nächstes Level: eine eigene Grabrede bzw. einen letzten Gruß zu verfassen. Das wird gar nicht so selten gemacht. Schöne Sachen gibt es da. Textlich zumindest. Na ja, mal sehen. Noch habe ich ich nichts zu lesen bekommen und selbst auch noch nichts verfasst. Das Gefühl, es eilt ja nicht, überwiegt. Es wird auf jeden Fall im Auge behalten.
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