Heute gab es wieder eine Folge „Schlaflos in Böchingen“. Wie so häufig haben wir uns dann wach gequatscht. Es ging um langatmige Heilungsprozesse und enttäuschte Erwartungen. Man stellt sich das alles immer so einfach vor: Medikament, OP, Anwendung = gesund. Das ist leider nicht so. In der Gleichung fehlt etwas Entscheidendes: nämlich Geduld! Und wer hat die schon von uns. 6 Wochen ist es jetzt her, dass die Schmerzen an Nicis Bandscheibe so massiv wurden, dass eine OP wohl unausweichlich war. Eine sichtliche Besserung ist zwar eingetreten, aber die Patientin ist leider noch überhaupt nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Vergleich und Austausch hilft oft bei solchem Genesungsfrust. Wie weit sind denn Mitpatienten*innen, denen/deren L4 ebenso Mus ist? Die eine schiebt einen Rollator vor sich her und die andere staunt, weil Nicole schon Kilometer auf dem Laufband absolvieren kann. Die Mitpatientin selbst habe noch viel zu große Schmerzen, um das machen zu können. Geduld ist also das wichtigste Medikament und muss regelmäßig über eine verdammt lange Zeit eingenommen werden. 6 Wochen sind da noch nichts. Das muss man erstmal realisieren.
Es gibt ein striktes Handyverbot auf dem Reha-Gelände. Die Cafeteria und der Außenbereich sind die zwei einzigen Bereiche, in denen ein Handy zugelassen wird. Wenn man sich dort aufhält, berichtet Nicole, wird einem bewusst, dass erstens das Verbot seine absolute Berechtigung hat und zweitens welche krankhafte Entwicklung die Handynutzung in unserer Gesellschaft genommen hat: ALLE Anwesenden „datteln“ mehr oder weniger sinnlos vor sich hin. Ich interveniere: Ich lese doch auch meine ganzen Zeitungen und Zeitschriften auf dem Handy, und ich lese häufig dabei die Artikel von A-Z., außerdem schreibe ich Blog! Das wird als Argument gelten gelassen, trotzdem ist es eine Zeit, wo man sich nicht unbedingt mit seiner Gesundung auseinander setzt. Man könnte doch mal aufschreiben, was ich alles von dem einhalte, das mir in den Anwendungen gezeigt wurde oder mir das aufschreiben, was ich noch alles beachten müsste. Oder eine Karte an eine liebe Freund/Freundin verfassen. Oder - welch eine verrückte Idee - mich mit meinen Mitpatienten austauschen. Oder eben „nixen“. Was nixen ist? Im letzten 3nach9-Talk vom 10. September war der Neurologe Professor Volker Busch zu Gast. Er erzählte, dass seine Studenten ein Wort ständig erwähnen. Das „Niksen“. Es bedeute chillen ohne Handy. Kreiert wurde es von Holländern. Volker Busch hat einen Bestseller geschrieben. („Kopf frei“), worin es um die die große Herausforderung geht, mit den neuen digitalen Techniken adäquat und gesund umzugehen. Wir stünden da noch ganz am Anfang. Unser Hirn sei ein sehr altes Organ und überhaupt noch nicht bereit, die unfassbaren vielen täglichen Informationen zu verarbeiten. Wir müssten auch ohne die neuen Medien am Tag mit mehreren Gigabyte Informationen umgehen. Jedes WhatsApp, jeder Facebook-Post, jedes YouTube-Video würde unser Hirn total „verstopfen“. Wir bräuchten unbedingt einen Abflussmechanismus. Träumen stelle so eine Reinigungs-und Bearbeitungsmethode dar. Im Prinzip müssten wir das Träumen in unseren „wachen“ Alltag integrieren. Dann hätte unser Hirn auch wieder Platz für neue Ideen und Kreativität. Professor Busch habe viele Patienten, deren Gehirn diese Überlastung und „Verstopfung“ aufweist. Depression und Burnout seien die Folge. Viele der anwesenden Gäste outen sich als potentielle Patienten*innen von Prof. Busch. Bülent Ceylan z.B., der von „Sucht“ spricht und sich zwingen müsse, in Leerstellen nicht nach seinem Handy zu greifen. Ich bin kein besonderer Fan von Ceylan. Es ist mir in seiner Performance zu viel Slapstick dabei. Er ist lustig, keine Frage. Mir ist das Kabarett irgendwie näher als Comedy. Comedy birgt schell die Gefahr der Verflachung in sich. Aber das Interview mit Ceylan und seine Biographie hat mich schwer beeindruckt. Ich sage nur 80 Quadratmeter, 6 Menschen, in einem Vorort von Mannheim. Vater Türke, Mutter Deutsche. Tinitus seit 16. Abitur in Russisch. Er könne besser russisch als türkisch. Als er von seinem verstorbenen Vater erzählt, muss er das Interview unterbrechen, weil ihn das zu sehr mitnimmt. Ein Typ, der es von ganz unten bis nach ganz oben geschafft hat, der das Herz auf dem rechten Fleck besitzt. Giovanni Di Lorenzo war sehr von der bewegenden Biographie, die Ceylan vor kurzem veröffentlicht hat, angetan. Ich auch!
Ich habe schon „reingehört“. Macht Lust auf mehr.
Auch Peter Tauber, der ehemalige Generalsekretär der CDU hat mich schwer beeindruckt. Das waren natürlich meine Themen: Krankheit, Rückzug, Selbstschutz. Eine Darmerkrankung und eine Notoperation zwang ihn zu einer Pause. Nun hat er die Entscheidung getroffen, der Berufspolitik ganz den Rücken zu kehren. Das Pensum als Berufspolitiker, vor allem als Generalsekretär ist schon immens. Die ständigen Anfeindungen, den man ausgesetzt ist, nicht zu vergessen. Mir ist aufgefallen, dass Herr Tauber zwar von Besinnung und Ruhe sprach, er aber so viele Projekte und Pläne aufzählte, dass ich mich frage, ob er nicht doch wieder ins alte Fahrwasser gerät. Es gibt Menschen, die können ohne Stress einfach nicht. Vielleicht hat er aber ein anderes Bewusstsein für seinen Körper und seine Grenzen erhalten. Man möchte es ihm wünschen. Dass ein Parteifreund seine Zwangspause mit den Worten „er war schon ein schlechter Generalsekretär und jetzt wird er auch noch krank“, kommentiert, macht sprachlos. Eine Parallele brachte mich zum Nachdenken: Tauber lief vor seiner schweren Erkrankung einen Marathon; ich lief den Baden-Halbmarathon 2010 ein Jahr vor meiner ersten schlimmen Diagnose. Vielleicht hat diese körperliche Überforderung das Immunsystem so massiv durcheinander gewirbelt, dass die Krankheit dadurch Oberwasser bekam. Ich könnte viele spannende Geschichten aus dieser wunderbaren Sendung hier zusammentragen, aber ich belasse es mal an dieser Stelle. Ach vielleicht eins noch. Der weltberühmte Pianist Igor Levit war auch Gast der Sendung. Man sollte meinen, dass ihm die Musik das Wichtigste auf der Welt ist. Wenn er ans Klavier geht und ein Stück spiele, sei die meiste Arbeit schon verrichtet. Wenn er die Noten das erste Mal lese, höre er sie bereits und er bearbeite das Stück im Kopf. Wenn er sich dann ans Klavier setze, ist es so, als würde er einem alten Bekannten begegnen. Dieser einzigartige Künstler sagt nun, dass für ihn schon immer nicht die Musik das Wichtigste in seinem Leben war, sondern DIE MENSCHEN. Die Begegnungen und der Austausch mit Menschen. Beeindruckend! Ich kann diese spannende Folge nur empfehlen. (Mediathek, Podcast). Danach aber natürlich unbedingt - „niksen“!
Also, ich hab nicht ganz genikst. Da ich ja was getan habe: Garten gefegt, Wäsche zusammen gelegt. Stupide Verrichtungen. Bei denen man auch so den einen oder anderen Gedanken ins Leere schweifen lassen kann. Ohne einen Hauch von Multitasking, was für das Hirn auch nicht so gut sein soll, so Professor Busch.
Den Nachmittag haben wir mit den Nachbarschaftskatern genikst. Interessant wie sich die Katzen tatsächlich im Charakter voneinander unterscheiden. DerWolke hat ja ADHS und Obama dagegen unbehandeltes ADS. Der nikst sowas von routiniert und dauerhaft. Sein einziges Ziel im Leben ist es, zu fressen und sich die Sonne auf dem Wams scheinen zu lassen. Wenn es ums Mampfen geht, wird Obama aber zu einem unbesiegbaren Ninja-Krieger. Was das angeht, macht DerWolke seinem Namen alle Ehre. Vielleicht ist der gute alte Mahatma Gandhi sein Vorbild: Widerstand ohne jegliche Gewaltanwendung! Obama, man kann es nicht einfach anders sagen, ist ein Arsch! Ohne zu fragen, frisst er in DerWolkes Revier in aller Ruhe die Schüssel leer. Könnte man glatt meinen, dass die Flucht aus seinem Heimatland nur das einzige Ziel beinhaltet, sich an die hiesigen Sozialsysteme zu bereichern. Da kann man froh sein, dass AfD-Funktionäre davon nichts Spitz bekommen haben. Das wäre ja noch was vor der Wahl gewesen: „Obama frisst uns das Futter weg!“
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