…ist Symbol für
- Normalität
- Berufsalltag
- mein altes (gesundes) Leben.
Heute ziehe ich mal wieder seit langer Zeit ein gebügeltes Hemd an. Ich möchte Wonderwoman schick und aufgeräumt um 08.00 in Heidelberg unter die Augen treten. Mich von meiner besten Seite zeigen. Befund- und Strategiegespräch steht an. Wir werden gemeinsam festlegen, wie es mit mir weitergeht: Beendigung der Chemotherapie oder eben noch die letzten zwei Zyklen durchziehen. Ich gehe mal von der letzten Variante aus. Frau Dr. „Rein-mit-dem-Zeuch“ wird sich mit den 60 Prozent bestimmt nicht zufrieden geben. Ich würde es ja gern. Aber als Realist gehe ich mal davon aus, dass ich noch ein paar Prozente für ein paar Jahre mehr brauche. Die Vorgehensweise mit der Schilddrüse muss ich auch ansprechen. Ich hoffe, sie hat da einen Plan. Ich merke, dass bei mir im wahrsten Sinne des Wortes so langsam die Luft ausgeht, was Ärzte, CTs, Tagesklinik und Chemo angeht. Ich will einfach meine Ruhe. Mich erholen, ohne Termine und Medikamente, mit Yoga, Garten, Familie, Freunde und viel Kreativität.
Heute ist auch die obligatorische erste Dienstbesprechung in der Schule am Ferienende. Mit viel Sekt und Organisatorisches. Ich habe diesen Schultermin zweimal in 18 Jahren sausen lassen müssen: wegen Wacken und die erste Krebserkrankung. Ich würde da natürlich ebenfalls ein gebügeltes Hemd an haben. Es ist nicht mein Ding, bei offiziellen Terminen Flip-Flops und kurze Hosen, wie mancher Kollege, zu tragen. Dafür bin ich zu preußisch erzogen worden. Wahrscheinlich wird es für Sandaletten sowieso zu kalt sein. Mein Schrank ist voller Hemden. Werde ich sie in Zukunft nochmals in der Häufigkeit tragen? Seit Monaten reichen mir T-Shirt und Sweatshirt. Greife mir einfach das erstbeste Shirt vom Stapel. Völlig ungebügelt. Das „ungebügelte“ Leben ist auch ganz schön. Da wir eine emanzipierte Ehe führen, bügle ich selbst. Das habe ich (meist) sehr gerne gemacht. Nun bin ich aber auch froh, das nicht mehr in dieser Regelmäßigkeit einplanen zu müssen. Gestern waren wir den ganzen Tag im Schlabberlook unterwegs. Was sinnvoll war, da das Mirabelleneinmachen immer eine große Sauerei nach sich zieht. An den Schlabberlook habe ich mich jetzt schon irgendwie gewöhnt. Herrlich, sich so treiben lassen zu können und nicht auf Etikette Wert legen zu müssen. Wie wird das in Zukunft sein: Führe ich ein Hemden-Leben oder ein Schlabberlook-Leben? Hauptsache, es springt überhaupt ein Leben heraus.
Bei Wonderwoman
Hodkinmäßig kann ich mich wohl freuen, irgendwann wieder regelmäßig meine Hemden bügeln zu können. Die Therapie hat gut angeschlagen; sie ist sehr zufrieden mit mir. „Alles schick, Herr Schnur!“ War doch gut, dass ich ein Hemd angezogen habe. Um die letzten zwei Zyklen komme ich leider nicht rum. Danach wird ein PET (Positronen-Emissions-Tomographie) gemacht. Es sollte dann hoffentlich nichts mehr blinken, und wenn möglich nur da, wo man es noch gut entfernen kann. Hab ich das dann alles überstanden, ist ausreichend Erholung angesagt, dass ich gestärkt und motiviert die nächste Baustelle angehen kann. Die Schilddrüse. Untersuchung, Abklärung, OP. Auch hier nochmal erst vollständige Genesung, bis ich dann in die Reha entlassen werde. Ich gehe davon aus, dass ich nicht vor April 2022 in die Schule zurückkehren werde. Krankgeschrieben bin ich jetzt erst mal bis 31.12. Das ist ein Wort!
In the City
Es war zu früh für Heidelberg, also ab nach Neustadt. Die gute Rückmeldung von Wonderwoman musste mit einem feudalen Frühstück gefeiert werden. Und ein paar Kleidungsstücke. Als verbeamteter „Krebsler“ kauft man ganz anders ein. Scheiß auf das Geld! Huaaah! Man will nur ein kleines Teil und kommt mit vier großen zurück. Sonst wägt man ab, entscheidet hin und her. Steht der Sensenmann in der Einfahrt, kauft man halt beide Hosen und noch das schnucklige Sakko dazu. Is ja schließlich SCHLUSS-Verkauf! Alles muss raus - äh, rein in die Einkaufstasche! Die Verkäuferin hatte auf jeden Fall wahnsinnig gute Laune. Ich war so voller Konsumendorphine, dass ich Nici noch einen grandiosen sexy Rock, nach einer einstündigen Anprobiersession, spendierte. So auf dem Sofa mit dem Habitus eines römischen Imperators (Daumen hoch, Daumen runter) lass ich mir das auch gerne gefallen. Ich gebe es ja zu, ein paar Mal bin ich auch kurz weggenickt, so dass man mich aufwecken musste, bevor ich mein Todesurteil für das Kleidungsstück ausrufen konnte.
In einem Seifenladen waren wir dann noch damit beschäftigt, 50 verschiedene Seifen durchzuschnuppern. Es gibt schon extrem unnötige Sachen, aber geil wars trotzdem. Irgendwelche wohlriechende Bio-Schafsmilchseifen wurden es dann. Auch hier gab die Chefin alles und war am Ende glückselig.
Man muss sagen, Neustadt hat echt coole Läden.
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