(Auch für Frauen interessant!)
Heute habe ich mir ein wenig den Kopf zermartert, wie ich den Eintrag betiteln soll. „Vorsorge“?: Lockt ja niemanden wirklich hinter dem Ofen vor. „Männer geht zur Krebsvorsorge!“, könnte zu abschreckend und belehrend für die Penisträger unter uns wirken. Unsexy! In die nun gewählte Überschrift „die sensiblen Eier der Männer“ kann man vieles hineininterpretieren (Au ja, jetzt haut der Schnur mal so richtig einen raus, lechz!) Nönö, wird mal wieder total langweilig. Aus aktuellem Anlass gehts tatsächlich NUR um die Krebsvorsorge des Mannes. Am Rande evtl. ein klein wenig um Sex, aus medizinischer Sicht.
Heute muss ich zu meinem Urologen. Es ist wieder die „Hafenrundfahrt“ angesagt. Was für eine Kackmetapher für eine Untersuchung, die zu den Topfive der unangenehmen Arztterminen zählt -
wenn man ein Hetero ist. Würde Doc. Untenrum tatsächlich nen Schiff durch „den Hafen“ losschicken, wärs aber mal so richtig ungemütlich.
Was Wonderwoman für die Hämatologie ist, ist Wonderman für die Urologie. Wonderman ist dafür verantwortlich, dass ich überhaupt noch unter den Lebenden verweile und nerven kann. Da ich als Kind einen zu spät entdeckten Hodenhochstand hatte (ich wurde erst operiert, da war ich schon in der Grundschule), habe ich ein erhöhtes Risiko an Hodenkrebs zu erkranken. (Hahaha! Witzig!) Daher war ich also in der Vorsorgeschiene drin, was mir schlussendlich das Leben rettete. Was tastete der Super-Uro da damals? Ein Hodentumor! Schnippidischnapp, das linke Ei ab. Routine! Ich konnte gar nicht so schnell den Riesling-Schorle austrinken, wie ich mir nix dir nix plötzlich einhodig war. Mein schöner geliebter schnuckliger Hoden dann per Post auf die Reise geschickt - gutartig, das freudige Ergebnis. Wonderman war irgendwie nicht beruhigt und unterbreitete mir die Option eines MRTs. Wäre ich damals im Behandunglungszimmer aufgestanden und hätte mich mit der gutartigen Nachricht zufrieden gegeben, wäre ich jetzt schon mausetot. Mein damaliger Hodgkin war nämlich so aggressiv wie die irre Alice Weidel. Das CT zeigte eine vergrößerte Milz, was leider NICHT an meinem überdurchschnittlichem Weinkoksum lag. Der neunmonatige Heilungsprozess nahm somit seinen Lauf. Im Februar war der Schnur einhodig und Ende April wusste ich erst, dass ich etwas Todbringendes habe. Im Mai 2011 begann dann meine Therapie. 10 Mal schlimmer als die aktuelle. Leukos gegen null, Haarausfall, Blutinfusion. Ich war da mal so richtig im Arsch. Auch wenn ich das heute noch nachempfinden kann, geh ich nicht lockerer in meinen 4. Zyklus. Im Gegenteil. Ich hab sowas von keinen Bock mehr auf den Mist. Es ist ein Kindergeburtstag im Vergleich zu vor 10 Jahren. Dennoch werde ich in 36 Stunden wieder total weggeballert sein. Ich mag das nicht mehr!
Hoden- und Prostatakrebs sind die häufigsten Krebsarten beim Mann. Erkennt man den Krebs früh genug, besteht eine Heilungschance von 98 Prozent. Es macht also eindeutig Sinn zur Vorsorge zu gehen, hängt man denn am Leben. Was nur jeder 5. Mann tatsächlich tut. Es gibt verschiedene Aktionen in der Öffentlichkeit, in dem Prominente, wie der Schauspieler Jürgen Vogel auf die Wichtigkeit der Krebsvorsorge hinweisen - gerade auch beim Mann. Mir hat sie auf jeden Fall schon mal das Leben gerettet, zumindest für 10 Jahre. Hoffen wir mal, dass ich wieder ein paar Jahre geschenkt bekomme. Natürlich hat man Angst. Sie ist aber kein guter Berater in medizinischen Angelegenheiten, eher ein Killer! Mit einem Ei kann ich gut leben. Mein Testosteron ist dadurch unten und ich bekomme alle 3 Monate Nebido über eine Spritze in den Po reingejagt. Mein Gemüt hellt sich schlagartig auf und ich fühle mich rundum wohler. Testosteron ist für vieles verantwortlich. Es wird gesagt, dass man es mir anmerkt , wenn der Spiegel abflacht. Ich merke es, dass da etwas unrund läuft, wenn ich keine Morgenlatte mehr habe, beziehungsweise die Latte nur ein verkümmertes Lättchen ist. Jungs, wenn ihr keinen Antrieb verspürt, zur Verstimmung neigt, euer Umfeld blöde anflaumt oder anschweigt, ihr für nichts Lust habt, lasst euch mal euren Testosteronspiegel prüfen. Wichtig ist auch, so mein Uro-Gott, dass man „regelmäßig „die Pfeife“ durchbläst, sonst setzt sich der ganze Schmotter fest und entartet womöglich.“ Ist doch ein super Argument für den sonntäglichen ritualisierten Beischlaf. Rein prophylaktisch gesehen. Oder: eine Runde Onanie, medizinisch indiziert sozusagen. Macht mit Sicherheit NiCHT blind, sondern eher sehend. Herzgesundheit lässt sich übrigens auch darüber ablesen. Wissen ist Macht! Nichtwissen macht machtlos!
Es gilt, die Angst vor einem schlechten Ergebnis in Zaum zu halten. Keiner will ein doofes Ergebnis, aber wenn es doch da ist, kann man etwas unternehmen. Ein Indikator natürlich immer auch die familiäre Krankengeschichte. Krebs in früheren Generationen, macht Vorsorge auf jeden Fall noch sinnvoller. Im internet gibt es viele interessante links (Protatasta.de, dkfz.de). Ich weiß, lesen ist nicht unbedingt ein Männerding; aber manchmal hat Mann dadurch tatsächlich einen lebenswichtigen Mehrwert.
Später werde ich detailliert von meiner „Rundfahrt“ berichten. Kleiner Scherz!
Im Wartezimmer des Urologen. Alles Männer! Ich bin der Jüngste. Ritter der traurigen Gestalt. Keiner dieser Herren wird wohl seine Zeugungsfähigkeit kontrollieren lassen. Apropos. Ich erinnere mich. Es war damals mit 25 wie ein Schlag in die Magengrube, als ich von meiner vollständigen Zeugungsunfähigkeit erfuhr. EIN Spermium hatte ich zur Verfügung und das war ein Totalschaden. Anna hätte schon längst einen Felix als Bruder bekommen können. Ich saß nach dem Arztgespräch im Auto und habe erstmal hemmungslos geflennt. Ich glaube, ich war sogar richtig laut. Ich konnte, es nicht fassen. Eine Wahrsagerin hatte mir doch vier Kinder ausgependelt, die dumme Kuh! Mit Ulrike hatte ich folgendes „Zeichen“ vereinbart. Komme ich Heim und verlange ich nach einem Schnaps, gibt es keine guten Nachrichten. Ich habe bei ihr zwei bestellt. Schnell war aber auch klar, welches große Glück ich mir mit Anna eingehandelt hatte. Ich als „Zeugungsversager“ durfte bei Hausgeburt ganz nah am Ort des blutigen Geschehens dabei sein, die Nabelschnur durchtrennen und den Mutterkuchen durch ganz Freiburg transportieren, um ihm im Japanischen Garten zu vergraben. Durfte Anna füttern und windeln, beruhigen und in den Schlaf singen. Ich konnte sie zum Kindergarten, zur Schule, zum Turnfest und Bläserkonzert, zur Kommunion begleiten und vom Weinfest abholen. Trotz der Katastrophe war ich wieder mal ein Glückspilz. Hätte ich diese vier prophezeiten Kinder bekommen, hätte ich das sicherlich auch gefeiert. Bloß, wie schafft man es, so viel Liebe und Ängste zu verkraften. Man stelle sich vor, ich hätte bei den anderen drei die gleiche Liebe gespürt und die gleichen Ängste ausgestanden wie bei Anna. So hatte ich nur einen ICKE im Kopf und nicht gleich ein Dutzend. Nie im Leben hätte ich das emotional verkraftet. Für mich ist es unvorstellbar, ja der blanke Horror, ein Kind zu verlieren. Man stirbt doch da mit. Es gibt die Geschichte von deutschen Eltern, die 2000 beim Tsunami in Thailand ihre 3 kleinen Kinder verloren haben. Von einer Sekunde auf den anderen kam die Welle und hat sie für immer fortgespült. Die Mutter hat sich zwei Jahre danach das Leben genommen und der Vater hat nie wieder ins Leben zurück gefunden. Manchmal denke ich, wenn man keine Kinder hat, muss man diese fürchterlichen Ängste vor Verlust nicht aushalten. Dann denke ich aber gleichzeitig, was für ein Privileg das eigene Kind auf dem Lebensweg begleiten zu dürfen - und verdammt nochmal, ich will auch einen Haufen Enkel in meinem Haus am See!
Bei Wonderman. Das erste was er sagte, als ich ihm von Rezidiv berichtete, war: Scheiße! Ich glaube, ich hab ihm kurz seine stets gute Laune versaut. Bei der Untersuchung gab er sich große Mühe. Für meinen Geschmack zu viel und zu lange. Wie ist es nur möglich, dass man mit dem Finger im Boppes Lust verspüren kann? Ich dachte für einen kurzen Moment, was ist eigentlich, wenn ihm der Finger in mir abbricht. Nieren- und Blasen-Ultraschall und das Tasten allesamt unauffällig. Ich zu ihm: Vielleicht bin ich einfach zu ihnen gekommen, um mir mal gute Nachrichten abzugreifen. Er: Das haben Sie sich verdient. Anfang September bekomm ich noch die Ergebnisse der Laborwerte mitgeteilt. Nehme mal an, dass da nichts Besonderes zum Vorschein kommt.
Nachmittagsspaziergang von Böchingen nach Flemlingen. Sonnenblumen, Sonnenblumen, Sonnenblumen. Noch die letzten Stunden vor dem großen Sturm genießen.
Meine Blutwerte sind tippitippi. Sogar die Harnsäure ist das erste Mal im Normbereich. Ich gehe also gut vorbereitet in den 4. Zyklus. Wenigstens das. 08.00 Uhr Arztgespräch, wie gehabt. Die CT-Bilder werden natürlich Thema sein. Entscheidung wird noch nicht fallen, die trifft dann Wonderwoman mit mir zusammen am 27.08.. Aber ich hoffe, dass eine Tendenz zumindest erkennbar ist. Kommt drauf an, wie schnell ich dann am Port angestöpselt werde und wie ich das Retuximab vertrage, dann bin ich in ca. 2 Stunden draußen. Es ist immer wieder spannend, wie heftig das Zeug wirkt. Ich darf warme Anziehsachen nicht vergessen. In den letzten zwei Runden habe ich immer ein klein wenig Schüttelfrost bekommen und nach einer Bettdecke gefragt.
Kommentar schreiben