Oh wie wunderbar! Da treffe ich Irvin D. Yalom wieder, und das in einem Interview mit dem Stern. Ich hab mich schon die letzten Tage gefragt, was aus dem 89-jährigen Irvin wohl geworden ist. Er hat doch tatsächlich seinen 90. Geburtstag gefeiert und arbeitet immer noch als Therapeut, schreibt Kurzgeschichten, in denen es um seine Patienten geht. Vieles hat er im Gespräch erwähnt, was er schon im Buch „Die Unzertrennlichen“ mit seiner schwerkranken Frau zusammen niedergeschrieben hatte. Er kann immer noch nicht ans Grab seiner Marilyn gehen oder Fotos von ihr anschauen. Es würde ihm das Herz zerreißen, sagt er. Er weint viel und sucht weiterhin einmal die Woche eine Therapeutin auf. Der weltberühmte Psychoanalytiker und Trauerspezialist braucht nun selbst Hilfe. Was für eine Ironie des Schicksals. Er geht jeden Tag zu einer Parkbank, auf der er mit seiner Frau bis zuletzt immer Händchen haltend gesessen hat und spricht mit ihr. Nachbarn, die es wissen, dass er dort immer verweilt, schreiben Nachrichten für ihn auf kleine Zettel und kleben sie an die Bank. Er ist immer noch von Trauer erfüllt und hat keine Angst mehr vor dem Tod, weil er keine Minute seines reichhaltigen Lebens bereut. Er wird mit seiner Trauer bis zum Ende seiner Tage leben müssen. Was für ein Glück sei es gewesen, das Leben 65 Jahre mit seiner geliebten Marilyn geteilt haben zu dürfen. „Trauer ist der Preis, für den Mut jemanden zu lieben.“ Was für ein Satz! Dieser weise alte Mann ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich ihn am liebsten in den Arm nehmen und ihn mit Fragen löchern würde. Wie schaffe ich es mit meiner Endlichkeit klar zu kommen, im Angesicht meiner Liebsten? Wie bereite ich sie vor? Soll man sich und sie überhaupt „vorbereiten“? Wie merke ich, wann ich sie überfordere? Wie wichtig muss ich Träume nehmen? Ach Irvin, warum könntest du nicht mein väterlicher Freund oder gar Therapeut sein. Ich würde dir gern von Nici und mir erzählen. Ich würde dir sagen wollen, dass ich meine Frau auch jeden Tag bewundere: ihre Stärke und Zuversicht. Dass mich der Gedanke martert, sie jemals verlieren zu müssen.
Dieses Bild mit deiner Frau ist mein allerliebstes Paarbild. Dieses Foto sollte jedes Paar bei sich hängen haben, als Motivation oder Zielvorgabe. Es strahlt so viel Lebensglück aus. Es tut einfach gut, es anzusehen. Man sieht darauf ein altes Liebespaar, das bis zum Schluss gern zusammen gelebt und sich gegenseitig bereichert hat. Es stahlt so viel Wärme und Zuversicht aus. Wenn man dieses Foto verinnerlicht, dann darf man eigentlich in Sachen Liebesglück keine Kompromisse mehr eingehen. Und wir wissen, wie viel Paare ein einziger Kompromiss, ohne gegenseitige Zuneigung, leben. Heute weiß ich, man muss sich nicht quälen, sich schlecht fühlen, den anderen liebend machen. Liebe und Respekt können von Dauer sein. Wenn beides nicht mehr gegeben ist, sollte man weiterziehen. Nicht gleich, man kann auch ein wenig kämpfen, aber man sollte schnell spüren, wann der Kampf verloren ist. Danke lieber Irvin, dass ihr einen sehr intimen Teil eures Lebens mit uns geteilt habt. Ich werde immer mal an euch denken und überprüfen, wie es dir ergeht. Wie hast du es so schön formuliert: Wenn niemand mehr an einen denkt, dann ist man als Mensch endgültig erloschen.
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