Fehler…

…dürfen gemacht werden, darf man haben. Es gibt einen Professor an einer amerikanischen Eliteuniversität, der seine Studenten*innen absichtlich Fehler erlaubt, damit sie weiterkommen und daraus lernen. Dies hat der Prof. zu einer Lehrmethodik auserkoren. Alter Gedanke und doch so innovativ. 

Ich hasse Fehler und mache so viele. Ohne Google und ohne Rechtschreibprüfung wäre ich ein Kretin. Dieses Wort wird z.B. gerade rot unterstrichen. Ich bin mir nicht sicher, wie die korrekte Schreibung lautet. Also schaue ich nach. Manchmal bin ich mir leider allzu sicher (Berufskrankheit) und liege kräftig daneben. Oft erfasse ich Fehler erst im Nachhinein, weil er mir dann doch wie aus heiterem Himmel ins überraschte Auge springt. Es ist die Kunst von uns allen, so wenig offensichtliche Fehler zu machen wie möglich: Das Weinglas auf die fabrizierten Saucenflecken stellen, damit die Tischnachbarn sie nicht sehen. Ein immer wiederkehrender Fehler: Ich vergesse eine Gürtelschlaufe. Jedesmal unterschätze ich die Anzahl dieser doofen Dinger. Nicole führt mich dann durch die Ösen wie ein geisteskranker tauber Blinder. 

Ich habe innerhalb von einem Jahr 4 Brillen - billig und teuer - geschrottet oder verloren. Die Steuerzahler*innen kommen Gott sei Dank für mein perfides Brillen-Problem auf! 

Das Bewusstwerden meines ständigen Missgeschicks lässt mich mittlerweile ein wenig resignieren. Es scheint so, dass auch ich aus meinen Fehler nichts lerne. Bin ich nun ein unbelehrbarer Trottel? Bin ich etwa auch ein Kevin? Der berühmte Kevin, der nach 20 Erklärungen immer noch dähmlich schreibt. 

Fehler. Wie ich sie hasse, aber ihnen nicht entkommen kann. Ein Kampf auf verlorenem Posten. 

Ich bin ein Mensch, der andere ungern auf Fehler aufmerksam macht - und das als Lehrer. Beruf verfehlt, Herr Schnur! Mir sind Menschen zuwider, die nach Fehlern anderer geradezu suchen, sie finden und sie einem freudig grinsend unter die Nase reiben: Politessen, Fahrkartenkontrolleure, Mathelehrer*innen. Da hast du aber nicht gegendert. Daran musst du doch denken, du bist doch Deutschlehrer, Stufenleiter, Vater. Das weißt du nicht, das weiß doch jeder. 

Bei meinen Eltern durfte ich keine Fehler machen. Zu viel hatte man mir abgenommen, weil sie mir nichts zutrauten. Von wichtigen Menschen kein Vertrauen zu erhalten, ist mit das Übelste, was einem Kind widerfahren kann. Entweder macht dieser Umstand eisenhart oder man zerbricht daran.  

Die englischen Elfmeterschützen: Fehler von nationalem Ausmaß! Was für Beleidigungen und Häme mussten sie sich anhören. Von Leuten, die niemals in ihrem Leben einen Elfmeter geschossen haben, niemals so im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen werden. Mir taten sie sofort leid, auch wenn ich mich für die Italiener gefreut habe. Sane‘ und Gnabry: Was müssen die ertragen, weil sie nicht gut gespielt haben, nicht in Form waren. Müssen Fußball-Millionäre oder mehrfache Olympiasiegerinnen*innen automatisch immer gute Leistungen zeigen? Koste es was es wolle? Dürfen sie nicht an den Ansprüchen scheitern? Ein Fehlschuss, ein Verfehlen der notwendigen Platzierung, eine Blockade im Kopf - und ausgemustert, nicht mehr relevant. Furchtbar! 

Annalena Baerbock. Viele zu viele Fehler. Leider. Man hätte ihr weniger gegönnt. Zu jung, zu unerfahren, die Gute! Ihr größter Fehler ist es, immer unfehlbar erscheinen zu wollen. Eine ehrgeizige Streberin, die zu oft vergisst, ein normaler Mensch mit Schwächen zu sein. Doch eine schlechtere Führungspersönlichkeit als Laschet und Scholz? Zumindest fraglich. Wenn der Schein auffliegt, ist das immer bitter! Wir lieben Stärke und verachten Schwäche. Philipp Lahm empfiehlt in einem Interview homosexuelle Spieler, sich nicht zu outen, weil dies evtl. nicht für die Karriere förderlich sei. Ehrlich ist er! Seine Wahrheit bleibt einem im Halse stecken. Für die Schwachen ist die Zeit noch längst nicht reif genug in unserer Gesellschaft. Wir wollen, dass alle konform sind und überfordern uns mit dem Bild der anderen. Jeder sollte doch zu jedem Zeitpunkt sagen können, was sein Herz bewegt oder was ihn ausmacht. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit! 

Warum brüllt man im Auto rum, wenn der Vordermann einen Kack zusammenfährt? Hat man selbst keine Defizite, ist man tatsächlich in jeder Situation abgezockt und cool? Ich beleidige nicht den Vordermann, weil ich weiß, dass ich der schlechteste Fahrer der Südpfalz bin. Ich würde jedesmal mich selbst beleidigen. Vor allem unter Stress fahre ich schlecht. Weiß man immer, was die Omi, die schlagartig die Spur wechselt, gerade so in ihrem Leben durchmacht.

Wir empören uns, dass ein Rasfunktionär sein Schützling vor laufenden Kameras mit einer rassistischen Äußerung motivieren will (Hol die Kameltreiber!): selten dämlicher Fehler. Passiert uns etwa kein Alltagsrassismus? Denken und äußern wir nicht selbst viel zu oft rassistisch? Der Doofkopp hat sich in aller Form für seine Blödheit entschuldigt. Abgehakt! Nein, nun wird an ihm ein Exempel statuiert. Es ist gut, dass wir das alle mal über das Mikro gehört haben. Hätte das Mikrofon geschwiegen, wäre die Welt dann weniger rassistisch gewesen? 

Ich plädiere dafür, mehr ein Idiot sein zu dürfen. Ich wünsche mir schon lange folgende Standartbegrüßung: Hallo, du Idiot! Hallo, du Idiotin! Übrigens: Sind wir nicht alle Idioten - was die Klimakrise und das Konsumverhalten betrifft? 1,7 Erden brauchen wir dieses Jahr für unsere Ressourcen, Deutschland 2,5 und die USA 5. Fehler. Fehler. Fehler. Von uns allen, jeden Tag! 

Gibt und gab es während Corona eindeutig ein Richtig und ein Falsch? Die armen Politiker und Wissenschaftler, 

alles müssen sie richtig machen, unser Leben schützen, entscheiden ob Testpflicht für Reiserückkehrer, Impfen der Kinder, CO2-Neutralität 2030 oder 2040 usw. Und das am besten auf der Stelle, jetzt, sofort. Was für eine Aufgabe - als Idiot! 


Was ist wahre Größe? Dass man Fehler und Schwächen eingesteht - vor sich und ganz besonders vor anderen. Dass man Demut vor seiner eigenen Unzulänglichkeit empfindet, dass man zuerst an seine Unzulänglichkeiten arbeitet - jede verdammte wache Minute! Auch wenn das im Falle der fehlenden Gürtelschlaufe ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein scheint. 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0