Ohne Intervention geht es nicht

Schöne Gegend, toller Wellnesstempel. Genau richtig, um sich auf dritte Runde mit George Lymphomi vorzubereiten. Winterberg ist ein Paradies für kleine und große Kinder. Es gibt nichts, was man „sportlich“ hier nicht ausprobieren könnte. Für den Anfang waren wir auf der beeindruckenden Erlebnisbrücke. Wir sahen zum ersten Mal Skilifte, in denen BMX-Räder eingehängt wurden. Kleine und große Kids sausten den Berg herunter, als gäbe es kein Morgen. Wow! Wir fragten uns, wie viele Knochenbrüche musste die Unfallklinik an einem Tag hier wohl versorgen. 

Wir waren sehr relaxt. Immerhin sind wir beide zum Genesen hier: Madame Bandscheibe und Monsieur Hodgkin. Trotzdem nerven unerzogene mega laute Kinder in netten Lokalitäten sehr. Zwei Situationen und zweimal keine Intervention auf Seiten der Eltern. So wirklich gar keine. Es war kurzfristig eine Qual die schreienden keifenden umherspringenden Bälger ertragen zu müssen. Man überprüft dabei natürlich immer seinen Hang zur Spießigkeit. Der aufkommende Mordgedanke aktiviert parallel auch ein wenig das schlechte Gewissen, dennoch möchte man die ignorierenden Eltern am liebsten vierteilen. Rücksicht ist schon ein hohes Erziehungsgut, Freiheit und Kinderfreundlichkeit hin oder her. Darin waren Nicole und ich einer Meinung, aber wir sind ja auch ausgebildete Pädagogen. Das Restaurant, das wir heute aufsuchten, war ein wenig skurril, und verdammt lecker. Der Name ist nicht gerade einladend: Zum Ochsenwirt. Nomen non semper est Omen. Wir haben noch nie ein zarteres Filet gegessen. Vorspeise und Nachspeise wurden vom Wirt in einem „Bauchladen“ präsentiert. Zuerst dachte ich, er will uns vergackeiern. Aus einer Vielzahl von kleinen Gläschen konnte man sich etwas aussuchen. Zur Unterhaltung der Gäste spielte er dann auch noch Debussy und Gershwin am Flügel. Alle netten Servicekräfte latschten umher, als würden die auch daheim beim Wohnungsputz so rumrennen. Eine Kellnerin sah wie eine Drogenabhängige vom Bahnhof Zoo aus. Bei der Trinkgeldübergabe kam mir kurz der Gedanke, dass sie die Kohle bestimmt in Crack investiert. Das Interieur des Lokals war auch ganz besonders. Stielvolles Möbelliar und Fritz Lang neben uniformierten Hundemenschen an der Wand. Lotta wäre bestimmt sehr irritiert gewesen. 

Auf der Terrasse saßen zwei Bauarbeiter-Jungs und mampften zwei Bauarbeiter-Steaks mit großem Enthusiasmus. Es machte Spaß, sie beim Schlemmen zu beobachten. Sie passten optisch überhaupt nicht zur Einrichtung und zur Musik, aßen aber so langsam und genüsslich wie Queen Elisabeth! Mit vollem Ranzen und einem Gläschen Barriquewein im Kopp (soll ja auch gut gegen Krebs sein, sagen zumindest zwei Mitglieder meines Anti-Lymphom-Teams!!!) mühten wir uns zwar den Berg nach Hause hoch, waren aber extrem glücklich dabei. So kann’s weitergehen. Leider wird wohl das Wetter die nächsten Tage katastrophal. Scheiß egal!  

Wir haben beschlossen Hotel- und Restauranttester zu werden. Nur die Guten würden wir natürlich testen. Das Frühstücksbuffet war opulent, begleitet von klassischer Musik. Und das unter der Woche. Bei dem Schmuddelwetter und meiner brüchigen Kondition ist es nicht leicht, eine passende Tour zu finden. Aber mit Geduld und Spucke haben wir tatsächlich eine kleine herrliche ausgemacht. Der Brücken- und Schluchtenpfad. Selbst bei Nieselregen hatten wir unseren Spaß. Natur und Weg - richtig toll! Als Abschluss gab es im schnuckligen Kaffeehaus einen 1a-Cappuccino und zwei hausgemachte Torten. Zusammen hatten die unfassbar leckeren Geräte mindestens 7000  Weightwatcher-Punkte! Witzig: Emil-Bauer-Weine aus Nussdorf standen auf der Theke. Die Pfalz wird auch im Sauerland getrunken. Das coole Café wird wohl für den Rest der Woche jeden Nachmittag unsere Anlaufstation sein. Da wir ziemlich nass und durchgefroren waren, freuten wir uns natürlich auf diverse Anwendungen in unserem Reha-Hotel. 100 Meter Wettschwimmen und 15 Minuten Saunarium standen auf dem Programm. Für mich war das absolut ausreichend, Nici ist in der Regel eine Saunaverweigerin. Sie schwitzt nicht, sondern grillt eher langsam vor sich hin. Hatte Befürchtung das ihr Kopf vor lauter Hitze plötzlich platzt. Abkühlung half Gott sei Dank! 

Heute Abend testen wir wieder einen Portugiesen. Scheint ein hippes Lokal zu sein. Mal sehen…

Die 20 Minuten Fahrt mit dem Auto haben sich gelohnt. In einem alten Kolpinghaus war das Restaurant und die Tapasbar untergebracht. Überraschenderweise war der Abend regenfrei und wir konnten uns auf der Terrasse einen Tisch raussuchen. Da wir Tapas lieben, bestellten wir beide eine gemischte Platte. Mit einem großen Salat des Hauses. Spektakulär. Der Salat wer gleichzeitig ein Obstsalat. Ungewöhnlich, aber äußerst schmackhaft. Die Tapas kalt und warm waren die absolut richtige Wahl. Ratzeputz alles verdrückt. Ein selbst gebackenes Brot mit eingebauten Salamistückchen mit Aioli hätte ich mir auch als Hauptspeise vorstellen können. Die Potatas Bravas ein Gedicht. Auch in die Backbohnen hätte ich mich reinlegen können. Die werden uns aber heute Nacht mit Sicherheit leider umbringen. Evtl. sogar das ganze Stockwerk. Ein Essen ohne Desert ist kein ordentliches Essen. Süße Platte stand als erste Wahl schnell fest, wie immer mit zwei Löffeln. Man will es ja nicht übertreiben. Auch wie immer: lch will kein Desert, so die gnädige Frau. Pienz, pienz, pienz! Und dann: frisst sie mir wieder mal in Ekstase versetzt den halben leckeren Teller leer. Kein Wunder: Lag da ein warmes von den Göttern zubereitetes Apfel-Zimt-Törtchen vor uns. Der rostige Ritter in Honig raubte einem die Sinne. Ein kleiner Schokowürfelkuchen mit einer Kugel Vanilleeis rundete die süße Komposition perfekt ab. Wir mussten uns minutenlang anschweigen, weil wir keinen Ton mehr rausbekamen. Oben zumindest. Als wir die Rechnung erhielten, blieben wir weiterhin sprachlos. 60 Euro für den ganzen Schmaus. Da gehen wir nochmal hin, das ist sicher! Vor allem lag auf dem Tisch ein bemalter Stein mit der Aufschrift „Hoffnung“! Wenn das kein gutes Zeichen ist. 

Auf der Heimfahrt bauten wir fast einen Unfall, da eine Herde Kühe/ Rinder auf der Straße zusammen getrieben wurden. Die sahen nicht unbedingt so gutlaunig aus wie wir. Hatten bestimmt Angst vor dem heraufziehenden Unwetter. 

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