Aufgeben ist keine Option, auch nicht im Vorhof der Hölle!

Jesus lebt und Schwiegerpaps ist aus der Narkose aufgewacht. Die schwierige OP in München verlief wohl erfolgreich. Ein geliebtes Pfaffmann-Viertele zur Belohnung ist also bald wieder drin. Es wurde zwar so gemacht, als würde man so eben mal zum Zahnarzt gehen, aber ein wenig nervös waren wir dann doch allerorts. Der Patre muss uns noch ein paar Jährchen erhalten bleiben. Und der Gastronomie. Das eine oder andere Lokal würde ohne ihn bestimmt in eine Notlage geraten. Von den Schwiegersöhnen mal ganz abgesehen. Wen sollen wir Jungs denn fragen, wenn wir mit Kniffligem überfordert sind. Papa Bruno entstammt noch einem Geschlecht, das imstande ist, jedes Problem selbst zu lösen. Wir dagegen rufen alle gleich nach der Mami äh dem Papi. 


Entspanne deine Ohren, stehe wie ein Baum, dem kein Sturm was anhaben kann, spüre in dein Zwerchfell hinein. Ehrlich, ich kann schon verstehen, warum deutsche Männer Yoga verachten. Diese Körper-Bilder und dieses Gesäusel der Yogalehrerin, ist doch nur was für Weicheier, Hodenlose oder Diverse. Oder könnte man sich „Wir-brauchen-jetzt-Eier-Kahn“ beim Morgengruß vorstellen? Schnur hat sich redlich bemüht, eine stabile Tanne zu sein. Ein Baum, der erheblich schwankte, aber stehen blieb. Auch meine Ohren waren entspannt wie noch nie. Nur beim Zwerchfellspüren hatte ich etwas Mühe. Mit ein paar Anläufen und gutem Zureden - siehe da -, war das Zwerchfell sowas von aufgespürt. Irgendeine indische Atemtechnik sollte ich anwenden. Nannte sich Hautsuwischubaschu oder so ähnlich. Der Sieg über den Atem. Wenn man das macht, dann wird der Rachen, der Mund, die Achselhöhlen und Seele gereinigt. Eigentlich alles! 

Eine Übung sollte Entspannung sein, stresste mich aber, weil die Lehrerin ihren bekloppten Schüler ständig korrigieren und ausrichten musste. Kam mir vor wie Kevin, der nach nehrmaligen intensiven Trainings „dähmlich“ schreibt. Ich musste erst mit der Hüfte an die Wand robben und dann mit einer Drehung Beine an der derselben in die Höhe strecken. Für die Yogalehrerin war ich nicht nahe genug an der Wand positioniert. Korrektur, Korrektur, Korrektur! Meine Arme lagen seitlich weg. Ein klein wenig kam ich mir wie Jesus vor, aber immer noch mausetot. Meine Beine waren wohl zu schwer, so dass ich sie nicht lang genug an der Klagemauer halten konnte und sie in meine Richtung absackten. Die Übung war für den Arsch, fand ich. Ich läutete meine Auferstehung ein. Dennoch: Mir tat diese Stunde extrem gut. Am ganzen Körper war ich leicht warm. Vor allem meine Ohren. Meine Synapsen waren voll von Sauerstoff. Ich verließ den Kursraum aufrechter. Mein Gang ähnelte nun dem eines Ninja-Kriegers. Echt erstaunlich! Männer macht Yoga! Egal ob ihr einen Hoden habt oder drei. Ihr werdet euch alle danach bewegen wir Richard Gere in ein Offizier und Gentleman. Garantiert! 


Endlich hat es mit der Hautärztin gepasst. Die wichtigsten sichtbaren Fleckchen hat sie gleich gecheckt - und Entwarnung gegeben. Wenigstens bleibt mir der akute Hautkrebstod erspart. Vorerst. Bezüglich des Chemo-Präparats Bendamustin und dessen Einwirkungen auf die Haut muss sie sich noch einlesen. Am 20. Juli hab ich ein Ganzkörper-Scan.  Wartezimmer sind unheimliche Orte. Wie der Vorhof zur Hölle, wo man auf die merkwürdigsten Kreaturen trifft. Oder ist es vielleicht das Wartezimmer von Jesus Christus, der sein Talent zur Wunderheilung an den Geschöpfen seines Vaters auslebt? Tolle Spielwiese! Ein extrem dicker junger Mann, der kaum was anhatte, war übersät mit rotem Gesprengsel. Konnte mindestens 3/5 seiner Haut begutachten. Ein weiterer korpulenter Mann hatte seinen Hosenstall bis zum Bauchnabel auf und leuchtete in bunten Farben. Seine Kopfhaut musste höllisch brennen, so gerötet war die. Der Typ musste direkt aus Tschernobyl eingeflogen sein und hat dort irgendwelche furchtbaren Mutationen erlitten. Jesus bekam da aber einiges zu tun, mein lieber Wunderheiler! Meine eigenen kleinen braunen Fleckchen und Blutschwämmchen waren dagegen reinste Faktasieprodukte eines Hypochonders. So sitzend und wartend, überlegte ich, welches medizinisches Fachgebiet ist so richtig eklig. Gynäkologie? Urologie? Dermatologie? Dentologie? Neurologie? Das Hautzeuch liegt bei mir  schon ziemlich weit oben. 


Abends habe ich dann ein wenig an der Nachricht für die Schulabgänger*innen und deren Eltern gearbeitet. Diese erhalten sie dann alle im Laufe des Tages. Es ist mir wichtig, die Schüler*innen persönlich zu verabschieden. Der Betreff lautet: Aufgeben ist keine Option. Die Jugendlichen haben Vieles auf sich nehmen müssen, und dies bei dem ganzen Tohuwabohu um sie herum. Die Kids werden schneller erwachsen, als sie es selbst für sich je erträumt hätten. Und was ist das Erwachsensein? Es die Erkenntnis, dass die Erwachsenen eigentlich mit allem genauso überfordert sind, wie man selbst. Das beruhigt, verängstigt aber auch zugleich. Das habe ich natürlich nicht geschrieben, bin ja nicht doof! 

Die zweite Erkenntnis auf dem Weg zum Erwachsenwerden: Ein Leben ohne Schmerz ist nicht möglich. Mama und Papa hauen einen jetzt nicht mehr bei allem raus. Man wird gleich wie Rüdiger Nehberg nackt über den brasilianischen Dschungel abgeworfen. Friss oder werde gefressen! Aber wenn man Glück hat, hat man ein paar Tricks beigebracht bekommen. Z.B. versorge deine blutenden Wunden so schnell, wie es dir möglich ist, sonst werden eine Menge Raubtiere angelockt! 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Ulle (Sonntag, 11 Juli 2021 20:49)

    Oh Himmel, der war ja wirklich extrem witzig dein Bericht einer Yogastunde. Ich habe Tränen gelacht, weil ich mir so bildhaft vorstellen kann, wie du dich im Friedvollen Krieger abmühst und versuchst dabei noch den Sanskrit Namen zu lernen und kläglich dabei scheiterst. Weiter so, vielleicht übertriffst du mich ja. Ich habe mir in 4 Jahren Yoga nur einen der Zungenbrecher merken können.