Während Nici den Stoffmarkt in Karlsruhe unsicher machte, saß ich vorm ALEX bei Cappuccino und Schokotorte und tippte diese Zeilen für den Eintrag heute. Sehr unangenehm so viele Menschen plötzlich wieder um einen rum zu haben. Lag vielleicht auch an dem Großstadtklientel in Karlsruhe. Rauchend, palavernd, laut, hysterisch lachend, Selbstgespräche führend. Gut, Gespräche mit mir selbst bzw. Icke kenne ich zu Genüge. Aber ich hoffe nicht, dass ich dabei laut vor mich hin murmle, wie die ältere Dame, die sich an meinen Tisch gesetzt hat und eine nach der anderen in meine Richtung paffte. Habe ich Rauchen tatsächlich mal als cool empfunden? Ihre Ickeline war ziemlich narzisstisch veranlagt, schien mir. Was hörte ich da aus dem Gemurmel heraus: Wir sind doch alle selbst schuld, dass alles so gekommen ist. Das Individuum zählt nichts mehr. Überlege kurz, ob ich mit den zwei Damen das Gespräch suchen soll. Vielleicht hätte ich ja für etwas Optimismus sorgen können. Entschied mich aber dagegen. Mir begegneten während weiteren zwei Kaffees und einem alkoholfreien Pils ein fast toter kalkweißer Herr mit zwei abgeknickten Mohrrüben als Ohren, ein grüner Baum auf Rollerskates, ein verunstalteter potthässlicher Köter ohne Schwanz und Kopf, ein freches ADHS-Kind, das aus Wut den ganzen Tisch umwirft - Gott sei Dank nicht meiner - und ein Kellner, den ich durch die Maske null verstehe, auch nicht nach meinem sechsten Nachfragen. Ich errate seine Antworten und liege falsch, weil er mir den falschen Kuchen bringt. So viel Skurriles bin ich nicht mehr gewohnt; es löst Unbehagen aus, die Gattung Mensch wieder so nah auf der Pelle sitzen zu haben. Futter für den Misantroph. Nici baute mich dann mit ihrem Erfolgslächeln wieder auf. Für den Rest des Jahres hat sie sich genügend Stoff für diverse Nähprojekte gekrallt. Zwei Männer wurden auf dem Stoffmarkt gesichtet, aber nicht als passionierte Schneider, sondern als Mäzen. Tja, Pech gehabt, meine Liebe! Ich bin ja gern mit meiner Frau zusammen, aber Stoffmarkt muss jetzt echt nicht sein.
Von den Weltstadt-Strapazen konnten wir uns dann beim Kartoffelsalat-Abo in der Provinz (Ettlingen!) erholen. Das Kartoffelsalat-Abo, das diesmal aus einer leckeren Lachslasagne bestand. Schwiegermama hat wieder einmal fantastisch gekocht. Wir spendierten einen Fruchtsalat mit Stachelbeeren. Schwiegerpaps muss nächste Woche in München unters Messer. Experimentelle OP, die aber zu 90 Prozent schon erfolgreich verlief. Bei etwa 200 Patienten des Professors. Beide versuchen wir eben rauszuholen was geht. Einen auf sterbenden Schwan machen, gilt nicht! Ich jetzt 10 Jahre schon, Schwiegerpaps 8. Schicksalsgemeinschaft sozusagen. Der liebe Bruno hat aber schon weitaus mehr gelitten als ich. Ziele unterschiedlich: Er möchte gern seinen 80. Geburtstag munter erleben und ich meinen 60. Mal sehen. War mal wieder ein schöner Abend mit lustigen und spannenden Gesprächen. Ein paar Hinweise zur Frührente vom ehemaligen stellvertretenden Personalamtsleiter gab‘s kostenlos dazu.
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