Nicht viel! Die Krankschreibung verhält sich so wie die Corona-Lockdown-Phase: kaum Entbehrungen. Und jetzt, wo die Kulturveranstaltungen wieder losgehen, ist fast alles wieder beim Alten. Unser erster Konzertbesuch wird im Juli im Tollhaus sein: Götz Alsmann. Das wird bestimmt in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich werden. Ein schönes Konzert- oder Theatererlebnis, ja, das habe ich definitiv vermisst. Das gleiche gilt für ein Restaurantbesuch. Aber auch das ist wieder möglich. Muss nur evtl. etwas in den ersten Tagen der Chemophase langsam machen. Ich hoffe, das bleibt so. Reisen? Nicht wirklich vermisst. Auch wenn wir für unser Leben gern zusammen unterwegs sind. Aber man hat sich den Gegebenheiten angepasst und es sich Zuhause gemütlich gemacht. Bald wird es spannend sein, ob wir wieder längere Wandertouren unternehmen können. Die Hütten haben wir auf keinen Fall vermisst. Das Picknicken wurde dafür auf ein neues Level gehoben. Die Schorle hat noch besser bei fantastischer Aussicht geschmeckt. Aber es wird gewiss eine Erleichterung sein, nicht mehr so viel Zeug mitschleppen zu müssen und dafür einfach anständig einkehren zu können. Apropos Schorle! Ich bin froh, dass es mir keine Probleme bereitet, auf Alkohol weitestgehend zu verzichten. Im normalen Gesundheitszustand trinkt man schon recht viel, muss ich zugeben. Auf die ärztliche Frage wieviel und wann, antworte ich meist mit täglich 1-2 Achtel Wein. Jetzt geht es eher Richtung selten und wenig. Macht überhaupt keine Probleme.
Shoppen? Das Internet, das liebe Internet. Schon vor der Pandemie wurden die Shopping-Touren immer weniger. Das moralische Dilemma: Man findet eine City ohne Einkaufsmöglichkeiten ätzend, aber bestellt fast täglich aus Bequemlichkeit von der Couch aus. Man schimpft über die Macht der Konzerne, ist aber daran beteiligt, dass die ins Gigantische wachsen. Ich rechne damit, dass es in Zukunft eine Hybridlösung gibt und beide Einkaufsarten im Verbund oder nebeneinander existieren. Und dass die Supermärkte ihr Sortiment weiter ausbauen. Kontakt? Ist mit allen jetzt wieder möglich. Die meisten, die ich kenne, sind mittlerweile auch durchgeimpft. Keine Imfgegner in der Familie und bei den Freunden. Wenn doch, dann gehören sie dieser Gruppe nicht mehr an. Von Zweien musste ich mich distanzieren, die möchten aber auch in Berlin die Feinde der Demokratie bekämpfen - und da spiele ich nicht mit. Werde ich sie vermissen? Ja und Nein! Ich liebe schräge Vögel. Die Schrägheit hat irgendwann aber auch seine Grenzen. In mancher Hinsicht bin ich ziemlich durchgeknallt, aber was die politische Meinungsbildung anbelangt, bewege ich mich wie das Wahlprogramm der CDU/CSU eher in den 80ern, obwohl ich diese Parteien niemals wählen würde. Oh ja, das vermisse ich sehr: Mut, Innovation und Inspiration der politischen Klasse. Laschet und Scholz, Mut und Inspiration? Oh Mann! Ich möchte mal jemand an der Regierungspitze haben, der eine spannende gebrochene Biographie aufweist und Charisma besitzt.
Gott sei Dank Rauschen meine Leukozyten nicht so runter, so dass ich in normaler Form, Begegnungen zulassen kann.
Schule? Diejenigen, die regelmäßig meinem Blog verfolgen, werden es schon erraten können: Schule vermisse ich kaum. An eine Sache denke ich hin und wieder: das Arbeiten mit den Kindern im Unterricht und darüber hinaus. Eine unterrichtliche Situation kann so einzigartig sein. Wenn der Lehrer selbst etwas lernt, dann sind das die schönsten Momente. Ein kleine Geschichte möchte ich hierfür erzählen. Eine Schülerin der 10. Klasse schreibt einen Text über Verlust. Er beeindruckt mich derart, dass ich sie bitte, ihn vorzulesen. Sie weigert sich, da ihr das notwendige Vertrauen fehlt. Nach der Stunde spreche ich mit ihr und kann sie davon überzeugen, dass ihre besonderen Zeilen von allen gehört werden sollten. In der Folgestunde liest sie aufgeregt vor: Liebe Mama, ich vermisse dich so sehr. Niemand bekommt das mit, weil ich doch stark bleiben muss. Ich muss Papa helfen und meinen Abschluss schaffen. Ich weine nachts, nie am Tag. Es schmerzt mich so sehr, dass du nicht mehr da bist, dass ich nicht mehr mit dir reden und kochen kann. Wir haben immer so viel gelacht zusammen. Du hast jeden Quatsch mitgemacht. Ich konnte immer mit allen Sorgen zu dir kommen. Seit du nicht mehr da bist, tut mein Kopf weh, die Kopfschmerzen wollen einfach nicht verschwinden. Stark zu sein, fällt mir immer schwerer. Ich kann meine Mitschüler gar nicht verstehen, die über ihre Eltern schimpfen. Wenn die Eltern plötzlich nicht mehr da sind, schimpfen sie nicht mehr, sondern sind nur noch traurig. Papa ist auch immer traurig. Es zerreißt mir das Herz, wie sehr er dich vermisst. Wenn ich erwachsen bin, möchte ich auch so lieben können, wie ihr euch geliebt habt. Deine X.
In der Klasse war es damals ganz still. Niemand wagte etwas zu sagen. Niemand hat etwas gesagt. Ein paar Unterrichtsstunden später hat sich die Schülerin bei mir bedankt, weil durch ihren Text Mitschüler auf sie zugegangen sind und sie getröstet haben. Ihr wäre jetzt sichtlich wohler. Ja, diese Momente vermisse ich sehr. Es ist der schönste Teil des Lehrerberufs. Die Entwicklung und Reifung von so vielen Kindern und Jugendlichen begleiten zu dürfen, ist ein Privileg und lässt einen selbst jeden Tag ein Stück „wachsen“. 18 Jahre bin ich nun schon gewachsen, mal sehen, ob das eine oder andere Jahr noch dazu kommen wird.
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