Freundschaft & die Zeit

So lieb ich es! Man sitzt zusammen und quatscht bei gutem Essen und leckerem Wein über Gott und die Welt. Die Gesprächspartner auf Augenhöhe, meinungsstark. Gutes Wetter und Bluesmusik im Hintergrund tun ihr Übriges. Was meinte Rolo zu mir? Er nimmt mir nicht ab, dass ich meinen Job einfach so abhaken kann; ich hätte doch so gebrannt dafür. Was meinte Manfred dazu:  Oh ja, er versteht mich, dieses ganze Pädagogengelaber ist so unnötig. Wer braucht schon diese ganzen Meetings und Besprechungen, wo am Ende doch nichts dabei rüber kommt. Wie ich Rolo beneide. Fast den ganzen Tag schafft er alleine vor sich hin - mit seinen begnadeten Winzer- und Handwerkerhänden. Im nächsten Leben werde ich Handwerker, Bau auch meinen eigenen Grill und vermeide so gut es geht, den Kontakt mit Pädagogen/ Menschen am Arbeitsplatz. Ich habe das Gefühl, dass wir Jungs durch meine Erkrankung  (nur auf dem Papier - praktisch gehts mir prächtig) noch ein wenig näher gerückt sind. Mir erscheint es gerade so, dass es mittlerweile tatsächlich andere Gesprächsthemen in die Runde geschafft haben,  wie die neuesten Motorräder und Lenkstangensysteme. Ich gestehe, bei solchen Themen muss ich passen. Obwohl,  gestern konnte ich da mit meinem neu erworbenen E-Bike sogar ein wenig mithalten. Das mag ich: einfach das ganze Spektrum des Lebens abhandeln, total flach bis super intellektuell. So wie wir eben sind! Alles an einem Abend. Sorgen und Freude teilen - das bringt’s. Und Leute, DAS ist Freundschaft. Spaß kann ich mit jedem Dahergelaufenen haben. Aber Freundschaft? Die Jungs fahren mich nächste Woche nach Heidelberg. Das zweite Taxidriver-Team steht also fest! Nehmen sich zum Teil frei für mich, richten ihr Leben nach meiner Therapie aus. Und das für einen Schwaben. Wenn ich wie Phoenix aus der Asche auferstehen sollte, werde ich wahrscheinlich für den Rest meines Katzenlebens ganz viel Schorle spendieren  müssen. Ich freue mich, nächste Woche mit jedem ein paar Stunden alleine sein zu können. Ich hoffe, ich bin fit genug, es zu genießen. Mein Problem ist es glaube ich, dass ich immer ein Ideal im Kopf habe. Ein Ideal vom Job, vom Vatersein, von Familie und von Freundschaft. Ich alle Handlungsweisen nach meiner Vorstellung davon unterordne. Das muss ja zum Scheitern verurteilt sein. Gut, in der Beziehung habe ich es tatsächlich hinbekommen: 5 von 5 möglichen Sternen, jeden Tag! Aber in allen anderen Bereichen gibt es noch Luft nach oben. Wir Menschen haben uns gegenseitig so viel zu erzählen und tun es viel zu wenig. Es gibt so viele interessante Fragen, die wir uns stellen können. Jedes Statement kann uns persönlich weiterbringen, wenn wir dafür offen sind! Auch wenn es nur ein paar Millimeter sind. 

Zeit war ein großes Thema. Zeit sinnvoll nutzen. Was macht man, wenn man ganz viel Zeit für sich zur Verfügung hat? Huch, da kommt der Job gar nicht mehr großartig vor. Der Gartenteich, der eigene angebaute Wein,  das Schreiben oder Reisen rücken da plötzlich ins Zentrum. 30 Tage Urlaub wird uns im Schnitt gewährt. Wenn man korrekt arbeitet, hat man diese Anzahl sogar auch als Lehrer. 30 Tage. Total meschugge! Viel zu wenig, um Herr seines eigenen Lebens zu sein. Wenn man Familie hat, ist man noch weniger Herr über seine Zeit. Die Herrschaft gewinnt man dann wieder zurück, wenn man entweder seine Arbeitszeit reduziert oder die Kinder groß sind. Ich werde nie wieder despektierlich über Arbeitnehmer denken und sprechen, die nicht Vollzeit arbeiten. Sie machen das Richtige. Außer man brennt leidenschaftlich für seinen Job. Aber wie soll man mit einem vorbildlichen Arbeitsethos Freundschaft, Familie und Gesundheit unter einen Hut bringen? Ohne Schlaf ist das vielleicht möglich. Verrückt: In der Pandemie ist die Gesamtzahl der Überstunden nicht zurück gegangen, sondern hat zugenommen. Hä? Was machen wir da bitte falsch? Ach wäre das ein Traum, schreibend mein Geld verdienen, ohne äußerlichen Druck. Schreiben und in den Tag hinein lebend. Hamsterrad für immer ade. Da passt ein Spruch von Torsten Sträter: Woran erkennt man, dass man gut in etwas ist? Vielleicht nie. Für sich selbst erkennt man es daran, dass es einem Spaß macht. Recht hat er, der Torsten. Ein hohes Gut, das machen zu können, was einem Spaß bereitet, ganz ohne Zwänge. Dass die Burnout-Rate ständig zunimmt, muss einen nicht wirklich wundern. Deswegen mache ich heute das, was mir einfach so gerade in den Sinn kommt. Ich bin jetzt der Herr der Zeit! 

 

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