Kinder sind die besseren Menschen

Diesen Eintrag gibt es, da mich eine Passage in meinem Hörbuch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ dazu inspiriert hat. Zuerst wird  geschildert, wie ein pflegebedürftiger Mann kurz vor seinem Tod aus Kosten- und Effektivitätsgründen eine neue Pflegerin, die kaum Englisch spricht, zur Seite gestellt bekommt. So hatte es der Sohn für den Vater vorgesehen. Die alte Betreuerin war die Autorin, die bereits mehrere Wochen bei dem Todkranken verbracht hat. Er hat ihre Anwesenheit sichtlich genossen und sich immer sehr gefreut, wenn sie gekommen ist. Nun müssen beide die Entscheidung des Sohnes schweren Herzens akzeptieren. Der alte Mann verabschiedet sich weinend und winkend am Fenster von ihr. Er kann nicht mehr sprechen. Bronnie hat ihm mit ihrer Gitarre immer Lieder vorgespielt, das mochte er sehr und es beruhigte ihn. Dieses Ereignis veränderte Bronnie Ware nachhaltig. Sie sagt, dass sie niemals mehr einfach so ohne Kommentar gehen werde, ohne offen die Wahrheit bzw. ihren Gefühlszustand auszusprechen. Wenn sie einen Missstand wahrnimmt, wird sie den in Zukunft so respektvoll  wie möglich äußern. Sie schlägt den Bogen zu Kindern, den man nach und nach abtrainiert, ihre Gefühle nach außen zu tragen, ihnen einbläut, sie runter zu schlucken, sie in Vernunft zu verpacken. Als Kleinkind dürfen sie in akzeptablen Maße rumspringen, Grimassen machen, Socken falsch anziehen, allerhand seltsame Fragen stellen. Dann ist das alles nicht mehr erwünscht und sie müssen funktionieren, ohne großen Ärger zu fabrizieren. Mir kam beim Hören eine Szene mit Anna als junges Mädel im Schwimmbad in den Sinn: Sie ging zu einem entstellten Mädchen, fragte, was es denn für eine Krankheit habe; sie sehe wie ein Monster aus. Ich war natürlich geschockt und ermahnte Anna, das man sowas nicht fragt und sagt. Ist das tatsächlich richtig? Sind das Betreten auf den Boden schauen, das Ignorieren oder das Flüchten aus dem Bad die richtigen Verhaltensweisen? Warum sind Fragen, die den Anschein in sich tragen, dem Gegenüber damit zu nahe zu treten, verpönt! Warum wird auf die Frage „Wie gehts dir?“ nicht einfach mal „beschissen“ gesagt? Wahrscheinlich deswegen, weil man den anderen und sich schonen will. Nein, alles super bei mir! Kinder sind da herrlich klar und wahrhaftig. Eigentlich ist das sehr schön mit anzusehen. Als Erwachsener blickt man mit etwas Neid auf dieses ungestüme Verhalten der Kinder. Und klar, wenn das Ungestüme und Offenherzige zur Dauereinrichtung wird, kann es auch ganz schnell überfordern. Vielleicht wäre hier mal wieder der gesunde Mittelweg angebracht. 

Ein besonderer Film, den ich sehr mag, fiel mir beim Hören des Buches auch ein. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen: Ziemlich beste Freunde. Ein armer Arbeitssuchender dunkelhäutiger junger Mann heuert bei einem an den Rollstuhl gefesselten depressiven Villabesitzer als Pfleger an. Der Neu-Pfleger hat von Pflege keine Ahnung, aber ein sonniges Gemüt und bricht in jeder Szene die Regeln des Mainstreams. Sehr lustig. Ich finde es eben witzig, wenn zum Spaß ein Hitlerbärtchen frisiert wird und beide sich vor Lachen vor dem Spiegel dabei kringeln. Durch Seine Art, Lebensdinge unkonventionell und kindlich optimistisch anzugehen, haucht er dem Schwerkranken wieder Lebensmut ein. Der Soundtrack zum Film läuft bei mir regelmäßig. Wunderbar! Ein Heul-Lach-Wohlfühlfilm erster Güte! 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ines (Donnerstag, 17 Juni 2021 18:45)

    Der beste Film im Universum... Ganz ehrlich... Wunderbaaaar :)