Meine Nachricht heute an meinen AfD-Neffen, den Sohn meiner Halbschwester Inge. Bin gespannt, ob nochmal was kommt.
Hallo Frank,
da du mir mehrfach etwas geschickt hast, sollte ich dir jetzt auch mal antworten. Das gebietet die Höflichkeit. Also: Ich denke mal, dass dir klar sein muss, dass wir politisch Lichtjahre voneinander entfernt sind. Ich gehe stark davon aus, dass du mich nicht mehr bekehrst und ich dich nicht. Nicht in diesem Leben! Ich hab unseren Staat, unserer Verfassung viel zu verdanken, ohne ihn, ohne sie wäre es mir nicht möglich gewesen, Lehrer zu werden. Rein finanziell schon nicht. Es fällt mit also extrem schwer, auf ihn zu scheißen, ihn mit allen Mitteln zu bekämpfen. Vielleicht bin ich in deinen Augen ja Teil des Systems. Daher möchte ich dich bitten, mir nichts Politisches mehr zu schicken. Ich habe mit der AfD so gar nix am Hut. Wie auch nicht mit Ritas Zeugen Jehovas. Das Zusenden des Wachtturms hat sie dann nach meiner Bitte auch unterlassen. Bei unserem Besuch bei euch in Berlin war es schon schwierig und nervig genug: Ständig hast du das Gespräch auf diese AfD-Scheiße gelenkt. Warst stolz ein Pegida-Mitglied der ersten Stunde gewesen zu sein. Wenn es gehen würde, dass man nur einen Kaffee zusammen trinkt und über Familie palavert, dann könnten wir ja gerne in Kontakt bleiben. Aber ich glaube, das schaffst du nicht mehr. Zu sehr bist du in Deinem festgefahrenen Weltbild verstrickt.
Ich werde Inge bald schreiben. Vielleicht rufe ich sie demnächst mal an. Ich hoffe, es geht ihr gut.
Ich habe sehr an dir geschätzt, wie beharrlich du in Familienzusammenführungssachen agiert hast. Wir gesagt, politisch hattest du, mit Verlaub, schon immer eine fette Schraube locker. Schon vor Corona. Militaristisch und auch sonst wie kann ich dir da intellektuell überhaupt nicht folgen. Wahrscheinlich bin ich zu doof dafür. Ich glaube ja auch eher der Lügenpresse als dir und schaue Staatsfernsehen. Ich bin da ganz ehrlich, das finde ich besser, als den Kontakt einfach so zu blockieren.
Und lieber Frank, ich glaube nicht, dass Biggi uns grüßt. Also hör mit diesem verlogenen Scheißdreck auf! Nicole mag Inge, aber Euch findet sie ziemlich schräg, das will schon was heißen, da sie nicht vorschnell solche Urteile fällt. Nichts für ungut, mein kleiner Halb-Neffe, aber für ein BlaBla ist mir meine Lebenszeit zu schade.
Lieben Gruß an Inge.
Alex
Meine politische Ausrichtung ist links-liberal, auf keinen Fall rechts-konservativ, und schon gar nicht rechts-national, auch wenn Tätowierungen und komisches Hängezeug am Körper schwierig sind. Solche Dinge sind durch meine Schwester einfach negativ besetzt. Tätowierungen verbinde ich mit bildungsfernen Schichten. Ich weiß, da liege ich falsch, sagt das mal Icke. Es ist wie mit schlechter Kunst, das man zu Hause hinhängt. Wenn es mit einer besonderen Geschichte verbunden ist, dann schließt man seinen Frieden damit. Hängt es irgendwo einfach nur so, denkt man: mein Gott, was für ein Müll! Man lässt dann Icke oder das Unterbewusstsein einfach freien Lauf. Seit ich denken kann, wähle ich links und/oder grün. Das ist nicht perfekt, aber meine Orientierung. Kurzzeitig habe ich mich mal damit beschäftigt, mich partei-politisch zu engagieren. Mir sind diese Grabenkämpfe zuwider. Ich hätte gern, dass die besten Leute sich um uns kümmern. Das Parteibuch ist doch dann egal. Aber wie überall sind leider nicht die besten Leute am Start. Streber sind nicht unbedingt die besseren Mediziner, Lehrer oder eben Politiker. Manchmal gibt es auch Schnittmengen: der berühmte Kompromiss aus einer Koalition. Auch wenn das Extreme in mir häufig mal nach außen tritt, umschiffe ich politisch zumindest die extremen Ränder. Die geben mir keine Orientierung. Es sind eher die Vorbilder an denen ich mich sowohl moralisch als auch politisch orientiere. Na ja, da tue ich mich mit Laschet und Scholz halt auch ziemlich schwer. Nicht einfach. Ich halt mich dann eher an Dirk Steffens, Prof. Harald Lesch, Dr. Eckart von Hirschhausen oder Stefan Kunz. Ich bin mir sicher, die wählen nicht extrem und sind nicht für Kleinstaaterei und Zerschlagung der Großkonzerne. Politisch korrekt zu handeln, fällt zusehends schwerer. Wir sind Kinder des Konsums, der Bequemlichkeit. Ich tippe hier mitten in der Nacht mit meinem Handy den Blogeintrag rein, oh je, was für ein CO2-Rausch! Unterm Strich komme ich dennoch gut weg, hoffe ich: 11 Jahre vegetarisch gelebt, keine Übersee-Flüge, keine Kreuzfahrten, bald nur noch ein Auto. Bezüglich der Lebensbilanz in Sachen CO2 kann ich womöglich doch noch am Ende zufrieden sein.
Ehrlich gesagt, sehe ich eigentlich schwarz für die Menschheit. Wir sind einfach zu verkommen und zu schwach. Der Egoismus siegt. Immer. Was man jetzt z. B. an der weltweiten Impfstoffverteilung ablesen kann. Oder an den Zuwächsen von Amazon. Kein Grünwähler dürfte bei Amazon bestellen. Integrität mit einem Klick - erledigt! Aber Resignation ist auch keine Option. Es sollte wenigstens im Klimazeugnis stehen: Er/Sie/Es hat sich redlich bemüht.
Meine Orientierung gaben mir nach meiner Erstausbildung Freunde, nicht Familie. Eine wichtige prägende Station war Freiburg und das dortige Zusammenleben mit der Mutter meiner Tochter. Ich denke von mir aus hätte ich keine Hausgeburt durchgezogen und die Natur so schätzen gelernt. Auch die Leute und die Lehrer*innen auf dem Kolping-Kolleg, das ich damals besuchte, haben mich geprägt. Vieles von meinem Weltbild ist dort entstanden. Mein moralisches Korrektiv und mein Kompass ist jetzt Nicole. Nicole ist der pure Anstand, wenn sie hinterm Lenkrad nicht gerade flucht. Auch beim Blog hat sie an der einen oder anderen Stelle mitzureden. Ich würde teilweise noch schärfer, direkter formulieren. Ich versuche mir stets Dinge abzuschauen und anzueignen, was ich für „gut“ empfinde. Dinge, die mich weiterbringen. Ich werde dann auch immer wieder sehr enttäuscht: von mir selbst oder von anderen. Ich möchte, dass ich und andere „gut“ sind und stelle immer bitter fest, wir sind es nicht. Ich möchte, dass Pädagogen emphatisch zugewandt agieren. Und merke zu oft, sie machen es nicht. Das muss man akzeptieren lernen. Ich kann es noch nicht. Der Mensch ist in jedem Stadium und in jeder Position fehlbar. Sogar Priester. Wir projizieren aber Heilige in sie und jeden anderen hinein und sind geschockt, entrüstet oder wütend, wenn man den moralischen Absturz miterlebt. Ich glaube, der Unterschied ist, wenn man Fehler und Schwäche eingesteht, reflektiert, Reue zeigt. Es ist wie vor Gericht: Zeigt der Täter Reue, bekommt er auch seine Strafe, aber eine mildere. Was machen wir? Wir werfen zu oft überall den ersten Stein! Und schmeißen evtl. noch mehrere hinter her. Es ist einfach Fakt: Es gibt Pädagogen, die vom Erziehen und vom Leben keinen blassen Schimmer haben. Eltern übrigens auch nicht. Und jetzt? Was machen wir mit dieser Erkenntnis? Pädagogen-Casting oder Eltern-Assessment-Center? Nein, es gibt nur einen machbaren Ansatz: So wenig Schaden wie möglich anrichten und anrichten lassen: in Klimafragen und im Alltag.
Meine Vorbilder im Beruf: John Keating und Justus. Der Club der Toten Dichter und das fliegende Klassenzimmer. Das wollte ich sein. Auch ich schaffe das nicht. Vor allem nicht was das Gerechtsein gegenüber Erwachsenen anbelangt. Da scheitere ich jeden Tag aufs Neue. Trotzdem bleiben Keating und Justus weiterhin meine Vorbilder. Vielleicht habe ich ja dadurch die Chance, dass ein kleiner Krümel charakterliche Eigenschaft von ihnen, sich in mir wiederfindet.
Blutwerte sind (fast) alle in Ordnung! Nichts was beunruhigen müsste.
Das Anti-Lymphom-Team empfiehlt: trinken, trinken, trinken.
Das mach ich!
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