New Pop Festival 2012, Ed Sheeran in der Festhalle Baden-Baden. Da kam ein rothaarig zersaulter Kerl in einem Allerwelts-T-Shirt und herunterhängender Hose auf die Bühne, allein ausgestattet mit seiner Klampfe, einer Loop-Station und dieser unfassbaren Stimme. Man muss sich nur das erste Lied anhören und kann bereits erahnen, wie besonders dieses Konzert werden wird. Wir waren mit unseren Freunden Max und Simone dort. Sie haben einen viel größeren musikalischen Sachverstand als wir, weil sie selbst Musik machen. Alle Vier hatten wir nach diesem unglaublichen musikalischen Mega-Ereignis ein Leuchten in den Augen und waren Tage lang danach noch völlig entrückt von der Welt. Matthias Kugler vom SWR sagte: Dieser Mann wird eine Weltkarriere hinlegen, das ist so gewiss wie das Amen in der Kirche. Heute spielt Ed nicht vor 500, sondern vor 50000 Leuten. Es war das Konzert unseres Lebens - bis heute unerreicht. Und es scheint, dass dieses Konzert als ein gutes Omen für unsere Beziehung gedient hat. Es scheint, dass dieser legendäre Dauer-Gänsehaut-Moment unsere Liebe immer noch dahinschweben lässt. Ein Liebespaar, das damals in diesem Saal staunte, wippte und im Chor mitsang, kann sich unmöglich danach getrennt haben.
Am Freitag sagtest du zu mir, du würdest gern mal wieder etwas über dich in meinem Blog lesen. Du fändest das immer so schön. Icke blieb fast der Kaffeekeks im Halse stecken. Wie schon so oft, konntest du meine Gedanken erahnen. Genau das wollte ich heute tun. Zum einen, weil ein wunderschönes Wochenende hinter uns liegen würde und zum anderen, weil ich keine kostbare Zeit bis zum 03.08. - unserem Jahrestag - verrinnen lassen möchte. Der Teufel ist ein Eichhörnchen, wie mein Papa immer zu sagen pflegte. Also, ich am Freitagvormittag nochmal das legendäre Konzert auf YouTube angeschaut, um mich inspirieren zu lassen. Und ein weiters Mal hat es mich umgehauen, emotional zerbröselt und am Ende wieder zusammengesetzt. Ich weiß, dass du nicht zu sehr im Mittelpunkt stehen möchtest und ich weiß, dass du Liebeskitsch a la Kai Pflaumes „Nur die Liebe zählt“ verabscheust. Das ist natürlich literarisch eine große Herausforderung. Im Prinzip zum Scheitern verurteilt. Ich versuche es trotzdem! Scheiß auf das Scheitern! Sorry, da musst du jetzt durch!
Du hast mein Leben eindeutig zum Guten, zum Besseren verändert. Das ist DEINE Verantwortung! Das ist einfach so. Ich hatte aufgegeben, noch an das Liebesglück zu glauben. Ich wollte nix mehr von Frauen wissen, weil ich sie nicht verstand. Sie waren mir alle viel zu hysterisch. Ich hasse Hysterie! Sie wollten mich immer verändern. Ich wollte sie liebend machen und habe zu oft gelogen. Vielleicht war meine damalige manifestierte Gleichgültigkeit die beste Voraussetzung für uns. Nur meine Arroganz lies dich in „Finya“ anschreiben. Ich wollte meinem Freund und Bruder im Herzen Clemens beweisen, dass es ganz einfach ist, ein Mädel schriftlich „klar“ zu machen. Bei deinem Bild blieb ich selbst zufällig sofort hängen. Offenes sympathisches Lachen, Sommerschorle in der Hand! Damals noch blond. Toller ehrlicher Text im Profil. Clemens: Die gfälltmer nit! Gott sei Dank, dachte ich nur! Und dann ging der Rausch los. Du hast es verstanden, mein Interesse zu wecken und mich per E-Mail-Kommunikation bei Laune zu halten. Das ist nicht einfach! Du warst witzig und saucool! Hast dich auf meine verrückten Spiele eingelassen. Weil ich nichts mehr zu verlieren hatte, war ich von Anfang an hemmungslos ehrlich. Wir trafen uns ziemlich schnell live und haben uns unsere Wunden gezeigt. Ich wusste, nur so möchte ich eine Beziehung leben. Ich konnte endlich ICH sein, zu meinen Defiziten stehen. Es war wie die geglückte Flucht von der berühmt-berüchtigten Gefängnisinsel Alcatraz. Endlich war ich frei. Frei mich zu lieben, frei dich zu lieben. Schnell wurde mir klar, ich möchte für immer mit dir zusammen sein. Der Heiratsantrag war nicht religiös motiviert, sondern entstand aus einem tiefen inneren Verbundenheitsgefühl heraus. Irgendwas sagte mir: Ich muss das jetzt tun. Wie ich so bin, habe ich nicht viel dem Zufall überlassen, habe mir meinen Antrag Tage lang überlegt. Am Ende wäre ich stotternd und vor lauter Aufregung fast vom Wachtfelsen gestürzt. Solche einzigartigen Momente braucht ein Paar; wir hatten und haben viele davon. Gerade auch wieder letztes Wochenende am Bodensee!
Die Hochzeit war der Knaller. Meine wunderschöne Anna, unsere Trauzeugin, hat eine wunderbare Rede auf uns gehalten. Geht mehr? Kaum! Und doch! Die Jahre kein Streit, nichts. Diese Harmonie ist uns schon fast peinlich. Liebe gepaart mit großen Respekt! Zu Beginn hat man unsere Liebe nicht ernst genommen: Ja, ja, der Hype vergeht mit der Zeit! Warten wir mal ab. 9 Jahre währt dieser Hype jetzt. Alle träumen doch davon: Mit dem besten Kumpel auf Augenhöhe zusammenleben, Pferde stehlen, Leidenschaften teilen, sich verstanden wissen und regelmäßig tollen Sex haben. Wir müssen das nicht mehr träumen! Wir können so herrlich miteinander rumspinnen und mehrere Stunden ohne Pause quatschen. Jeden Tag. Keiner zu viel. Auch ein Ritual: der nachmittägliche Treffpunkt in der Küche und das Erzählen vom Tag, egal wie erschlagen man ist. Ich freue mich jedes Mal darauf. Man sagt, du bist sehr reserviert, unnahbar. Ja, das bist du vielleicht. Man muss dich richtig kennenlernen wollen, man muss mit dir Zeit verbringen wollen, auf dich eingehen und zugehen, dann wird man nie einen anständigeren, loyaleren, großzügigeren und liebevolleren Menschen finden. Eine sehr angenehme Zeitgenossin, Mitbewohnerin und Reisebegleiterin. Ein verdammt guter Mensch! Und wenn wir nichts tun, wenn wir nur uns gegenübersitzen, könnte ich dich einfach nur blöde anstarren. Vor allem deine Augen, die so einzigartig sind, wie die von Marietta Slomka.
Du weißt, ich lese auf meinem Kindle gerade ein großartiges Buch. „Die Unzertrennlichen – über den Tod und das Leben“. Jede Zeile sauge ich geradezu auf. Ein berühmtes akademisches Ehepaar (sie eine Literaturwissenschaftlerin und er einer der renommiertesten Psychiater Amerikas) kennen sich 72 Jahre und sind 65 davon verheiratet. Sie erkrankt mit 86 schwer an Krebs und schlägt ihrem Mann vor, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Schon lange hatte sie die Idee. Er willigt ein, obwohl er 88-jährig noch ein anderes Buch Projekt auf dem Tisch liegen hat. Im Roman der zwei Dauer-Liebenden geht es um alle Themen, die uns als Homo Sapiens umtreiben: Krankheit, Sterben, Tod, Glaube, Arbeit, Alter, Familie, Liebe. Abwechselnd verfassen sie jeweils ein Kapitel. Die Frau stirbt während der gemeinsamen Arbeit an dem Buch. Er führt sie alleine zu Ende. Den Gedanken mit ihr zusammen aus dem Leben zu scheiden, verwirft er nach reiflicher Überlegung. Beide schreiben so liebevoll und ehrlich über den anderen, aber auch über sich selbst, dass es einem den Atem raubt. In jedem Satz steckt Schmerz, Krankheit, Tod, aber gleichzeitig ein unerschöpfliches Arsenal an Zuneigung und Geborgenheit. Sie schmerzt es unerträglich, dass sie ihn allein zurücklassen muss; er geht fast vor die Hunde, sie so leiden sehen zu müssen, und weil er ihr nicht helfen kann, obwohl er sie bis zur Selbstaufgabe umsorgt. Sie schreibt: Ich würde alles dafür tun, wenn er nur nicht alleine mit dem Schmerz zurückbleiben müsste. Er schreibt: Ich möchte einfach nicht daran denken, nicht mehr ihre Hand halten zu können. Vielleicht all diese schönen täglichen Momente mit ihr zu vergessen, bringt mich um den Verstand. Sie wollen gemeinsam in einem Sarg beerdigt werden. Dies ist in Amerika leider nicht möglich.
Am liebsten würde ich auch mit dir zusammen über den Wachtfelsen verstreut werden. Purer Egoismus! Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass wir noch lange gemeinsam gesund und stark durch das Leben wandern. Galapagos? Oder irgendwo anders auf dieser Welt – egal! Und wenn ich mich doch früher als gedacht von dir für immer verabschieden muss, wünsche ich mir, dass du nochmal von einem Mann so geliebt wirst, wie ich es tue, und dieser Mann die gleiche Liebe erfährt, wie ich sie erfahren habe. Ja, das wünsche ich mir für dich, Nici! Und wenn wir nicht mehr zusammen sind, dann bleiben wir eben auf eine andere Art „unzertrennlich“.
Kommentar schreiben