Keine Angst

Nici und ich haben letztes Jahr im Lockdown angefangen „Der Kleine Drache Kokosnuss“ vorzulesen und Videos zu verschicken. Das hat uns einen Heiden Spaß gemacht, wurde dann zeitweise aber richtig Stress, weil die kleinen Racker regelmäßig neue Folgen einforderten. Besonders Klein-Pauline war Feuer und Flamme und schickte uns wunderbare Sprachnachrichten, die wir niemals löschen werden. Wir lieben unsere Nichte und Neffen sehr. Sie sind herrlich! Schade, dass wir nicht so viel Zeit mit ihnen verbringen können. Da ich ja jetzt aber ganz viel Muse haben werde, werde ich das Projekt bald weiterführen. Vorlesen bereitet nämlich nicht nur den Zuhörern Freude. Gutes Vorlesen aktiviert alle Synapsen und hält sie fit. Wenn man bedenkt, dass ich in der Schule das Vorlesen gehasst habe.  Mein Credo: ALLES kann sich ändern. IMMER! 

 

Ab heute bekommen meine Blogeinträge einen Titel. Ich möchte mich einem bestimmten Thema oder einer Person ganz speziell widmen. Natürlich fließen Alltsgserlebnisse aus dem schnurschen Kosmos immer noch mit ein.  Gleich wird mal wieder an mir rumgeschnippelt. Gestern wurde ich zweimal gefragt, ob ich Schiss habe.  Nein, habe ich nicht. Ich habe Respekt. Es ist ein Routine-Eingriff und er wird mir die Therapie erheblich erleichtern. Ich habe Respekt und nehme die OP nicht auf die leichte Schulter. Vor allem weil ich mich noch gut an die skurrilen daher labernden Chirurgen vom letzten Mal erinnern kann. Chirurgen in einem bestimmten Segment sind bessere Metzger, hier sind nicht die Good-Doktor-Chirurgen gemeint. Die kommen erst ins Spiel, wenn’s ganz schwierig wird.  Ab heute bin ich wieder der „sichtbare“ Krebspatient.  Cyborg Schnur. Man kommt sich gleichzeitig elitär und armselig vor.  Ich muss nun überall aufpassen: beim Anziehen, beim Angurten, beim Duschen usw. Ich werde jetzt wieder „angestochen“.   Schnuri-Schwein auf der Schlachtbank. Wenn ich dann evtl. noch Blut bekomme sowieso. Ich wirke stark und gefestigt, aber ein Ultra-Kack-Blöd-Mist ist es trotzdem. Der gute-Besserung-Gruß wird zum Kleinkind-Wunsch! Ich habe keine Angst, was auf MICH zukommt. Ich bin traurig, dass es auf UNS - meinem Anti-Lymphom-Team zukommt. Es regt mich furchtbar auf, dass sich meine Liebsten Sorgen um mich machen müssen.  ICH muss mich sorgen, doch aber nicht SIE, verdammt! Keine Angst, Kokosnuss wird mir schon beistehen! Kokosnuss meistert alle gefährlichen Abenteuer mit Bravur. Außerdem bin ich Mohammad Schnur alias HULK!  Und Leute, denkt bitte heute auch an meinen Schwiegerpaps. Den mag ich sehr, auch wenn er KSC-Fan ist. Lasst uns Toleranz mal ganz praktisch leben. 

 

Keine Angst - Casper 

 

Es ist als ob man den Verstand verliert

Immer Wege voller Steine wär'n

Trotz all den Hallelujah's hier

Keinem was heilig mehr

Die gebrochenen Kinder der zerbrochenen Stadt

Stimmung könnte jeder Zeit kippen, aber noch ist's im Takt (Takt, Takt)

Wirf alles ab, lass es brennen in dir

Was ein wundervolles Ende das wird

Ich fühl' mich wie ich fühl', weil ich nix mehr fühl'

Diese Wände kommen näher

Fühl' mich wie ich fühl', weil ich nix mehr fühl'

Kann mich irgendjemand hören?

Keine Angst, denn alles was hier war

Ist morgen vielleicht schon egal

Außer Gefahr

Keine Angst, denn das, was du jetzt bist

Ist nicht, was du für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Keine Angst

Würd' lieber sterben, als nach Hause geh'n

Einfach loslassen im freien Flug

Atmen, warten bis der Staub sich legt

Ruhig Blut, alles gut

Erst ein Summen, dann ein Chor, dann ein Schreien in Harmonie

Veränderung in der Luft, nur zum Greifen scheinbar nie

Alle wie, halbwach im Tiefschlaf, Druck in der Brust

Nun wird Luft in lahme Lungen gepumpt

Ich fühl' mich wie ich fühl', weil ich nix mehr fühl'

Diese Wände kommen näher

Fühl' mich wie ich fühl', weil ich nix mehr fühl'

Kann mich irgendjemand hören?

Keine Angst, denn alles was hier war

Ist morgen vielleicht schon egal

Außer Gefahr

Keine Angst, denn das, was du jetzt bist

Ist nicht, was du für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Keine Angst

Nie wieder

Nicht du, nicht ich

Nie wieder

Nicht du, nicht ich

Nie wieder

Nicht du, nicht ich

Nie wieder

Nicht du, nicht ich

Nicht du!

Nicht ich!

Keine Angst, denn alles was hier war

Ist morgen vielleicht schon egal

Außer Gefahr

Keine Angst, denn das, was du jetzt bist

Ist nicht, was du für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Nicht für immer sein wirst

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst

Nicht du, nicht ich! (Nicht du, nicht ich!)

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst, keine Angst, keine Angst, keine Angst

Keine Angst

Nicht du, nicht ich! (Nicht du, nicht ich!)

 

08.52 Uhr 

 

Warten auf COVID-Abstrich. Ein Darmentleerung kann manchmal einen lebensnotwendigen Charakter einnehmen. Möchte ungern, dass die Operateure nachher vor Schreck abrutschen. Ich bin die Nummer 27. 

 

09.00 Uhr 

 

Ein kleiner Mann mit grauem Jogginganzug und Plauze probt den Aufstand, weil sich anscheinend ein Opa vorgedrängelt hat. Hatte kurz die Befürchtung, dass der Graumann die Kontrolle verliert und vor meinen Augen ein Blutbad anrichtet. Opa war ganz konsterniert und hat sich mehrfach entschuldigt. Vordrängelei geschah aus Mangel an Sehfähigkeit. Dramen spielen sich hier ab. Wie bei Grey’s Anatomy, nur ohne Blutbad!  Hoffe nicht, dass es nachher auf dem OP-Tisch eins gibt. 

 

09.05 Uhr 

 

Graumann nimmt neben mir Platz. Shit! Er spielt ein Ballerspiel auf dem Handy. Der plant doch was. 

 

09.10 Uhr 

 

Blogeintrag heißt „Keine Angst“. Lüge! 

Graumann ballert und ballert! 

 

09.15 Uhr 

 

COVID negativ. 

Ich kann abhauen. Puuuh..

 

09.30 Uhr 

 

Eingecheckt. OP-Dauer ca. 1 Stunde. 

 

Fuck, ich höre den Graumann vor der Türe! Der wird auch hier operiert! 

 

10.30 Uhr 

 

Graumann hat Gott sei Dank nicht rumgeballert. 

OP erfolgreich, war eine skurrile Angelegenheit. Aber dazu später mehr. 

 

11.00 Uhr 

 

Shopping und Mittagstisch in HD. 

Die geglückte OP muss doch gefeiert werden. Normalität, die einen demütig werden lässt. Dazu auch später mehr 

 

12.57 Uhr 

 

Heimfahrt! 

 

15.18 Uhr

 

Ich schreibe Blog und Nici macht noch bissel Homeoffice. Ich höre sie fluchen. Ist das vielleicht mein schlechter Einfluss. Ich möchte, dass sie ihr Anständigkeitslevel von 9 beibehält. Muss da mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.

 

Rückblick OP Port.

 

Junge, junge, war ich froh als ich auf dem Tisch lag und Graumann hinter mir lassen konnte. Ich habe mir vielleicht den Arsch abgefroren. Pflegekraft X meinte, hier ist es ganz schön kalt. Ich hab’s mir verkniffen zu sagen: Kalt? Also ich schwitze als wäre ich in der Sahara. Wollte es ja nicht gleich verscherzen. Das Skalpell wurde schon erwärmt.

Der Oberarzt, der mich operieren sollte, ließ auf sich warten. So plauschte Y, der Kumpel von X, mit mir. Über Zuffenhausen (hier bin ich aufgewachsen), über Porsche (na klar), seine Vorhaben einen gebrauchten Porsche Boxster zu kaufen (Echt?). Er sei ein „Schrauber“ meinte er und wäre bis jetzt immer Japanische Cabrios gefahren. Mich interessierte es fast nackt nicht die Bohne, was der Typ für Karren fährt. aber es lenkte mich vom Frieren ab. Schwester S kam dazu und meinte: Komme Sie ausm Schwäbische? Des gfällt mir ja! Wieder mal fasse ich es nicht, dass ich das wohl nicht verbergen kann. Ich streng mich doch an, Frau! Ich will Pfälzer sein! Heul! Und es missglückt mir jedes Mal. Selbst wenn ich Sätze auf Hochdeutsch auswendig lerne, kommt jemand daher und sagt: Sie kommen doch bestimmt aus dem Süden von Deutschland, oder? Meine schwäbischen Wurzeln werden mich wohl bis ins Grab verfolgen.

Der Oberarzt kam dann endlich. Ist ihnen kalt, Herr Schnur? Ich bibbernd: Nöööö!!! Wo denken Sie denn hin. Bekam dann noch eine Decke und das OP-Zelt wurde über mir geschlossen. Dann ging es richtig los. Wie in den Krankenhaus-Serien: Die palaverten über alles Mögliche, lachten und neckten sich. Hätten noch gesungen, wenn das Internetradio gegangen wäre. Themen (nichts dazu erfunden!): Na klar, schnelle Flitzer, Rennräder und Mountainbikes, Scheibenschaltung und Elektroschaltung, Alu oder Carbon, sollen es 100 km oder doch lieber 30 sein, Fahrrad-Wahnsinn in Mallorca (mein Einwurf!), Fahrradfahren Prestigeobjekt (Einwurf des Oberarztes, hat ein ganz billiges Rennrad für 1500 €), Chef-Flirterei mit Schwester S (Angebot mit ihm mal „auszureiten“, hat er echt gesagt, der geile Bock!) und zum Schluss noch die Schwarzwaldklinik, Dallas und Denver-Clan, die fand der Oberguru richtig klasse. War Baujahr 1959. Na dann! Er hatte eine sehr schöne Stimme und erklärte mir jeden Schritt durch das blaue Zelt. Ein wenig ruckelte er mir den Port etwas zu arg zurecht, hatte das Gefühl, er schrammt an einem Knochen vorbei. Das legte sich aber dann wieder gleich. 15 Minuten dauerte das Prozedere. Nicht getackert, nur geklebt. Soll später besser aussehen, wie die andere Narbe vom Hindukusch. Schade! Ich find’s geil, wenn der Körper total nach Abenteuer aussieht und man dann so Geschichten erzählen kann: Also das habe ich von meiner Expedition zum Südpol, das da, als ich vom Mount-Everest mit dem Gleitschirm geflogen bin, das Loch hier habe ich von Kevin, als ich gesagt habe, dass er sich nicht ständig den Bleistift ins Ohr rammen soll, der Dödel. Na ja, man muss mit den Ärzten auch mal zufrieden sein.

 

Bei der Verabschiedung wünschte der Oberarzt mir noch eine schöne Zeit, als würde ich jetzt mit meinem Porsche 911er und meinem Speciallized S Carbon an die Amalfiküste reisen.  

Bis auf dass ich das Gefühl habe, mir steckt eine Kugel von Jesse James in der Brust, ist eigentlich alles ganz cool. Die Rieslingschorle kann fließen.

 

Rückblick Ausflug in die Heidelberger City.

 

Ich war so euphorisch, hungrig und durstig, dass ich sofort ein Sternerestaurant hätte aufsuchen können. Nici nahm mich in Empfang und sah mich voller Stolz an, weil ich überhaupt nicht den Eindruck machte, dass ich gerade eine kleine Dose implantiert bekommen habe. Für einen Mann gibt es nichts Besseres, als Held dazustehen. Hab vor ihr noch ein wenig herumgetänzelt und den Clown gemacht, dass sie so richtig mitbekommt, was für ein toller Hecht ich doch bin. Die Passanten guckten schon komisch und dachten bestimmt, die arme Ehefrau, DEN muss sie jetzt echt mit nach Hause nehmen.

 

HD-City, das Paradies! So viel schon uff. Ich konnte mich nicht satt sehen. Für Nici wars nichts Besonderes, weil sie arbeitstechnisch ja in Karlsruhe unterwegs ist. Ich rastete total aus, weil ich seit Monaten keinen Laden von innen gesehen habe. Am liebsten wäre ich in jedes Geschäft reingesprungen und hätte irgendwas gekauft. Stützstrümpfe! Scheißegal!

Nicole hielt ihren mit Hormone vollgepumpten Amok laufenden Ehegatten an der Leine wie DerWolke. Aber ein paar Accessoires für den heimischen Garten wurden es denn doch noch. Außerdem suchten wir ein Buchladen auf. Fantastisch! Wir lieben es da einfach rumzustöbern, vor allem bei Regen. Holten uns Inspiration für mein Kindel. Unsere (Hier meine ich die Industrienationen) Art zu leben ist total durchgeknallt. Da latschen wir in ein Buchladen, um Fotos von Büchern zu machen, die wir später herunterladen. Wir haben quasi kein einziges Buch gekauft, aber das Handy voller Buchtitel. Beknackt ist das! In solchen Buchläden ist es ein nahezu erotisches Erlebnis, echte Bücher anzufassen. Aber wenn ich die alle kaufen würde, die sich alle so schön anfassen lassen, dann würde sich das Wohnen etwas schwierig gestalten. Man muss in der heutigen Zeit jeden Tag ein Kompromiss leben, so scheint es. Kein wirklich guter! Ein Kompromiss aus Bequemlichkeit oder Platzmangel oder einfach aus Ignoranz.  Außerdem sind Leseproben super sinnvoll, wie ich finde. Zuerst ein paar Seiten lesen und dann schauen, ob’s fesselt oder gefällt. Auch hier wieder: Meistens hat man mehr Leseproben als runtergeladene Bücher auf dem E-Book. Thea Dorn mit Trost ist gut im Rennen, mal sehen.

Das Glück des OP-Überlebenden musste natürlich gefeiert werden: In einem total süßen Café, dessen Name ich nicht verraten werde. Ätsch! War das goldig. Mit einem Opa freuten wir uns zusammen, dass wir jetzt nach Herzenslust in einem wunderschönen Garten Kaffee und Weizen saufen durften. Der Opa die ganze Zeit: Ach ist das schön, ach ist das schön! Ich wollte gar nicht mehr aufstehen. Wenn Nici nicht ins Homeoffice hätte müssen, hatte man bestimmt nach uns das Café zuschließen müssen.

Aber Konstanz steht ja schon in den Startlöchern. Da geht’s dann mit Cafè und Wein weiter. Wie sagte Wonderwoman so schön: Sie können sich so ernähren, wie sich ein durchschnittlicher Deutscher Mann ernährt. Jawohl, zu Befehl, Frau Dr.!

 

So kann es es gerne weitergehen!

 

 

 

 

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