Zwischenwelt X

Gleich gehts wieder los in Richtung Heidelberg. Noch bin ich cool. 

Telefonsexprobe

Nici wird diesmal zugeschaltet.  

Idee: Wir nehmen das Gespräch mit dem Aufnahmegerät auf und können es dann im Nachgang unserem heimatlichen Anti-Lymphom-Team vorspielen. Das Ding musste ja getestet werden, verzog mich ins Gästezimmer, um Rückkoppelungen zu vermeiden. Ich legte los und versuchte verbal als gehandicapter Einhoden-Besitzer meine geliebte Ehefrau im Homeofice geil zu machen, und sie mich. Wir versagten komplett, lachten aber uns ins Koma. Nun gibt es ein historisches Zeitdokument, das immer wieder - in dunklen einsamen Stunden - angehört werden kann, und uns aufheitern wird, hoffe ich doch! Das Aufnahmegerät funktioniert prächtig. 

Das nenn ich mal eine Punktlandung. Langsam wieder HD-Profi, verkehrstechnisch und auch so. Man nickt wieder den Mitpatienten wissend mitleidig zu: Ah ja, du auch im Arsch! Give me Highfive! Jahrgang 1947, AML, Tochter viel nervöser als Papa. Wie das eben immer so ist. Papa sieht kränker aus als ich. Viel kränker. Ich bin ja eigentlich gesund, Verrückt. Kann der Schnur einfach mal „normal“. 

Ich schätz mal Wonderwoman geht jetzt erstmal all meine schriftlichen Fragen durch. Das kann dann noch dauern. Kann ja währenddessen nochmal an ein zielführendes Telefonsex-Skript arbeiten. 

Mit so detaillierte Regieanweisungen an Herrn Einhoden. Aber ich lass das mal, sonst lacht sich meine Telefonsexpartnerin zuhause am Schreibtisch wieder schlapp!

Isch ja alles gaaanz harmlos, meine Lieben. Macht mol schee e Fläschel Sekt uff mei Wohl uff! Das Sterben wird verschoben.

Und ich darf noch eine Weile Blog schreiben. Ich verliere diesmal meine Haare nicht, die Zytostatika sind so harmlos, dass nix davon auf Herz und Lunge geht. Somit auch keine weiteren Tests wie vor 10 Jahren. Das Ding mit den entzündeten Schleimhäuten wird wohl auch nicht so schlimm sein wie damals. Kortison muss ich nicht nehmen, Yeah! Statt 250 mal am Tag, muss ich nur 120 mal pinkeln. Leukozyten werden wohl auch nicht so massiv runterpurzeln, also weniger Infektanfälligkeit, weniger Isolation. Pflanzen dürfen stehen bleiben und Wolke und Lotta gekrault werden. Und das Beste zum Schluss: Ich darf sogar nen Schörlsche trinken. O-Ton Wonderwoman: Liebe, Bewegung, Frischluft und normale gesunde Ernährung sind zu empfehlen.Zusatz Schnur: Und keinerlei Stress.  Ich bin erstmal  3 Monate krank geschrieben.  6 Chemozyklen gibts. Nach 3 wird geschaut, ob Mohammed Schnur punkten konnte. Evtl. wäre es möglich nur 4 Zyklen durchzuführen. Die „milde Form“ der Behandlung hat man jetzt gewählt, weil der aggressivere Teil des Lymphom sich nicht im histologischen Befund gezeigt hat. Nach Therapieabschluss ist dann die Schilddrüse fällig. Das wird auch noch ein kompliziertes Ding. Schule auf lange Sicht ade. Nicht schlimm, hab ja geile Projekte und bin auf Lebenszeit verbeamtet. Bekomm für mein Heilungsprojekt ausreichend Kohle! Mir gehts gut, muss nur überleben. Macht euch also keine Sorgen, wir kriegen das hin. Ihr müsst nicht täglich nachfragen, ob der Schnur noch lebt. Einmal wäre nett. Einen Haken gibts: ich brauche wieder Fahrer*innen. Und das nicht zu knapp. Rentner*innen wären super, die  haben ja Zeit. Ansonsten wer mag. Guru Schnur gibt auch ne Psychostunde für Umme. Tragt euch im Kommentarbereich mit Wunschtag ein! Ich erstelle dann einen Dienstplan. Noch eins habe ich vergessen. Ich bekomme wieder einen Port. Gespräch mit den Chirurgen is morgen. Nach dem Termin gehts dann mit der Therapie in der Tagesklinik los. Haben also noch ein paar entspannte Tage vor uns. Mein Wunsch hat sich erfüllt. 

Ich mach das Lymphom sowas von mit Obschd un Gemies ferdisch! Unser neuer Entsafter is der Knüller! 

16.44 Uhr

Bekomme Rückmeldung, "klingt doch alles ziemlich zuversichtlich". Also ehrlich, keinem kann man es recht machen. Einmal zu morbide, dann wieder zuversichtlich. Vielleicht bin ich beides! Was ja dem generellen Zustand nach wohl eher angemessen ist. Ich bin noch lange nicht durch! Es wird Monate dauern bis ich einigermaßen die Therapie verdaut habe, und dann kommt die Schilddrüsennummer. Hab ich Folgendes auch schon gehört: Jo, X hat die auch nicht mehr, kann man gut leben mit. Äh, die muss erst mal gekonnt entfernt werden. Scheint bei mir kein Routineeingriff zu sein, wir mir signalisiert wurde. Ich brauche da nicht heute nur Zuversicht, sondern eine ganz schöne Wegstrecke. Aber mit dem heutigen Tag, steht fest: Es hätte schlimmer kommen können. Definitiv! Es wird mir wohl einiges erspart bleiben. Aber wie mein Körper auf den ganzen Klummpatsch, die OPs reagieren wird, wird abzuwarten sein. Wonderwoman sagt zwar: Sie sind doch fit Herr Schnur. Na dann sehen wir mal, ob ich fit genug bin. Fühle mich gar nicht so, auch wenn ich gestern gegen Nici beim Burghochlaufen gewonnen habe. Ich darf nicht klagen. Die Voraussetzungen sind gut. Wenn ich da an Timo, meine Begleitung als Ehrenamtler, denke, da waren die Voraussetzungen überhaupt nicht mehr gut, das nochmal zu wuppen. Ihm möchte ich demächst einen ganzen Blogeintrag widmen. Braucht ein wenig Zeit. Das meiste hacke ich hier ja einfach so runter. Auch wenn jetzt alles ziemlich gut erstmal ausschaut, habe ich trotzdem das permanente Gefühl, keine Zeit mehr verlieren zu wollen. Manche alltägliche Tätigkeit kommt mir so unwichtig vor. Ich habe noch so viele Dinge im Kopf, die ich notieren möchte. Da gibt es kein Ende. Und dann gibt es ja noch die Sachen, die mir einfach so passieren - und die vielen erzählenswerten Begegnungen. Gestern schrieb mir eine mir sehr wichtige Person etwas sehr Bemerkenswertes: Schon schräg, du bist krank und hilfst uns als Coach, um an unsere Gefühle ran zu kommen. Das Bild mit dem Guru ist wirklich gar nicht so weit hergeholt. Auch wenn du die Rolle nicht wirklich wolltest, v.a. nicht für den Preis einer so schweren Erkankung, und du lieber dein tolles und beneidenswertes Leben weiterführend würdest, so hast du diese Rolle nun und lockst aus manchem deiner Leser das Beste raus und das versetzt mich echt in Erstaunen.

Diese Zeilen haben mich kurz sprachlos gemacht. Das wäre also der pädagogisch-psychologische Aspekt des Blogs hier. Irgendwie erschreckt und verschreckt mich das Ganze auch. Ich bekomme plötzlich Ehrfurcht vor dieser Verantwortung. Ich hoffe, sie ist dann noch nicht so groß, wie sie oben beschrieben wurde. Als Pädagoge trägt man immer das Momentum in sich, andere auf ihrem Weg zu unterstützen, aber eher als Moderator und nicht als Leithammel oder Guru. Das kann nicht gut sein. Und sowas endet auch meistens angenagelt am Kreuz! 

Ich freue mich jetzt sehr, gleich meine Verantwortung komplett abzugeben.

Ich werde nämlich nochmal ein paar Schorle mit meinen Kumpels in Birkweiler schlürfen.

Und ich weiß, die wollen keinen Guru-Schnur. Da kann ich einfach "der Schwob" oder "DerSchnur" sein.

Das tut mal richtig gut.

22.53 Uhr 

Ach Gott war das schee.

Wenn man als Schwob bei Pälzer Buwe akzeptiert wird, dann hat man es geschafft. Witzig und tiefsinnig mit viel Schorle, so macht das Spaß! Das muss bald wiederholt werden. Man weiß ja nie! 

Wir sind einfach blöd, dass man so tolle intensive Abende viel zu wenige im Kalender stehen hat. 

Witzig, skurril und tiefsinnig. Gibt es was Besseres? Nö!