Vorbereitung VIII

Ich brauch einen Stundenplan (Hallo ich bin immer noch Lehrer!), sonst rufe ich doch noch Frau Dr. M. an und verlange meine allerletzte Spritze. Dann hat mein Hirn endlich Ruhe. Nicht, dass ich depressiv wäre. Das wäre schrecklich für mich, meine Mutter ist an einer Depression eingegangen. Tablettensucht, passiver Suizid, Organversagen mit 62. Keine schöne Zeit, so mit 21. Ich hasse Depressionen. Auch eine Dreckskrankheit.

Arbeit und Struktur, wie passend, Herr Hernsdorf.

 

08.30 Uhr bis 09.00: Stundenplan verfassen.

 

09.00 Uhr – 12.00 Uhr: Haushalt und Büroarbeit.

(Gesund liebe ich beides. Vor allem Wäsche waschen und aufräumen. Der Rest geht so. Da kommt man so schön runter, kann Musik oder Hörbücher hören oder seinen Gedanken nachgehen. Ich mag es, wenn alles seine Ordnung hat. Nun habe ich keine Zeit zu verlieren und habe so viel Chaos im Kopf wie man das  in der Regel nur in einer Psychologen-WG vorfindet.)

 

12.00 Uhr – 13.00: Kaffee in der Sonne, Nachrichtenlektüre jeglicher Art. Spiegel-online hat es mir hier vor allem angetan. Was wäre ich ohne den Account von meinem Schwiegerpaps. Thanks a lot Bruno.

 

13.00 Uhr – 14.00 Uhr: Gartenarbeit in der Sonne. Muss auch mal sein, sieht wüscht aus. Kommen ja zu nix mehr, außer dass wir uns hier über Krebs und die Wahl des Weines zu unterhalten.

 

14.00 Uhr – 15.00 Uhr: Eine Folge „Rita“. Eine dänische durchgeknallte kettenrauchende Lehrerin, die 3 große Kinder hat, davon einen  Sohn Mitten in der Coming-out-Phase, und den Schulleiter in den Pausen vögelt. Geniale Szene in der ersten Folge: Elterngespräch! Absolut mein Humor.

 

15.00 – 16.00 Uhr: Einkaufstour in der Apotheke. Diverse Heil- und Klebeuntensilien besorgen. Wie mühselig. Apotheken und Kliniken: mein zweites Zuhause. Bäääh!!!

 

17.00 – 18.00 Uhr: Küchenschlacht mit Starköchin Nici Rührbesen. Thema muss noch festgelegt werden.

 

19.00 Uhr – 20.00 Uhr: Blog mir einen.

 

20.00 Uhr: das abendliche Ritual, Tagesschau. Ich möchte im Himmel Tagesschau gucken, sonst komm ich nicht!

 

20.15 Uhr: Heijabett und noch ein wenig lachen und schreiben.

 

Ca. zwischen 2.00 Uhr und 03.00 Uhr aufwachen (mit oder ohne Traum?) und mich als genialen Poeten fühlen.

 

 

Guter Plan. Genehmigt! 

 

Nachtrag: Meine Fitnesstrainerin ist im Homeoffice und kämpf mit den Tücken einer behördlichen Videokonferenz. Da gibt es nichts Lustiges mehr dazu zu schreiben. Alles bereits durch.

Nur vielleicht, dass ich meine Frau noch niemals so aggressiv und genervt erlebt habe. Ob auch sie zur Mörderin werden könnte? Vorhin prüfte sie meinen Stundenplan. Ich fand ihn ja total ausgeklügelt und nahezu perfekt. Die Trainerin leider nicht. Da fehle noch eine halbe Stunde Crosstrainer. Ich: Hey, ich hab vielleicht Krebs, mein IS-Gelenk fühlt sich an, wie ein Anbauteil eines Ikea-Schranks und ich habe nur einen Hoden. Crosstrainer geht da nicht. Das weibliche Pendant zu Felix Magath meinte nur:  Mir egal. Man kann auch mit einem Ei gut in die Pedale treten. Außerdem ist das gut für dein psychisches Gleichgewicht, mein kleines Lymphomchen. Und das Billigteil in deiner Hüfte wird jetzt nicht gleich bersten. Wie ich ihre Konsequenz und Struktur liebe. Sie wäre die perfekte Mathe- und Sportlehrerin geworden. Leider hat sie früher viel zu viel gesoffen und geraucht. Erzieherin halt. Also, was bleibt mir anderes übrig: Integriere ich in meinem Stundenplan noch ne halbe Stunde Crossi. Zwischen 02.00 und 03.00 Uhr als genialer, extrem cleverer Poet! Hihi...

 

Nette Korrespondenz mit unserem Französischlehrer der VHS. Toller Mann! Hat die richtigen und für mich sehr bewegenden Worte gefunden. Manche haben's einfach drauf! Wenn ich diesen Trip gut durchstehe, werden wir uns in der Pfalz verabreden, um auf meine Kosten zu schlemmen und zu trinken. Und ihr wisst, wie die Franzosen die Kultur des Essens zelebrieren. Das wird ein sehr feiner Abend, ganz nach dem Geschmack der Schnurs. Wehe, du scheiß Krebs, du machst mir hier einen Strich durch Rechnung, dann nehme ich nie wieder Zucker, Salz und verbrannte Grillwürste zu mir. 


Nici is heute ziemlich fies zu mir. Nennt mich einfach Quasimodo. So kann man doch nicht mit einem morituri umgehen. Nur weil ich als Glöckner von Notre Böchingen haushaltstechnisch mit Hinkehüfte, steifen Schrägnacken (Ursache: nächtliche Handytippaktion) und Lipom aufm Buckel (nicht zu verwechseln mit Lymphom, das mich vielleicht killt) unsere 3 Stockwerke mehrmals bestiegen habe. Esmeralda könnte sich ja auch mal ein wenig erkenntlich zeigen, die Nuss! 


Der Glöckkner zeigt sich nicht nachtragend: Er singt seiner Esmeralda beim Zucchini-Schnippeln ein Ständchen per Handy-Karaoke. Love me tender von Elvis. Warum? Einfach so! Beim Bruzzeln tanzen Quasi und Esmi noch eng Umschlungen vor dem Gasherd. (Anmerkung des Verfassers: Love me tender bitte auf der Beerdigung von Quasimodo spielen!) 


Wasn't it just yesterday
When you held me near
Whispering the sweetest words
That I longed to head
Love me tender,
Love me sweet,
Never let me go
You have made my life complete
And I love you so
Love me tender,
Love me true,
All my dreams fulfilled
For my darling I love you
And I always will
Love me tender
(Love me tender)
Love me long
Take me to your heart
For it's there that I belong,
And we'll never part
Love me tender,
Love me true
All my dreams fulfilled
For my darling I love you
And I always will
Love me


Schockierende Erkenntnis nach 9 Jahre Liebesglück: Nici kennt nicht die Anthonny-Quinn-Version von „Der Glöckner von Notre Dame“ und nicht „Flammender Stern“, in dem Elvis ein Halbblut-Indianer spielt. Das muss unbedingt nachgeholt werden!!! 


Nach und nach muss man Menschen, die einen sehr nahe stehen, auch wenn sie 1387 km entfernt leben und in den letzten Tage meinen Blog nicht verfolgt haben, mündlich aufklären, welchen Mist man gerade durchmachen muss. Das ist wahrlich nicht einfach. Die Zuversicht ist nett gemeint;  ich werde mich daran aufrichten. Vielleicht richten sich auch beide auf. Was bleibt einem auch anderes übrig. Sterben ist erst mal keine Option. Noch ist der Schnur nicht verloren! Es ist gut zu wissen, dass man Freunde hat, die sich dem Schmerz aussetzen können. Schmerz teilen, hilft! Danke Heike! 


Es gibt auch Antworten, die man sich einrahmen wird. Dafür benötigt man aber auch einen hohen Grad an Empathie und Sprachfähigkeit. Man muss auch selbst in den Abgrund geschaut und den Schmerz des Lebens gespürt haben, um das Richtige zu sagen, auch wenn man denkt, keine richtige Worte zu finden. 

Oder es ist einfach auch Weisheit! Danke Ursel! 


Manche sagen nichts! Überforderung? Ignoranz? Strategie? Das ist schade, aber nicht mehr wichtig. 


Manche langweilen mich! Das Fehlen von Gespür in jedem Buchstaben und in jedem Ton schon immer da, aber bis jetzt noch nicht so offensichtlich gewesen. 


Die Todesnähe stellt alle Sinne wieder scharf, macht aber vielleicht auch ungerecht. 


03.01 Uhr: Mich stupst jemand in die Seite. Hatte gerade von einer Himmelsführung geträumt. Außer, dass Quasimodo ein Osterhasen-Kostüm an hatte und Elvis Love me tender sang, weiß ich nichts mehr. Schade! Licht wird angeknipst, ich blinzle nach rechts. Esmeralda, die auch verschlafen zum Frischverlieben aussieht, sagt: Hey, du cleverer Poet, Zeit für den Crossi! Echt jetzt? 

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Kommentare: 2
  • #1

    Nici (Montag, 26 April 2021 20:31)

    Diese alten Schinken - habe bisher auch ganz gut ohne gelebt. Kannste alleine gucken! �

  • #2

    Quasimodo (Montag, 26 April 2021 20:37)

    Liebe Esmeralda,
    in meinem Zustand kannst du mir nichts mehr abschlagen. HäHä...
    Dein Quasi