Vorbereitung VI

Vom Kotzen des Inders bin ich aufgewacht. Hier ist es wahnsinnig hellhörig. Ich habe das Fenster geöffnet. Wunderschön wie die Vögel am frühen morgen zwitschernd erwachen.  Und ein Inder erbricht sein Leben in einen Eimer. Unser Dasein in einem Radius von 25 Metern zusammen gefasst. Mit COVID 19 ist es ebenso: Aufopferung und Ignoranz, Empathie und Egoismus. Mir fällt jetzt leider kein Politiker oder Bundesland ein, den ich mit Frühlingsgezwitscher vergleichen kann. Prof.  Dr. Karl Lauterbach? Mit Fliege vielleicht. Bayern? Ohne die CSU evtl. Mir fallen aber reihenweise Politiker*innen für den Brecheimer ein: Gauland, Storch, Weidel, Höcke....Höcke ist der grüne Gallensaft. Wenn Höcke so könnte, wie er denn wollte, wäre mein indischer Freund schon längst hinüber. Und ich dürfte keinen ost-europäischen Akzent der Pflegekräfte mehr hören. Dann würde mir aber auch kaum einer mehr die Bettflasche abnehmen.  Ich habe hier schätzungsweiße 10 Ärzte*innen und 50 Pfleger*innen sprechen hören. 55 hatten einen fremdländischen Akzent.  Mit Höcke müssten wir uns alle selbst heilen. Ich wollte jetzt so früh am Morgen nicht schon wieder Fäkalsprache verwenden. 


Lieber noch was Schönes zum Frühstückskaffee. 


Das Motto für den Tag (eigentlich für ein ganzes Leben)

Ein Gedicht. Eines meiner Liebsten. Ich hatte es schon in der 10. Klasse in der Realschule in Schreibschrift mit einem Pelikan-Füller aus dem Schulbuch übertragen. Ich war gerade in Susi M. verliebt. Aber sie nicht in mich. Gott war man da beschränkt: Ich habe glaube ich 2 ganze Schuljahre damit verbracht, dass sie mich irgendwie wahrnimmt, mich berührt, mir wenigstens auf den Fuß tritt. Ich wollte immer in ihrer Nähe sein. Sie roch so gut und hatte unglaubliche Augen. Ich hätte den ganzen Tag nichts anderes tun können als in ihre Augen zu glotzen und Liebesgedichte zu verfassen. Heute empfinde ich das Gleiche, wenn Nicole in meiner Nähe ist. Im Club der Toten Dichter (diese wunderbare Film ist einer der Gründe, warum ich Lehrer geworden bin) gibt es eine Szene, da erklärt der Englischlehrer John Keating, warum Lyrik nützlich sein kann! Na, warum wohl? Na um die Frau des Herzens zu erobern. Nur deswegen! Man muss zu Gender-Verteidigung des Lehrers sagen, seine Klasse bestand nur aus Jungs.  

Ich habe Keatings Ratschläge bis zum Exzess verfolgt. Pustekuchen! Damals zumindest. 


Nun endlich das Gedicht. Ähem, räusper, hust, bin ganz aufgeregt. 


Bertold Brecht – die Liebenden


Seht jene Kraniche in großem Bogen!

Die Wolken, welche ihnen beigegeben

Zogen mit ihnen schon als sie entflogen

Aus einem Leben in ein anderes Leben.

In gleicher Höhe und mit gleicher Eile

Scheinen sie alle beide nur daneben.

Daß so der Kranich mit der Wolke teile

Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen

Daß also keines länger hier verweile

Und keines anderes sehe als das Wiegen

Des andern in dem Wind, den beide spüren

Die jetzt im Fluge beieinander liegen:

So mag der Wind sie in das Nichts entführen.

Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben

So lange kann sie beide nichts berühren

So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben

Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.

So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben

Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

Wohin ihr? – Nirgend hin. Von wem davon? – Von allen.

Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?

Seit kurzem. – Und wann werden sie sich trennen? – Bald.

So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.